Wohnungskrise in Berlin: "Es gibt eine falsche Panikmache gegen Investoren"
Immobilienentwickler Jakob Mähren kritisiert die Wohnungsbaupolitik des Senats und wehrt sich gegen Angriffe auf seine Branche.
Herr Mähren, es ist nicht einfach, einen Immobilieninvestor für ein Interview zu bekommen.
Verstehe ich.
Woran liegt das?
Die Berliner Entwicklung mit ihren Mietsteigerungen der letzten Jahre wird vor allem auf den Vermieter und Investor reflektiert. Das hat zur Bildung eines Feindbilds geführt. Dabei kann die Wohnungsnot nur durch Zusammenarbeit zwischen Politik und privaten Investoren gelöst werden.
Sie sind vor allem durch Investitionen in Immobilien erfolgreich geworden. Die sind in der Hauptstadt heute doppelt so teuer wie vor zehn Jahren, meldete das Onlineportal Immowelt kürzlich. Teilweise ist es sogar noch viel teurer. Wie verändert das Ihre Arbeit?
Vor zehn Jahren haben wir Immobilien vor allem in B- und C-Lagen gekauft. Neukölln war damals beispielsweise eine solche „schlechte Lage“ mit viel Leerstand. Die Rütli-Schule wurde in den Medien als schlimmste Schule Deutschlands dargestellt. Die damaligen Eigentümer in der Gegend haben die Häuser regelrecht auf den Markt geworfen.
Zu welchem Preis?
Viele für 300 oder 400 Euro pro Quadratmeter. Ich habe auf der Sonnenallee vor zehn Jahren sogar ein Haus für unter 200 Euro pro Quadratmeter gekauft. Absurd. Ein Mehrfamilienhaus mit 3300 Quadratmetern für 600 000 Euro. Heute würde dort eine Wohnung so viel kosten.
Und die Wohnungen ließen sich vermieten?
Eher nein. In der Zeit haben wir ein fast leer stehendes Haus in der Heidelberger Straße erworben. Das haben wir kernsaniert und wollten die Wohnungen für knapp sieben Euro pro Quadratmeter vermieten. Am Wochenende haben wir einen Sektempfang mit Grillparty im Innenhof ausgerichtet, damit überhaupt jemand vorbeikommt. Mögliche Mieter waren eingeladen, sich das Haus anzuschauen und eine Bratwurst zu essen. Wir haben bei 30 leeren, sanierten Wohnungen an einem Samstag fünf Verträge abgeschlossen und uns allein darüber mächtig gefreut. Es war im Gegensatz zu heute äußerst schwierig, Mieter zu finden.
Was hat die Politik damals falsch gemacht?
Vor etwa zehn, fünfzehn Jahren hat die Politik wie wir alle den Trend nicht kommen sehen, sondern sogar darüber diskutiert, Häuser abzureißen. Damals war Berlin voller Leerstand. Es wurden unglaublich viele Wohnungen privatisiert. Berlin hat damals sein Tafelsilber verkauft. Das war eine politische Fehlentscheidung, dafür können die Investoren nichts. Wenn die Investoren ein günstiges Angebot kriegen, kaufen sie. Auch ich hätte nicht gedacht, dass Berlin sich so schnell so gut entwickelt. Die Nullzinspolitik hat ebenfalls dafür gesorgt, dass immer mehr Geld geflossen ist.
Schätzt die Politik den Trend heute besser ein?
Wir haben eine hohe Nachfrage nach günstigem Wohnraum, aber da entsteht zu wenig Neues. Vonseiten der Politik kommen teilweise falsche Signale. Immer mehr Regularien führen zu nichts. Es hilft nur massiver Neubau – auch in privater Hand und gerne gemeinsam mit der Politik. Dieser Wohnraum sollte preiswert sein.
Zurzeit greift die Politik vermehrt mit Maßnahmen wie Vorkaufsrecht oder der Ernennung von Milieuschutzgebieten ein ...
Es ist eine gewisse Klientelpolitik, Milieuschutzgebiete auszurufen. So schützt man vielleicht einen klitzekleinen Teil – und zwar den Mieter, der dort im Haus wohnt. Das ist okay, löst aber nicht das Problem.
Und ein härterer Umwandlungsstopp von Miet- in Eigentumswohnungen?
Die beste Lösung gegen steigende Mieten ist, dass jemand seine eigene Wohnung kauft. Dabei sollte man dem Mieter behilflich sein und seine Entscheidung fördern. Wenn ein Mieter eine Wohnung kauft, hat er nie wieder Stress mit steigenden Mieten.
Die Langzeitrecherche „Wem gehört Berlin“ ist eine Kooperation des Tagesspiegels mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Auf unserer Plattform wem-gehoert-berlin.de können Sie uns mitteilen, wer Eigentümer Ihrer Wohnung ist, und welche Erfahrungen Sie mit Ihrem Vermieter gesammelt haben. Mithilfe der Daten suchen wir nach unverantwortlichen Geschäftspraktiken und machen den Immobilienmarkt transparenter. Eingesandte Geschichten werden nur mit Ihrer Einwilligung veröffentlicht
Was empfehlen Sie einem einfachen Handwerker, der sich keinen Wohnungskauf leisten kann?
Derzeit ist es so, dass Handwerker in Berlin vollbeschäftigt sind. Das ist positiv. Wenn man sieht, wie die Handwerkspreise gestiegen sind, dann können sich immer mehr Handwerker eine Eigentumswohnung leisten. Aus meiner Firma haben auch einige Angestellte Eigentumswohnungen gekauft.
