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Radtour 8: West-Berliner Popkultur

Schon vor Berghain und Watergate hatte Berlin eine rege Clubszene. Ende der 70er, Anfang der 80er eröffnete die Pop-Avant­garde in der Mauerstadt Kneipen und Kunsträume. Viele sind inzwischen verschwunden. Wir begeben uns auf eine Spurensuche

Länge 19,3 km | Fahrzeit ca. 2 Std. | Schwierigkeit 2 von 5

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SO 36 in der Oranienstraße.
SO 36 in der Oranienstraße.
© Sebastian Lehmann

Start „Bahnhof Zoo, mein Zug fährt ein / ich steig'  aus, gut, wieder da zu sein“, so beginnt der Song „Berlin“ von Ideal, West-Berliner Neue Deutsche Welle von 1980. Also starten auch wir unsere kleine Nostalgie-Tour am Bahnhof Zoo. Am Elefantentor, dem Südeingang des Zoologischen Gartens, biegen wir in die Nürnberger Straße und erreichen unseren ersten Halt, das Dschungel, das früher in Hausnummer 53 residierte. Die berühmte Disko, ebenfalls von Ideal besungen, galt angeblich als das deutsche Studio 54. Inzwischen sieht man hier keine Tanzwilligen mehr, sondern vor allem Touristen. Die Räume gehören heute zu einem Hotel.

km 3,5 Im Café M in der Goltzstraße 33 trank einst Nick Cave seinen Kaffee. Inzwischen ist das unprätentiöse Café eines der letzten Überbleibsel des ehemaligen Szene-Kiezes.

km 4,8 In der Hauptstraße 155, fast direkt am Kleistpark, wohnten einst David Bowie und Iggy Pop. Seit Bowies Tod Anfang 2016 weist eine Plakette an der Fassade des Altbaus auf den berühmten ehemaligen Bewohner hin.

km 5,7 Einer der wenigen echten deutschen Popstars liegt nach seiner Umbettung 2011 auf dem Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof direkt am Hintereingang des S-Bahnhofs Yorckstraße begraben: Rio Reiser. Das Grab befindet sich am Hauptweg auf der linken Seite.

km 6,1 Nur ein paar Meter weiter feierte die Kunst- und Partyszene der frühen 80er Jahre im berühmten Risiko, Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten stand hinter der Theke. Inzwischen ist ein schnödes Reisebüro in die Räume auf der Yorckstraße 48 eingezogen. Über einen breiten, neu ausgebauten Fahrradweg geht es in den Gleisdreieckpark.

km 8,3 Auch von „Europas modernster Disko“, so die Eigenwerbung, sieht man nicht mehr viel: In der Genthiner Straße 26, zwischen Möbelhäusern und Straßenstrich, muss in den 70ern das Sound gewesen sein, in dem Christiane F. und die Kinder vom Bahnhof Zoo tanzten.

km 8,9 Dafür trotzt das Kumpelnest 3000 an der Ecke Potsdamer und Lützowstraße noch immer den neuen Feiergebieten. 1987 von Mark Ernestus als „Pop-up-Bar“ gegründet, in der Künstler ausstellen, ist das Kumpelnest noch heute eine West-Berliner Institution.

km 10,3 Auf der anderen Seite des Landwehrkanals liegen in der Köthener Straße 28 die Hansa Studios. In ihrem Meistersaal nahm David Bowie sein legendäres Album „Heroes“ auf. „Richtung Kreuzberg, die Fahrt ist frei“, singt die Ideal-Sängerin Annette Humpe in „Berlin“ - und auch für uns geht es jetzt am Landwehrkanal entlang in Richtung des alten Kreuzberg 36.

km 14,9 Im SO 36 in der Oranienstraße 36 fanden in den 70er und 80er Jahren Konzerte der wichtigsten Punk- und New-Wave-Bands statt. Auch die deutsche Szene, wie etwa die Gruppe Malaria! um Gudrun Gut, spielte hier. Künstler stellten aus, Martin Kippenberger war kurze Zeit sogar Geschäftsführer. Inzwischen ist das SO 36 eine nicht mehr aus Berlin wegzudenkende Konzert- und Partylocation.

km 15,3 Wir entfernen uns wieder vom Touri-Treiben auf der Oranienstraße und legen einen kurzen Halt am Mariannenplatz ein. Im Bethanien wohnte die Band Ton Steine Scherben. „Der Mariannenplatz war blau, so viel Bullen waren da“, sang die Band um Rio Reiser 1972 in ihrem „Rauch-Haus-Song“. Und das Lied ist immer noch die Hymne aller Hausbesetzer: „Ihr kriegt uns hier nicht raus!“ Über die Köpenicker Straße gelangen wir zum May-Ayim-Ufer. Früher war hier West-Berlin zu Ende, auf der anderen Spreeseite fotografieren sich jetzt Touristen aus aller Welt vor den Überresten der Mauer.

km 17,3 Über Oberbaum- und Skalitzer Straße geht es weiter zum Weltrestaurant Markthalle, dem Sven Regener in seinem verfilmten Roman „Herr Lehmann“ ein Denkmal setzte. Bei Schweinebraten mit Knödeln, Herr Lehmanns liebstem Frühstücksgericht, lassen wir unsere Tour ausklingen. Am Ende des Romans fällt schließlich die Mauer und das alte West-Berlin gehört der Vergangenheit an. Die nächste U-Bahn-Haltestelle ist der Görlitzer Bahnhof.

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Sebastian Lehmann

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