Luftverschmutzung in Paris: Fahrverbote gegen Smog – eine Option auch für Berlin?
In Paris durften am Montag nur Autos fahren, deren Nummernschild auf eine ungerade Ziffer endet. Eine so radikale Maßnahme würde auch in Berlin die Luft verbessern. Doch die deutsche Politik verfolgt ein anderes Konzept.
Berlin atmet durch – und Paris versucht, sich mit einer drastischen Maßnahme Luft zu machen. In der französischen Hauptstadt waren die Feinstaubwerte in den vergangenen Tagen noch höher als während der trockenen Vorfrühlingswochen in Berlin. Nachdem sie nun noch weiter gestiegen sind, wurde am Montag in Paris Alarm ausgelöst – und fast die Hälfte der gesamten Autoflotte zwangsweise stillgelegt: Nur jene Privatautos durften fahren, deren Nummernschild auf eine ungerade Zahl endet, die mit mindestens drei Personen besetzt waren oder (teil-)elektrisch angetrieben werden. Außerdem galten rigorose Tempolimits. Es war das erste derartige Fahrverbot seit 1997, und es überrascht, weil die alternierenden Fahrverbote bisher nur aus Peking allgemein bekannt waren.
Hohe Feinstaubbelastung bei Sonnenschein
Dass der französische Alarmwert von 80 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft auch in Berlin realistisch ist, zeigen die Messwerte vom vergangenen Freitag, dem letzten Tag der Schönwetterperiode: Die Messstationen an Karl-Marx- und Silbersteinstraße sowie Frankfurter Allee meldeten 72 Mikrogramm als Tagesmittel. Beim Grenzwert folgt Berlin allerdings der EU-Vorgabe, wonach mehr als 50 Mikrogramm Feinstaub an höchstens 35 Tagen im Jahr erlaubt sind. Bis zu 27 Tage von diesem Limit sind in Berlin schon jetzt aufgebraucht. Am Wochenende hat der Wetterwechsel das Problem buchstäblich weggeblasen: Die Werte für Feinstaub halbierten sich, die fürs ebenfalls gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid sanken noch stärker.
Doch die Frage, ob Fahrverbote auch in Berlin eine sinnvolle Option wären, wird spätestens mit der nächsten Schönwetterperiode wieder aktuell. Denn der Straßenverkehr steuert den größten Teil zum hausgemachten – also nicht von außerhalb in die Stadt gewehten – Feinstaub bei.
Für Berlin die Umweltzone
Für den Senat sind Fahrverbote „nicht vorstellbar“, und aus Sicht des Umweltbundesamtes haben Bund und Länder in Deutschland die bessere Alternative zum französischen Alarmsystem entwickelt – nämlich die Strategie, den Feinstaub langfristig und dauerhaft zu reduzieren. Berlin gilt mit der 2008 unter Rot-Rot eingeführten Umweltzone als Vorbild; bundesweit gibt es inzwischen knapp 50 vergleichbare Regelungen. Ein Alarmsystem dagegen würde nur den Nachschub verringern, wenn die Schadstoffe schon in der Luft sind, heißt es beim Umweltbundesamt.
An besonders belasteten Straßen – wie der Silbersteinstraße in Neukölln – gelten Durchfahrverbote für Lastwagen, aber die sind und bleiben vorerst nicht nur in Berlin die Ausnahme. Damit bleibt der Stadt auch eine Konsequenz erspart, deren Kosten schon bei den freiwilligen autofreien Sonntagen vergangener Jahre niemand tragen mochte, nämlich die für die kostenlose Nutzung der – vom Land mitfinanzierten – Busse und Bahnen, mit der Paris den zwangsgebremsten Autofahrern aktuell entgegenkommt.
Den Ernst des Feinstaubproblems zeigt eine Berechnung des Umweltbundesamtes, wonach in Deutschland jährlich rund 47000 Menschen durch die Belastung der Luft mit den feinen Partikeln vorzeitig sterben. Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt sind wir hier allerdings noch gut dran: Als Feinstaub-Mittelwert für 2008 gibt die Weltgesundheitsorganisation WHO für Delhi 198 und für Ulan Bator 279 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an.
Stefan Jacobs