Geplatzte Koalitionsverhandlungen: Erste CDU-Politiker fordern Rücktritt von Schierack
In der CDU wächst die Wut über Parteichef Michael Schierack und das Scheitern des SPD-CDU-Bündnisses in Brandenburg. Zudem war seine Ministerriege nicht abgestimmt.
In Brandenburgs CDU wächst nach dem Scheitern einer möglichen großen Koalition die Wut über Landes- und Fraktionschef Michael Schierack. Er muss um sein politisches Überleben kämpfen. Nach Tagesspiegel-Recherchen halten inzwischen Kreischefs, Landtagsabgeordnete und Mitglieder des Parteivorstandes seinen Rückzug für unvermeidlich, da Schierack das Scheitern der aussichtsreichen SPD-CDU-Bündnisses und damit eine Mitverantwortung für eine Neuauflage von Rot-Rot angelastet wird. Auch in der Wählerklientel der Union und der CDU-nahen Wirtschaft im Lande ist die Empörung groß.
„Die CDU muss klären, wer die politische Verantwortung für das selbstverschuldete Scheitern der Sondierungen mit der SPD trägt“, sagte Wolfgang Krüger, früher CDU-Wirtschaftsstaatssekretär in Brandenburg und heute Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus, dem Tagesspiegel. Die Hintergründe müssten „schonungslos aufgearbeitet werden“, betonte er. In der Wirtschaft habe es große Hoffnungen auf einen Regierungswechsel in Brandenburg gegeben. Es gebe kein Verständnis, dass diese Chance verspielt wurde.
Aufklärung, „was da passiert ist“, verlangt auch Rathenows CDU-Bürgermeister Ronald Seeger. Im Potsdamer Kreisverband kursiert bereits eine E-Mail, in der der Rücktritt Schieracks gefordert wird. „Wozu haben wir euch gewählt? Es ist traurig und erbärmlich, wie unser Vertrauen missbraucht wird“, macht etwa ein Wähler auf der Facebook-Seite des Landesverbandes seinem Unmut Luft.
Parteiführung war nicht eingeweiht
SPD-Regierungschef Dietmar Woidke hatte die Entscheidung für Rot-Rot II mit der Weigerung Schieracks begründet, ins Kabinett zu gehen. Am Donnerstag hieß es aus der CDU-Parteispitze, dass Schierack tatsächlich keine Zusage für einen Platz im Kabinett geben wollte, für den er seine Arztpraxis hätte aufgeben müssen. In einem Brief an die CDU-Mitglieder bestätigt Schierack das indirekt. Er habe deutlich gemacht, dass er zur Verfügung stehe, aber erst Aufgaben, Zuschnitte und Kompetenzen der Ministerien in den Koalitionsverhandlungen zu klären seien.
Im Widerspruch dazu stehen die Namen der vier CDU-Politiker, die Minister in einem rot-schwarzen Kabinett werden sollten, die Schierack vor der Schlusssondierung Woidke nannte. Es sollten die Vize-Parteichefs Ingo Senftleben und Barbara Richstein sowie Vize-Fraktionschef Dieter Dombrowski und Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann sein, Schieracks Name war nicht dabei.
Diese Liste sorgt in der Union zusätzlich für Empörung, weil die Parteiführung nicht eingeweiht war und sie teilweise innerparteilich nicht einmal durchsetzbar gewesen wäre, wie es heißt. Tiemann etwa, obwohl erfolgreiche Oberbürgermeisterin, hat in der CDU-Spitze kaum Unterstützer. Nächste Woche trifft sich die CDU-Landtagsfraktion zur Klausur. „Das Problem ist, dass wir Schierack jetzt nicht fallenlassen können“, sagt ein Vorständler. „Auch der anderen Seite können wir nicht Oppositionsarbeit machen, wenn die Konkurrenz nur höhnt: ’Ihr wollt doch gar keine Regierungsverantwortung.’“
Thorsten Metzner