Warum tun es in Berlin trotzdem so wenige? Nur jeder Siebte leistet sich hier eine eigene Wohnung.
Das ist ein Denken der Berliner. Früher konnte man im Scheunenviertel für fünf Euro mieten. Heute sagt man, die Mieten haben sich vervierfacht, ich kann mir hier keine Wohnung leisten. Aber das ist nun mal fast Regierungsviertel in der Mitte der Stadt. Da muss man ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen und in ein anderes Quartier ziehen. Es gibt viele Lagen, in denen man sich für 3000 Euro pro Quadratmeter eine Wohnung in Berlin kaufen kann.
Wo zum Beispiel?
Das können Teile vom Wedding, von Tempelhof, Treptow, Schöneberg oder Reinickendorf sein. Ich komme aus Reinickendorf, es ist schön dort. Wenn man ein Angebot findet und einen guten Kredit abschließt, ist es derzeit günstiger, als zu mieten.
Doch löst man so das Wohnungsproblem?
Natürlich nicht. Man muss einfach mehr Wohnungen in der Stadt bauen. Nur so wird sich der Markt entspannen. Im Moment gibt es zu wenig freie Grundstücke am Markt. Die Grundstücke sollten unbedingt auch von den Kommunen kommen. Wenn wir eine größere Deal-Pipeline hätten, könnte man mit deutlich geringeren Margen arbeiten und auch mehr bezahlbare Wohnungen schaffen.
Sie plädieren also für sozialen Wohnungsbau?
Klar. Zum Beispiel bei Teilen des Tempelhofer Feldes. Es mit Luxushäusern zu bebauen, wäre nicht klug. Dabei würde ja keiner mitmachen. Aber wenn ich dort an der Autobahn entlangfahre, ist das erschreckend: Da ist ja nichts. Da steigt mal ein Drachen hoch. Hier könnte man locker ein paar Hundert Wohnungen bauen.
Jetzt wird Berlin ja auch für internationale Investoren immer attraktiver ...
Nein, sehe ich nicht so. Das Preiswachstum der Vergangenheit werden wir vorerst nicht mehr sehen.
Trotzdem hat die Immobiliengesellschaft Blackstone vor Kurzem 2500 Wohnungen in Berlin gekauft. Wie verändert das den Markt?
Ob jetzt Blackstone, Jakob Mähren oder Bäcker Schulze das Haus gehört, kann dem Mieter im Grunde egal sein. Es gibt kaum ein Land auf dieser Erde, was so weitreichende Mieterrechte hat wie Deutschland. Da kann auch ein Hedgefonds zuschlagen: Die Gesetze gelten, der Mieter ist geschützt – und das ist auch gut so.
Sie kaufen auch Häuser, in denen noch Mieter wohnen ...
Meistens wohnen Mieter darin. Aber Kauf bricht nicht Miete. Trotzdem gehen bei den Mietern immer häufiger die Alarmglocken an: Oh Gott, das Haus wird verkauft, jetzt kommen Luxussanierungen – was gar nicht geht. Es ist auch gar nicht möglich, hier das Gesetz zu brechen. Das tut kein Investor. Da sehe ich eine falsche Panikmache.
Wie gehen Sie dann mit den Mietern um?
Unsere Strategie ist klar: Wir sind Bestandshalter. Wir kaufen Immobilien in bezahlbaren Wohngebieten – auch in Leipzig oder Dresden. Man kann sagen: Der Mieter ist unser Kunde. Wenn Häuser Leerstand haben, sanieren wir die Wohnungen und vermieten sie zur ortsüblichen Miete nach dem Mietspiegel. Dabei sorgen wir dafür, dass sie in einem guten Zustand sind.
Ist die Angst der Mieter also Ihrer Meinung nach unberechtigt?
Nein. Vor zehn Jahren konnte der Mieter noch Miettourismus in Berlin betreiben. Da konnte man sagen, man kündigt im Scheunenviertel, nächste Woche würde ich gerne im Graefekiez wohnen und von dort ziehe ich nach Charlottenburg. Heute gibt es zu wenig Angebote. Und wenn man sich verkleinern oder vergrößern will und man in seinem Kiez keine Wohnung mehr findet, führt das zu Sorgen.
Wie wohnen Sie denn?
Ich wohne zur Miete in Charlottenburg, und ich bin da happy. Ich habe woanders eine Wohnung gekauft, die ich zu gegebener Zeit ausbauen möchte.
Wie stellen Sie sich die Zukunft Berlins vor?
Es gibt sehr viele gute Seiten und die Stadt wird weiter attraktiv sein. Diese Welle sollte man im positiven Sinne reiten und nicht nur sagen: Der Zuzug ist schlimm, „Schwaben raus“. Die Berliner können froh sein, dass es so ist.
Das Gespräch führte Laurenz Schreiner
Die Langzeitrecherche „Wem gehört Berlin“ ist eine Kooperation des Tagesspiegels mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Auf unserer Plattform wem-gehoert-berlin.de können Sie uns mitteilen, wer Eigentümer Ihrer Wohnung ist, und welche Erfahrungen Sie mit Ihrem Vermieter gesammelt haben. Mithilfe der Daten suchen wir nach unverantwortlichen Geschäftspraktiken und machen den Immobilienmarkt transparenter. Eingesandte Geschichten werden nur mit Ihrer Einwilligung veröffentlicht.
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