BBI-Baustellenbesuch: Stadt, Land, Bus
Die Baustellentouren übers Flughafengelände sind äußerst beliebt. Sie geben ein Gefühl für die gewaltigen Dimensionen des Projekts.
Der Bus ist ausgebucht, wie immer. „Wir bauen, Sie schauen“, steht auf seiner Flanke. Abfahrt ist nahe dem Bahnhof Schönefeld hinter dem Flachbau, der vor der Wende ein Intershop war, also für die meisten DDR-Bürger ein Ort unerfüllbarer Träume. Später zog die Flughafengesellschaft ein, nannte den Quader „Airportworld“ und verkaufte wieder einen Traum: den vom Großflughafen mit eingebauter Jobmaschine und Verbindungen in alle Welt. Dieser Traum mag über die Jahre zwar ein wenig zusammengeschnurrt sein – aber dass er in Erfüllung gehen wird, zeichnet sich deutlich ab.
Man sieht es gleich nach der Abfahrt des Busses Richtung Bohnsdorf: Unterwegs kreuzt der Bus eine noch gesperrte vierspurige Neubaustraße. Vorn auf dem Reiseleiterplatz sitzt Richard Mann, ein fröhlicher junger Marketingmensch von der Flughafengesellschaft, und sagt, dass diese Straße bald den größten Gewerbepark der Region erschließen wird; ein großer Teil der Flächen sei schon verkauft. Dann biegt der Bus auf die Autobahn. Kreuzt die Schneise, die während der vergangenen Wochen für die östliche Bahnanbindung in den Bohnsdorfer Wald geschlagen wurde. Überquert die völlig neue A 113, die eine eigene Abfahrt direkt zum Terminal bekommt. Biegt wieder ab, wo der Wegweiser zum Dorf Diepensee schon vor Jahren mit „BBI-Baustelle“ überklebt worden ist. Fährt vorbei an den tiefen Kiesgruben unter ehemaligen Feldern, die das Baumaterial liefern. Rollt über Brücken und Straßenschleifen, wo vor kurzem noch Acker war. Als er den Aussichtsturm erreicht, ist eines klar: Hier entsteht nicht nur ein Flughafen neu, sondern eine ganze Region.
Richard Mann zeigt auf ein einsames weißes Wohnhaus zwischen Autobahn und Baustelle. „Das ist das Gebäude mit der besten Infrastruktur Deutschlands: Autobahn vor der Tür, ICE durchs Wohnzimmer, fünf Minuten zu Fuß ins Flughafenterminal.“ Das Haus ist das letzte, das vom Dörfchen Rotberg noch steht. Es dient jetzt dem Makler als Büro, der die Flächen ringsum vermarktet. Wenn schon der Lärm das Wohnen unerträglich macht, sollen wenigstens die Geschäfte laufen. Die Rotberger hatten Glück: Sie mussten nicht umziehen, aber sie durften. Die Bohnsdorfer dagegen, gleich jenseits der Autobahn, „befinden sich im Schallschutzprogramm“, wie der Guide sagt. Soll heißen: Sie bekommen vom Flughafen isolierende Fenster, Lüfter und ein paar tausend Euro Entschädigung für den Krach. Davon ließe sich der Umzug bezahlen, jedoch kein neues Haus. Das ist der Preis des stadtnahen Standortes.
Wie nahe die Stadt tatsächlich ist, wird beim Blick vom sogenannten Infotower klar. Nach zehn Minuten Fahrt ums östliche Flughafengelände hat der Bus den 32 Meter hohen Aussichtsturm erreicht. Von oben wirkt die Gropiusstadt wie kaum mehr als einen Steinwurf entfernt, und selbst der Fernsehturm dahinter scheint sich fast in Laufweite zu befinden. Das Wesentliche aber liegt dem Turm auf seiner Westseite zu Füßen: das Terminal. 180 Meter lang, 220 Meter breit, und mit 32 Metern so hoch wie der Turm, auf dessen offenem Dach die Ausflugsgesellschaft sich jetzt versammelt hat. Was da vor ihnen liegt, hat die Dimensionen des Berliner Hauptbahnhofs, nur eben mit rechten Winkeln statt eines gewölbten Daches und mit deutlich großzügigeren Zufahrten, damit ein paar Zweite-Reihe-Parker nicht gleich einen Stau auslösen.
„Was die hier an Beton reingehauen haben – hohoho, Wahnsinn!“, sagt ein Rentner zu seinem Begleiter. Dabei ist gar nicht mehr zu sehen, wie viel Beton bereits unter die Erde geflossen ist. Der sechsgleisige Bahnhof mit 405 Meter Bahnsteiglänge – passend für einen Doppel-ICE – ist bereits komplett unter einem zwei Meter dicken Betondach verschwunden. Der Deckel muss so mächtig sein, erklärt Richard Mann: nicht wegen der Stabilität, sondern als Gewicht gegen den Druck des Grundwassers. Als weiterer „Anker“ dient das fünfstöckige Terminalgebäude, das direkt auf dem unterirdischen Bahnhof ruht.
Das Ballett der etwa 20 Kräne, das über Monate weithin sichtbar die Gegend dominierte, ist schon wieder vorbei. Nur hinter dem Terminal reckt sich noch einer, der die letzten Teile für den Tower hebt, den die Deutsche Flugsicherung ihren Lotsen baut. Ansonsten spielen sich die Arbeiten jetzt am Boden ab: Rote und blaue Lkw fahren zwischen gelben Baumaschinen hin und her wie auf einer Modellbahnplatte. Ein fernes Gebrumm, das für einen Moment vom Trällern einer Feldlerche übertönt wird. Der kleine Vogel flattert da herum, wo noch ein Flecken Grün geblieben ist und eine Hand voll alter Laubbäume. Die säumten einst die Dorfstraße von Diepensee – und sind so ziemlich das Einzige, was nicht mit dem Dorf umgesiedelt worden ist, ein paar Kilometer südostwärts, in die Nähe von Königs Wusterhausen.
Als der Bus dann am Terminal vorbeifährt, montieren Bauleute gerade die Fensterscheiben. Jede einzelne wiegt so viel wie ein Kleinwagen. Gewaltig sind auch die Dimensionen der neuen südlichen Landebahn: Vier Kilometer lang, 1,3 Meter dick und 60 Meter breit. Der Bus stoppt kurz, der Blick schweift über die betonierte Weite. Richard Mann sagt: „Wenn der Airbus A 380 hier landet, hängen seine Tragflächen trotzdem auf jeder Seite zehn Meter über.“ Ein Raunen geht durch den Bus. Und dann noch eins, als der Guide von dem unbestätigten Gerücht erzählt, dass schon einmal jemand versehentlich auf der Bahn landen wollte. Weil der Flughafen aus der Luft aussieht, als sei er schon fertig.
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