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Bienen sind in den letzten Jahren immer mehr ins allgemeine Blickfeld gerückt.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Kritik an Bienenkästen auf Hochhäusern: Experte wirft Berliner Imkern Tierquälerei vor

Er kennt sie alle, die viele Arten der Hautflügler in Berlin. Bei Imkern ist Christoph Saure allerdings nur mäßig beliebt.

Mit einer Blauschwarzen Holzbiene könnte Christoph Saure sein Publikum gewiss beeindrucken: zweieinhalb Zentimeter werden die größten heimischen Bienen lang. Dazu sind sie fast so breit wie Hummeln und ihre Flügel schillern so raffiniert blaulila wie manche dieser Angeberautos, die oft auf dem Ku’damm nerven.

Zwischen den röhrenden Auspuffhirschen und den Holzbienen liegen allerdings Welten, die noch weiter voneinander entfernt sind als die zwischen City-West und dem früheren US-Militärgelände Parks Range in Lichterfelde-Süd. Dorthin führt Saure sein Publikum am 26. Mai, dem Langen Tag der Stadtnatur (Mehr zum Programm s.u.).

Das seit Jahrzehnten in Ruhe gelassene, aber nach einem ökologisch ausgefeilten System mit Pferden beweidete Gelände am südlichen Stadtrand ist laut Saure „eine der artenreichsten Flächen in Berlin, bezogen auf stechende Hautflügler“.

160 Bienen- und 180 Wespenarten

Da staunt der Laie, und Saure ergänzt: „Dort leben 160 Bienen- und 180 Wespenarten. Nur am Fort Hahneberg und im Landschaftspark Adlershof-Johannisthal gibt es noch etwa 20 Bienenarten mehr.“

Als jahrzehntelang erfahrener Bienenguru und Gutachter für Umweltbehörden in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt kennt Saure sie alle. Und die, die er nicht auf Anhieb erkennt, fängt er mit Kescher und Gläschen, um sie in seinem mit holzgerahmten Schaukästen vollgestellten Zehlendorfer Büro zu bestimmen.

Saures Metier ist ein sehr spezielles – aber eines, das ins Blickfeld gerückt ist, seit sich die Bienenfreunde aller Länder vereinigen, von Bayern bis Brandenburg, und in Berlin die Umweltsenatorin die bestäuberfreundliche Stadt ausruft.

Auch deshalb gilt den Wildbienen beim Langen Tag der Stadtnatur in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit.

Das von der Stiftung Naturschutz zusammengestellte Programm ist wie in den Vorjahren fast unüberschaubar. Wer mal nicht (nur) zu Biberburgen und Kräuterwiesen möchte, kann bei Saure ein etwas spezielleres Programm erleben. Und sich an den Thesen des Experten reiben.

Denn während auf der nach oben offenen Knuddelskala die Bienen allmählich zu den Eisbären aufschließen und die Stadtimker als urbane Biobauern gefeiert werden, sieht Saure eine Massentierhaltung, die überhand genommen hat: Die Zahl der Honigbienenvölker habe sich binnen zehn Jahren auf rund 10.000 etwa verdoppelt.

Gefahr von Seuchen

Zur Zeit der Lindenblüte kämen noch einmal so viele Völker von Wanderimkern hinzu. Durch diese Bevölkerungsexplosion steige die Gefahr von Seuchen. Außerdem verringere sich der Honigertrag der Imker, die Nahrung für die Wildbienen werde knapp. Denn die etwa 50.000 Honigbienen pro Volk ernten eben auch die für Wildbienen existenziellen Kräuter ab, statt sich nur an den Linden zu laben.

Weil Honigbienen kilometerweit fliegen, sei die Konkurrenz für ihre meist solitär und ortsfest lebenden wilden Verwandten umso härter. Und Bienenkästen, die auf Hochhausdächern in der Sonne braten, hält Saure für Tierquälerei.

Christoph Saure.
Christoph Saure.
© privat

In der wachsenden Gemeinde der Stadtimker ist Saure wegen solcher Aussagen nur mäßig beliebt. Allerdings erkennt er an, dass die Honigbiene sich als Sympathieträgerin eignet, um auf Wildbienen und damit auf das unstrittige Problem des Insektenschwundes aufmerksam zu machen. Wenn Saure mit seinen Gästen durch die Natur in Lichterfelde-Süd streift, werde er realistischerweise höchstens 20 Bienenarten in zwei Stunden zeigen können.

Die meisten Arten seien nur etwa einen Monat unterwegs und auf bestimmte Pflanzen spezialisiert wie etwa die Zahntrost-Sägehornbiene, die nicht vor August startet. Aber Überraschendes sollte sich allemal finden. Ein Aha-Effekt sei ja schon die Kleinheit der meisten Bienenarten: Zwei Drittel seien Winzlinge, die eher geflügelten Ameisen ähneln. Und ein Viertel seien „Kuckucksbienen“, die ihre Eier in fremde Nester legen.

Es wird also reichlich Gelegenheit zum Staunen geben am Tag der Stadtnatur für alle, die sich auch für kleine Dinge und Tiere begeistern können. Die Klassiker, allen voran die naturkundlichen Schiffstouren mit Berlins weltbestem Wildniserklärer Derk Ehlert, sind ohnehin wieder im Programm. Biber an der Spree und Eisvögel am Westhafen sind versprochen, beispielsweise.

Ebenso gut kann man sich auf die Fährte der invasiven Amerikanischen Sumpfkrebse begeben, die als „Tiergarten-Hummer“ Karriere machen und inzwischen mit amtlicher Genehmigung zu Brötchenbelag verarbeitet werden. Und wer über den Tag hinaus profitieren will, kann sich einem Survival-Experten anvertrauen. Man muss nur aufpassen, dass einen keine Hautflügler stechen.

TAG DER STADTNATUR: DAS PROGRAMM

Der 13. Lange Tag der Stadtnatur dauert vom 25. Mai, 15 Uhr, bis 26. Mai, 17 Uhr. Während dieser 26 Stunden werden 529 Führungen und Aktionen an 185 Orten in Berlin angeboten. 172 Veranstaltungen sind laut Stiftung Naturschutz neu. Die Tickets fürs Gesamtprogramm kosten 7 Euro (ermäßigt: 5), der Vorverkauf läuft (online sowie in BVG-Kundenzentren, bei denn’s Biomarkt, Thalia und Weichardt Brot). Für einige Veranstaltungen ist eine Reservierung nötig. Alle Infos zum Programm inklusive Suchfunktionen online unter langertagderstadtnatur.de.

BIENEN UND POLITIKER 

Die Tour mit Christoph Saure ist für den 26. Mai von 12 bis 14 Uhr geplant. An vielen Veranstaltungen nehmen Politiker teil: Acht Bezirksbürgermeister und mehr als 60 Mitglieder des Abgeordnetenhauses haben sich laut Veranstalter angekündigt.

Stefan Jacobs

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