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© dpa

Berliner Verkehrsbetriebe: Die BVG wird 90 Jahre alt

Vor 90 Jahren wurden Bus, Straßenbahn und Hochbahn zur "BVG" vereinigt – und zwar von Ernst Reuter, dem späteren Regierenden Bürgermeister.

Von 2011 bis 2017, also innerhalb von sechs Jahren, stieg die Zahl der U-Bahn-Fahrgäste bei der BVG um knapp 60 Millionen. Von 1926 bis 1927 stieg die Zahl der Fahrgäste in der U-Bahn um 60 Millionen – also in nur einem Jahr. Wie schafft man so etwas?

Ein visionärer Mann setzte einen Einheitstarif durch, 20 Pfennig für Erwachsene, 10 Pfennig für Kinder und Lehrlinge. Der eigentliche Clou dabei: dieser Tarif galt seit dem 15. März 1927 auch zum Umsteigen, zuvor musste für jedes Verkehrsmittel ein neuer Fahrschein gekauft werden. Deshalb waren die Berliner selbst lange Strecken und auch mit Umwegen nur mit dem Bus oder der Elektrischen gefahren, um das Geld für die U-Bahn zu sparen.

Und wer war dieser visionäre Mann? Es war der SPD-Politiker Ernst Reuter, der nach dem Krieg einmal Regierender Bürgermeister werden sollte. Im Sommer 1926 war er zum Stadtrat für Verkehr ernannt worden, in wenigen Monaten krempelte er den Berliner Verkehr um, er führte die Berliner Straßenbahn-Betriebs-Gesellschaft, die Hochbahngesellschaft und die Allgemeine Berliner Omnibus AG (ABOAG)zusammen. Nun war alles Eins.

Und es gab auch nur noch eine Klasse, die Trennung in der Hochbahn nach 2. und 3. Klasse wurde abgeschafft. „Diese Tarifreform bedeutet eine radikale Neuerung“, schreibt Reuter im Geschäftsbericht für 1927. Und dann bekam der Erfolg einen neuen Namen: BVG.

Keine Feier, sondern 90 Bäume für die Stadt

Am 1. Januar 1929 wurde die BVG gegründet, Reuter wurde Aufsichtsratsvorsitzender. Auf eine Jubel-Feier zu diesem 90. Geburtstag verzichtet die BVG, sie will stattdessen 90 Bäume pflanzen. „Diese 90 Bäume sind ein Symbol für unsere Verwurzelung in unserer Stadt“, teilte BVG-Chefin Sigrid Nikutta mit. Die heutige Aufsichtsratsvorsitzende der BVG, Ramona Pop, kündigte an: „Wir investieren in Fahrzeugbeschaffung, Elektromobilität und Bahnhofsmodernisierung – damit die Berliner auch in den nächsten 90 Jahren verlässlich und klimafreundlich von A nach B kommen“. Es wird ihre Aufgabe sein, als Wirtschaftssenatorin die vielen Millionen bei Finanzsenator Kollatz durchzuboxen.

Bei einem Besuch in einer U-Bahn-Werkstatt kurz vor Weihnachten hatte Pop beklagt, dass 20 Jahre lang nicht investiert worden sei, dies müsse jetzt nachgeholt werden. Wie berichtet, fehlen der BVG vor allem Wagen für die U-Bahn. Bei dem Besuch hatte sie gesagt, dass die Investitionen „alternativlos“ seien, sprich: Kollatz muss das Geld rausrücken.

Im Jubiläumsjahr dürfte deshalb ab März auf stark frequentierten Linien der 4- oder 4,5-Minuten-Takt aufgegeben werden. Die Züge werden dann in der Hauptverkehrszeit nur noch alle fünf Minuten kommen – kein Grund zum Feiern. Ernst Reuter beschaffte in den Jahren 1927 und 1928 fast 400 U-Bahn-Wagen – heute undenkbar. 1927 fuhren 223 Millionen Berliner mit der U-Bahn, deren Netz 57 Kilometer umfasste.

Herzlichen Glückwunsch, BVG! Wäre die S-Bahn Berlin auch so zuverlässig wie du, fände sich trotzdem garantiert immer ein Grund, auf den ÖPNV in Berlin zu schimpfen, obwohl dieser in Deutschland einmalig ist. Einmalig gut!

schreibt NutzerIn Westpreussen

Aktuell (2017) fuhren 563 Millionen Menschen mit der U-Bahn, das Netz umfasst heute 146 Kilometer. Derzeit fahren in den breiteren Tunneln des „Großprofils“ (Linien 5 bis 9) auch Züge, die für das schmalere „Kleinprofil“ (Linie 1 bis 4) provisorisch umgebaut wurden – auch das kein Grund zum Feiern.

BVG-Chefin will Verknüpfung aller Verkehrsmittel

Mit einer Idee war Ernst Reuter gescheitert. Die Tarifgemeinschaft mit der S-Bahn gelang nicht, diese blieb bei der Reichsbahn. Erst seit dem 9. Januar 1984, als die BVG in West-Berlin die S-Bahn von der DDR-Reichsbahn übernahm, galt ein gemeinsamer Tarif. Dies ist nun auch schon 35 Jahre her.

Zur Feier des 90. Geburtstages betätigte sich auch BVG-Chefin Nikutta als Visionärin: Durch die Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln wie Fahrrad, Carsharing, E-Rollern und Rufbussen werde „das Mobilitätsangebot in Zukunft so vielfältig und einfach sein, dass das eigene Auto zur Ausnahme wird und Berlin statt Parkplätzen Parks und Spielplätze anlegen kann“. Eine solche App, die alle Angebote verknüpft, hat Verkehrssenatorin Regine Günther kürzlich auf einer Mobilitätskonferenz angekündigt.

Das mit den Parkplätzen dürfte eine ähnlich harte Nuss werden wie der Einheitstarif für Reuter. Bekanntlich gehen in Lichtenberg gerade die Anwohner auf die Barrikaden, weil Parkplätze in der Siegfriedstraße für separate Radwege wegfallen sollen.

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