Abrisspläne: Ex-Bauleiter: Das ICC ist kaum wegzukriegen
Der Abriss des Internationalen Congress Centrums wäre eine Mammutaufgabe. Autobahnzubringer und Brücke über S-Bahn müssten wohl neu gebaut werden.
Ein früherer Oberbauleiter, der von 1972 bis zur Eröffnung des Internationalen Congress Centrums (ICC) im Frühjahr 1979 auf der Großbaustelle beschäftigt war, warnt dringend vor einem Abriss des Gebäudes. Die komplette Beseitigung des ICC bis zu den Fundamenten sei wegen der eigentümlichen Statik kompliziert und gefährlich, sagte Klaus Dieter Jacobs dem Tagesspiegel. Es müssten ungeheure Mengen Stahl, Aluminium, Beton, Mauerwerk, Granitplatten, Kabel usw. abgetragen und entsorgt werden. Außerdem werde bei einem Abriss der Straßen- und Bahnverkehr in weiterem Umkreis um das Kongresszentrum über einen langen Zeitraum lahmgelegt.
„Teile der Avus, der Stadtring, Messedamm, Kant- und Halenseestraße müssten monatelang, wenn nicht sogar für Jahre gesperrt und umgebaut werden“, sagt Jacobs, der einer von sieben bauleitenden Architekten war, damals zuständig für Eingangshalle, alle Foyers und Treppenhäuser. Zum Beispiel müssten die Zubringer zur Stadtautobahn neu gebaut werden und die Brücke über der S-Bahn (Neue Kantstraße) gerate in Mitleidenschaft. Ganz zu schweigen von unzähligen Rohr-, Elektro- und sonstigen Leitungen, die das Stadtquartier in der Nähe des Messegeländes versorgen. Denn die Fundamente des ICC reichen sehr weit über das sichtbare Kongressgebäude hinaus. Jacobs weiß, wovon er spricht – er kennt noch die frisch ausgehobene Baugrube.
Ein weiteres Problem, sagt der jetzt 73-jährige Baufachmann, sei die Konstruktion des ICC mit vielen ineinander verzahnten, mächtigen Bauteilen, die sich gegenseitig die Waage halten. So wiege ein Längsträger des 320 Meter langen und 80 Meter breiten „Raumschiffs“ etwa 1500 Tonnen. Die 300 bis 500 Tonnen schweren Querträger hielten das Dach und würden umgekehrt von der Dachscheibe stabilisiert. Diese Stahlträger ruhten auf Neoprenlagern, die bis zu 5000 Tonnen Last tragen müssten. „Da kann man nicht mit der Abrissbirne ran“, sagt Jacobs. Die gesamte Konstruktion müsse streng kontrolliert, Stück für Stück abgetragen werden, um gefährliche Senkungen oder Hebungen des Untergrunds zu vermeiden.
Dagegen sei der Abriss des Palastes der Republik einfach gewesen, meint der Ex-Bauleiter, der auch in anderen europäischen Ländern, in den USA und Südostasien gearbeitet hat. Ein eigenwilliger Weltenbummler mit einem Faible für Abenteuer. Zwei Bücher hat er über sein Leben geschrieben, dazu gehört auch die Arbeit beim ICC. Kurz nach der Eröffnung des größten Kongressgebäudes in Europa schrieb Jacobs mit geradezu prophetischer Gabe auf: Er halte es für möglich, dass die Berliner Messegesellschaft „im Laufe der Zeit aufgrund der hohen Wartungskosten aus diesem Kleinod der Architektur eine einfache Messehalle macht oder das ICC abreißt“.
Ein solcher Abriss werde hunderte Millionen Euro kosten, warnt der Architekt. Die von Gutachtern festgestellte Schadstoffbelastung des Gebäudes, vor allem durch Asbest, ist Jacobs ein Rätsel. „Die Bauleitung wurde von vornherein darauf hingewiesen, dass kein Asbest verbaut werden darf.“ Trotzdem enthalten Zementplatten und Heizungsrohre das krebserzeugende Material, sowohl am Dach wie in den Räumen. Die Beseitigung der Schadstoffe wird nach jüngsten Schätzungen über 60 Millionen Euro kosten.
Die hohen Baukosten für das ICC, über eine Milliarde D-Mark (etwa 500 Millionen Euro), erklärt sich Jacobs auch aus dem Standort zwischen Autobahn, S-Bahn und Messedamm. „Ein schmales Handtuch, das jahrzehntelang als unverkäuflich und nicht bebaubar galt.“ Alternativ seien vorher die Heerstraße und die Jafféstraße im Gespräch gewesen. Die ungewöhnliche Architektur des ICC sei eben auch dem schwierig zu nutzenden Grundstück zu verdanken. Für das Ingenieurbüro Gerhard Bartels habe er 1968/69 gemeinsam mit einem Kollegen eine interne Kostenschätzung vorgelegt. „Wir kamen damals schon auf 850 Millionen D-Mark.“ Offiziell ging der SPD-geführte Senat 1969 damit hausieren, dass das ICC für 120 Millionen D-Mark zu haben sei.