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Unterrichtsfrei. Die Gerhard-Hauptmann-Schule sollte für die Flüchtlinge eigentlich nur eine Übergangslösung für den vergangenen Winter sein, nun haben sich die Flüchtlinge dort eingerichtet.
© Björn Kietzmann

Seit einem Jahr Flüchtlingscamp: Es war einmal eine Schule

Im Gebäude an der Reichenberger Straße in Kreuzberg campieren seit einem Jahr Flüchtlinge. Immer wieder gibt es Ärger, kaum jemand traut sich mehr hinein – dabei hatte der Bezirk einst eine andere Option.

Es gibt derzeit wahrscheinlich nicht viele Orte in Berlin, die derart heruntergekommen wirken wie das Gelände der ehemaligen Gerhart-Hauptmann- Hauptschule in Kreuzberg. Wer sich über den schäbigen, trostlosen Hof dem Eingang nähert, an Kleidungshaufen vorbeigeht, die in Pfützen liegen, und schließlich ausrangierte Matratzen passiert hat, findet sich vor einem Treppenaufgang, der mit einem Holzbock versperrt ist. Dort beginnt die Welt der Flüchtlinge, die in der Schule seit einem Jahr campieren. Außer der Polizei, die bei Messerstechereien anrücken muss, traut sich kaum noch jemand in den ersten Stock – auch nicht die Mitarbeiter der Drogeneinrichtung Fix-Punkt, die im Erdgeschoss untergebracht ist.

Herrmann wollte keine Konkurrenz für öffentliche Schulen

Woran sich nur noch wenige erinnern: Bevor das Gebäude an der Reichenberger Straße Ecke Ohlauer Straße leer stand, war es als Standort für eine evangelische Grundschule im Gespräch. Das ist jetzt gut fünf Jahre her. Damals war die Hauptschule längst ausgelaufen und die Räume wurden teilweise für die Lehrerausbildung genutzt, was nicht als Dauerlösung galt. Ein Elternverein, der gern eine evangelische Grundschule gründen wollte, bemühte sich um den Standort, wurde aber ausgebremst: Der Bezirk und allen voran die Grüne Monika Herrmann – damals noch nicht Bürgermeisterin, sondern Bildungsstadträtin – wollten keine Konkurrenz für die öffentlichen Schulen schaffen. „Mit Frau Herrmann war nicht zu reden. An ihr ist das Projekt gescheitert“, sagt Manfred Hermann, der damals als Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Schulstiftung die Verhandlungen führte. Es habe keine Perspektive gegeben.

Wut über den elenden Zustand

Das allerdings war erst hinterher klar. Zunächst hatten sich Dutzende Eltern unter der Leitung der Kreuzberger Rechtsanwältin Angelika Klein-Beber mit großem Eifer an die Planungen gemacht. „Es gab sogar eine Begehung mit einer Architektin“, erinnert sich Klein-Beber. Wenn sie heute daran denkt, wie das Gebäude sich hätte entwickeln können und in welch elendem Zustand es sich zurzeit befindet, kann Klein-Beber noch einmal richtig wütend werden, auch wenn sie das Thema eigentlich längst abgehakt hat.

Die Wut hat nicht nur mit der Abfuhr am Standort Reichenberger Straße zu tun, sondern auch damit, dass der Bezirk der Initiative noch ein zweites Mal die Unterstützung versagte, und zwar am Standort der ehemaligen Rosegger- Schule. Auch diese Schule war mangels Nachfrage geschlossen worden, und es gab sogar eine offizielle Ausschreibung, an der sich mehrere freie Träger beteiligten, darunter die evangelische Initiative.

Müll vor der Schule.
Müll vor der Schule.
© Björn Kietzmann

Vage Vorstellungen für die Zukunft

„Dann wurde die Ausschreibung plötzlich abgebrochen“, erzählt Klein-Beber. Inzwischen ist das Gebäude in Erbbaupacht an die in Gründung befindliche Hochschule für Weltmusik abgegeben worden. Zurzeit läuft das Anerkennungsverfahren für die Hochschule auf Bundesebene, und die Schule plant große Umbauten, wenn alles endlich genehmigt ist.

So weit ist der Bezirk an der Reichenberger Straße noch nicht. Hier gibt es nur vage Vorstellungen von einem „Projektehaus“ mitsamt einer kleinen freien alternativen Grundschule. An Mieteinnahmen ist noch nicht zu denken, obwohl der klamme Bezirk ein bisschen Geld gut gebrauchen könnte. Stattdessen drohen hohe Ausgaben für die Instandsetzung des Gebäudes, das durch den Leerstand und die anschließende Flüchtlingsbesetzung in einem erbarmungswürdigen Zustand ist.

„Es gibt den fiskalischen Aspekt und den gesellschaftlichen“, verteidigt die neue Finanzstadträtin Jana Borkamp (Grüne) die Politik des Bezirksamts. Man versuche eben, „Dingen Raum zu geben“, die mit hohen Mieten nicht möglich seien.

Rechtsanwältin Klein-Beber sieht das kritisch. Sie hat vor längerer Zeit einen Brief an den Finanzsenator geschrieben und ihn darauf hingewiesen, dass sich Friedrichshain-Kreuzberg trotz seiner finanziellen Probleme offenbar den Luxus leiste, auf nennenswerte Gebäudeerträge zu verzichten und Bezirkseigentum verfallen zu lassen.

Mehr als eine lapidare Antwort kam nie: Der Umgang mit ihren Gebäuden ist Sache der Bezirke.

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