Lastenräder sind die neuen Familienkutschen: Kombis zum Strampeln
Vor allem Familien in Großstädten entdecken das Lastenrad als Alternative zum Auto: Die Fahrräder eignen sich für den Transport von Kindern und Einkäufen. Wer mühsames Strampeln scheut, findet auch Modelle mit elektrischem Hilfsmotor.
Kuriere nutzen Lastenfahrräder seit Jahren, besonders kleine Firmen fahren in der Stadt Waren umher. Doch die Transport-Bikes werden auch für immer mehr Familien interessant: "Hersteller und Händler berichten von deutlich steigenden Verkäufen für den privaten Gebrauch in den letzten Jahren", stellt Arne Behrensen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) fest. Die deutschen Großstädte folgen damit dem Vorbild von Metropolen, in denen Lastenfahrräder fest zum Stadtbild gehören: zum Beispiel Amsterdam und Kopenhagen.
"Die Bereitschaft, das Auto stehen zu lassen oder abzuschaffen, hat zugenommen, vor allem in größeren Städten", sagt Leopold Brötzmann von der Beratungsfirma Velokonzept Saade. "Dort fällt der Schritt leicht, auf das Lastenrad umzusteigen." Mit den ausgebauten Zwei- oder Dreirädern lassen sich Kinder transportieren, die Wocheneinkäufe, das Haustier, kleinere Möbelstücke bei einem Umzug oder auch die Kiste Bier für den Grillabend mit Freunden.
Einteilung in drei Typen
"Zielgruppe sind oft Familien, die Großeinkäufe und Kinder durch die Gegend fahren", sagt René Filippek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Für Distanzen um die fünf Kilometer seien Lastenräder immer interessant. Der Vorteil im Vergleich zum Auto liegt auf der Hand: Laufende Kosten für Steuern oder Sprit fallen bei Transporträdern nicht an. Und Abgase produzieren sie auch nicht.
Grob lassen sich drei unterschiedliche Typen von Lastenrädern unterscheiden, wobei es auch viele Sonderanfertigungen kleinerer Werkstätten gibt. Zum einen sind da normale zweirädrige Fahrräder etwa von Yuba oder Xtracycle, die speziell für den Lastentransport konstruiert oder umgebaut werden, wie der VCD erklärt. Diese Variante taugt eher für kleine Transporte und Radler, die ihr Lastenrad häufig wie ein ganz normales Fahrrad nutzen wollen.
Christania, ein Klassiker
Zum anderen gibt es lange zweirädrige Lastenräder mit tiefer Transportfläche, die sich dem VCD zufolge am historischen "Long John" orientieren, den ein dänischer Mechaniker bereits in den 1920er Jahren entworfen hat. Zum Beispiel haben Larry vs Harry mit dem Bullitt oder auch Bakfiets.nl solche Modelle im Programm. Ein dritter Grundtyp sind die dreirädrigen Lastenräder mit großer Transportbox vorne, die besonders viel Ladung aufnehmen können. Dazu zählt etwa das Christiania Bike aus Dänemark - ein Klassiker.
Welcher Typ von Lastenrad für den privaten Gebrauch am besten taugt, hängt von der Zahl der Kinder und dem gewünschten Einsatzzweck ab. "Viele Hersteller bieten individuelle Exemplare an", sagt Experte Brötzmann. Wer nur Wasserkisten befördern will, muss in der Regel kein Zubehör kaufen. Anders beim Nachwuchs: "Man braucht Kindersitze mit Gurten", erklärt Filippek vom ADFC. "Die bieten die Hersteller in der Regel direkt mit an." Weitere Ausstattungsoptionen sind zum Beispiel Sitzbänke, abschließbare Kisten oder Regenverdecke.
E-Antrieb praktisch, aber nicht ganz billig
Für viele kann auch ein elektrischer Zusatzantrieb interessant sein: "Für Lastenräder ist eine Motorisierung einfach extrem praktisch", sagt Filippek, der selbst als Kurier mit einem Lastenrad unterwegs ist. Man komme zwar auch ohne elektrische Unterstützung voran. Doch vor allem beim Anfahren und bergauf sei ein Elektromotor mehr als angenehm. Doch die E-Variante ist teurer: Allein für einen guten Nachrüstsatz müsse man mit gut 1000 Euro rechnen, erklärt Leopold Brötzmann.
Bevor Neulinge unbedarft den halben Umzug mit einem Lastenrad organisieren, sollten sie sich an das Fahr- und Lenkverhalten der Räder gewöhnen. Besonders bei Dreirädern ist der Unterschied groß: „Das Rad neigt sich in der Kurve nicht, man sitzt sehr starr, das ist erstmal gewöhnungsbedürftig“, sagt Brötzmann. "Man muss mit dem Körper mehr in die Kurve gehen." Unabhängig vom Modelltyp ist immer eine Probefahrt empfehlenswert.
Fachgeschäft besser als Bausatz
Vor dem Kauf sollten Interessenten sicher sein, was sie mit dem Lastenrad anstellen wollen - nur so können sie das passende Modell finden. Laut Filippek ist es ratsam, zu einem Modell mit hydraulischen Bremsen zu greifen, noch besser seien hochwertige Scheibenbremsen. Von den oft weniger bissigen Rollenbremsen rät der Experte eher ab, obwohl diese wartungsarm seien.
Arne Behrensen empfiehlt, unbedingt in ein Fachgeschäft zu gehen. "Wichtig ist ein kompetenter Service nach dem Kauf, wenn es um Wartung, Reparaturen oder Nachrüstung geht." Von supergünstigen Bausätzen für wenige Hundert Euro aus dem Internet warnt der VCD-Experte: "Es handelt sich meist um mindere Qualität, hinzu kommen Probleme beim Aufbau." Beides könne zu einem hohen Sicherheitsrisiko werden. "Viele Fahrradhändler klagen, dass Kunden wegen des Zusammenbaus dieser Räder zu ihnen kommen und sie über die Qualität nur den Kopf schütteln können."
In letzter Zeit würden auf dem Fahrradmarkt immer mehr Lastenräder angeboten, die auf verschiedene Weise ausgestaltet und umgebaut werden können, hat Brötzmann beobachtet. Das Prinzip: ein Grundmodell und verschiedene Varianten. Für ein solides Lastenrad sollten wenigstens um die 1200 Euro eingeplant werden. Art und Qualität des Rads, Bremse und Gangschaltung, die benötigte Zusatzausrüstung und ein möglicher E-Antrieb entscheiden über den Preis. "Nach oben gibt es viel Luft", sagt Brötzmann. Und wer nur gelegentlich Bedarf an einem Transporter zum Strampeln hat, kann sich ein Lastenrad vielerorts einfach ausleihen. (dpa)
Philipp Laage