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Bahn frei.
© dpa / Julian Stratenschulte

Berliner Bäder: Expressbahnen für Superkrauler!

In städtischen Bädern einfach nur hin- und herschwimmen? Vergessen Sie’s. Es sollte extra Zeiten und abgesperrte Überholspuren für Schnellschwimmer geben. Ein Plädoyer

Eigentlich ist Schwimmen für mich perfekt, um runterzukommen. Schon der Sprung ins Wasser ist eine kleine Überwältigung der Sinne. Nichts stört im Pool, hin und her geht es, hin und her, das Rauschen versetzt mich in leichte Trance. Im Idealfall trägt mich das Wasser mühelos, ich bekomme gar nicht richtig mit, wie ich mich anstrenge. Einfacher kann ich mich nicht vom Alltag lösen.

Andererseits ist Schwimmen in den Berliner Bädern meistens ungefähr so entspannend wie Fahrradfahren zur Rushhour. Wer ins Becken springt, sollte eher im Nahkampf als in einem der vier Schwimmstile geschult sein. Wumms, kollidiert eine forsche Kraulerin mit einem Opa-Schwimmer. Ooops, kreuzt jemand die Bahn, der auf dem Rücken dahintreibt. Richtig trainieren kann man meistens nur das Zickzack-Schwimmen. Wer allen unfallfrei ausweichen möchte, bräuchte ein Echolotsystem wie ein Delphin.

Es ist schon absurd: Berlin hat mehr als 60 Schwimmbäder, auch das eine Superlative unserer schönen Stadt. Angeblich ist nirgendwo auf der Welt die Bäderdichte höher. Man kann vieles machen: Planschen, Rutschen, Saunieren, Aqua Fitness, im Sole-Becken liegen. Nur wer wie ich richtig schwimmen möchte – einfach zügig hin und her und hin und her – ist im öffentlichen Schwimmbad nicht so gut aufgehoben.

Die Schnellen fühlen sich behindert, die Langsamen bedroht

Ist es bei einem Eintritt von 5,50 Euro zu viel verlangt, dass auch die Menschen auf ihre Kosten kommen, die Schwimmen tatsächlich als Sport betreiben wollen? So schwierig wäre das gar nicht. Im Frühjahr war ich in der Nähe von New York. Der bis in die Nacht geöffnete örtliche Pool bot festgelegte Bahnen und Zeiten für unterschiedliche Gruppen an: für schnelle Schwimmer, für langsamere, fürs offene Schwimmen (wenn keine Bahnen durch Leinen abgetrennt sind), für Aqua-Jogger und fürs Kinderplanschen. Ein Belegungsplan war im Internet abrufbar, so dass man gezielt die passenden Zeiten auswählen konnte. Ein Schwimmerparadies! In Berlin kann man dagegen schon froh sein, wenn online rechtzeitig vor plötzlichen Schließungen gewarnt wird.

Zugegeben: Auch einige Berliner Bäder trennen inzwischen wenige Bahnen mit Leinen ab. Wenige Bahnen. Manchmal sind sie sogar mit einem Schild „Für Sportschwimmer“ markiert. In der Halle an der Landsberger Allee steht das zum Beispiel vor einer von zehn Bahnen – so weit dazu, für wie sportlich die Bäderbetriebe ihre Gäste halten. Allein, helfen tun die Leinen hier kaum. Ihnen zum Trotz tummeln sich alle Leistungsklassen auf der abgegrenzten Bahn. Es ist schon erstaunlich, wer sich für einen Sportschwimmer hält, vor allem Männer überschätzen sich da gerne. Nur der Besitz einer Schwimmbrille qualifiziert noch nicht dafür, genauso wenig wie der Besitz von Skiern automatisch das Befahren einer schwarzen Piste ermöglicht.

Man drohte mir Prügel an. Mein einziges Vergehen: Ich hatte es gewagt, den Vordermann zu überholen.
Man drohte mir Prügel an. Mein einziges Vergehen: Ich hatte es gewagt, den Vordermann zu überholen.
© Kai-Uwe Heinrich

Warum das nicht klappt, ist mir ein Rätsel. In Sportstudios machen doch auch alle an den Geräten brav nur die Übungen, die dafür vorgesehen sind. Ob es daran liegt, dass die Bademeister meistens mit der typischen Berliner „Ist mir egal“-Attitüde gemütlich in ihrer Aufsichtskabine sitzen, ohne in das Gewühle einzugreifen? Wenn sie ein wenig für Ordnung sorgen würden, wäre den entnervten Schwimmbadgästen sehr geholfen.

So führt das Durcheinander aber nur zu Frust und Aggression. Die Schnellen fühlen sich von den Langsamen behindert, die Langsamen von den Schnellen bedroht. Im Sommer, wenn die Hallenbäder dicht sind und alles in die Freibäder stürmt, potenziert sich das Gedränge. Im Prinzenbad wurden mir im vergangenen Jahr sogar Prügel angedroht. Nicht etwa von den üblichen Rabauken, die außerhalb des Beckens randalieren. Nein, es war ein (über)eifriger Sportler. Mein einziges Vergehen: Ich hatte versucht ihn zu überholen.

Und so bleibt nur eines, was im Sommer wirklich hilft: Regen. Je oller das Wetter, desto leerer die Freibäder. Letztens, am Tag nach der großen Berliner Sintflut, waren wir im Freibad Wilmersdorf zu viert, jeder hatte zwei Bahnen für sich. Traumhafte Bedingungen. Wenn’s nach mir geht, kann es so weiter regnen.

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