Radfahren in Berlin und Brandenburg: Brandenburg steigt auf
Wer in Berlin an eine Radtour denkt, der ist schnell in Brandenburg angekommen. Für das Bundesland ist der Tourismus auf zwei Rädern einer der wichtigsten Wirtschaftszweige geworden. Deshalb wird auch viel investiert. Nicht nur Geld, sondern auch Ideen.
Die Länge der Brandenburger Radwege reicht bereits für einen beeindruckenden Vergleich: Die mehr als 7 000 Kilometer entsprechen immerhin der Entfernung zwischen Berlin und Peking. Rechnet man die vielen Radel-Abschnitte zwischen einzelnen Orten oder durch die Wälder der Schorfheide, des Flämings, der Märkischen Schweiz und anderer Naturräume jenseits der ausgewiesenen Fernwege noch hinzu, würde die Vergleichsstrecke aus der Hauptstadt wohl bis nach Vietnam reichen.
Länge allein sagt bekanntlich auch im Radtourismus noch nicht viel aus. Zum Glück gibt es für die Beurteilung der Qualität ein unbestechliches Mittel: die jährliche Radreiseanalyse des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Dessen Mitglieder sind bekanntlich nicht nur besonders kritisch, sondern reisen oft durch ganz Deutschland und in die Nachbarländer und können sich so ein Urteil durchaus erlauben. Mit Brandenburg waren sie offensichtlich im vergangenen Jahr sehr zufrieden. Sie wählten das Bundesland auf Rang zwei der beliebtesten deutschen Radreiseregionen.
Auf dem Spitzenplatz liegt nach wie vor Bayern. Dort sind die Qualität und die Ausschilderung der Wege einfach fast nahezu perfekt. Doch Brandenburg holt auf und verdrängte immerhin das lange Zeit scheinbar uneinholbare Mecklenburg-Vorpommern auf den vierten Rang. Den dritten Platz verteidigte das Emsland.
Deshalb frohlockte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers: „Der Radtourismus ist für Brandenburg ein starker Pfeiler des touristischen Erfolgs“, kommentierte er das Ergebnis des Fahrrad-Clubs im März. Dennoch ist hier ein Problem nicht zu übersehen, das gerade Mecklenburg-Vorpommern zum Verhängnis geworden ist: die Pflege der mit viel Aufwand gebauten Radwege. Nichts ist ärgerlicher als gefährliche Asphaltaufbrüche durch Baumwurzeln. Mitunter reißt auch der Frost große Löcher auf. Ebenso stören heruntergefallene Äste und Zweige oder das langsame Zuwachsen der Wege durch das Gras am Rande. Viele Strecken, die noch vor wenigen Jahren neuwertig waren sind heute schon wieder in einem bedauerlichen Zustand.
Dabei ist die Pflege meistens Sache der Kommunen, durch die der Radweg führt. Doch denen fehlt oft das Geld, sodass Mittel vom Landkreis helfen müssen. Vorbildlich funktioniert das in den beiden Brandenburger Abschnitten des Elberadweges, der vom ADFC erneut zur beliebtesten Fernroute gekürt wurde. Sowohl im Landkreis Elbe-Elster im Südwesten Brandenburgs als auch in der Prignitz im Nordwesten befinden sich die Wege in einem guten Zustand. Überhaupt führen durch kein anderes Bundesland so viele vom ADFC als Qualitätsradroute zertifizierte Wege.
Allein 18 der 51 Strecken finden sich hier. Dazu gehören der durch den ganzen Spreewald führende Gurkenradweg, die Seenland-Route durch die Lausitz, die neuen Strecken durch die Orte mit historischen Stadtkernen sowie der Oder-Neiße-Radweg. Hier zählen sowohl Zustand der Wege als auch die Sicherheit, eine ausreichende Zahl von Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
Eine schon vor Jahren zusammengestellte Route schaffte es immerhin zum dritten Platz im Wettbewerb um den Brandenburgischen Tourismuspreis 2014. „Adler trifft Zander“, lautet der Name der rund 40 Kilometer langen Tour um den Storkower und den Scharmützelsee. Die Namensgeber sind unterwegs durchaus zu entdecken. Fisch- und Seeadler drehen ihre Runden am Himmel, während der Zander zu den beliebtesten Speisen in den Fischgaststätten am Wegesrand gehört.
Nicht nur wegen der vielen Naturbeobachtungspunkte eignet sich die überwiegend flache Strecke gerade für Familien. Dank der Bahnhöfe in Storkow, Bad Saarow und Wendisch Rietz kann die Tagesetappe leicht abgekürzt werden.
Überhaupt hat sich Brandenburg in den vergangenen Jahren auf einen neuen Trend unter den Radtouristen eingestellt: dem Wunsch nach vielen Erlebniskombinationen unterwegs.
Deshalb liegen viele Strecken an Badeseen und Flüssen, führen zu Industriemuseen und Lokalen mit Seeterrassen oder laden zum Entdecken frisch herausgeputzter Kleinstädte ein. Die Startpunkte dafür liegen nicht selten direkt an den Endhaltestellen der S-Bahn, so in Bernau, in Oranienburg, in Strausberg-Nord oder in Potsdam. Wer beispielsweise in Königs Wusterhausen aussteigt, kann sich auf eine 30 Kilometer lange Runde gleich zu zehn Seen begeben.
Und für alle, die nicht gerne Karten lesen und vorgefertigte Touren abfahren, gibt es nun auch eine Lösung. In der Prignitz können Radfahrer Knotenpunkte abradeln. Mit dem Slogan „Radeln nach Zahlen“ wirbt der örtliche Tourismusverband für ein System, nach dem alle wichtigen Kreuzungen mit Zahlen versehen werden. Die Radtouristen können sich dann in wenigen Minuten ihre individuelle Wunschtour zusammenstellen. An einem Knotenpunkt angekommen, müssen sie dann nur der Richtung zur nächsten Zahl, also zum nächsten Knotenpunkt folgen. In der Prignitz wird dieses System seit bald zwei Jahren getestet. Sollte es erfolgreich sein, und danach sieht es derzeit aus, dürfte „Radeln nach Zahlen“ auf ganz Brandenburg ausgerollt werden. So wird die Fahrradtour im benachbarten Umland kinderleicht planbar. Und Brandenburg dürfte seinen Spitzenplatz in Sachen Radtourismus weiter festigen.
Radtour: Es muss nicht immer Beelitz sein
Radfahren in Berlin und Brandenburg: Die ganze Vielfalt von zwei Rädern