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Und bitte. Auf der Karaoke-Bühne ist alles erlaubt – außer zu langweilen.
© picture alliance / dpa

Karaoke im Mauerpark: Erst sammeln, dann singen

Besucher aus der ganzen Welt genießen die Karaokeshows im Mauerpark, und zwar gratis. Der Bezirk fordert nun höhere Gebühren – die sich Veranstalter Joe Hatchiban von Fans finanzieren lässt.

Der dritte schöne Sonntag in Folge, und der Mauerpark empfing seine Gäste. Dampfende Grills auf den Wiesen, nebenan auf dem Flohmarkt dichtes Gedränge. Nur eins fehlte, mal wieder, wie bisher immer in diesem Jahr: der wilde Klang, der sonst ab etwa drei Uhr über das Gelände streicht. Der Sound von Karaoke.

„Um diese Zeit hätten wir normalerweise schon die ersten Shows gehabt“, sagt Gareth Lennon. Seit 2009 veranstaltet der Ire das Gesangs-Event im Amphitheater des Parks – längst ein Kulttermin. Doch in diesem Jahr gab es Probleme. Es ging, wie so oft im Leben, um Geld. Rund 3500 Euro soll Lennon, Bühnen-Pseudonym: Joe Hatchiban, dieses Jahr für die Saisonnutzung des Amphitheaters zahlen, als Gebühr an den Bezirk Pankow. Im Gegenzug dürfte er bis Ende Oktober das Gelände an allen Sonntagen nutzen. 3500 Euro: „Eine ziemlich dramatische Steigerung“, findet Lennon. 2011 hatte ihn die Sondergenehmigung lediglich ein Zehntel gekostet, rund 350 Euro.

Zusammen mit den GEMA-Gebühren, dem Honorar für die Aushilfskraft und einer kleinen Gebühr für eine Lärmgenehmigung vom Umweltamt wurde es ihm allmählich zu viel. „Wenn zu viel finanzieller Druck da ist, kann man den Dingen nicht einfach ihren Lauf lassen“, sagt er. „To let things happen“, wie er sagt, das ist ja das inoffizielle Motto dieser Veranstaltung, das Menschen aus aller Welt in den Mauerpark lockt. „Bearpit Karaoke“, das ist wohl die Nummer eins unter den inoffiziellen Attraktionen der Stadt, rund 5000 Leute tummeln sich mitunter auf den Steinstufen und Hängen. Schräge Töne, Tanz-Performances, Heiratsanträge: Niemand weiß vorher, was passieren wird. Erst kürzlich sagte Schauspieler Tom Schilling im Tagesspiegel-Gespräch auf die Frage, was er Besuchern aus New York auf jeden Fall zeigen würde: „Die Karaoke-Show im Mauerpark“.

Doch sind die höheren Abgaben angesichts dieses Erfolgs tatsächlich ein Problem? Jens-Holger Kirchner (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung in Pankow, versteht die Aufregung nicht. „Wir sollten doch die Karaoke-Show im Dorf lassen“, sagt er. „Herr Lennon soll bitte nicht so tun, als würde ihm das Gelände gehören. Wir sind ihm schon sehr weit entgegen gekommen.“ Die Kosten für die Genehmigung hätten sich im Vergleich zum Vorjahr gar nicht erhöht, sagt Kirchner, denn die Nutzung könne schließlich 2013 an mehr Tagen als noch 2012 erfolgen. „Wenn man es hochrechnet, sind es rund 130 Euro pro Veranstaltung. Das kriegt er doch locker wieder rein.“

Doch Lennon sagt, er sei auch um die Seele der Veranstaltung besorgt. Er hat nie Eintritt genommen, steigt allerdings ab und zu mit einer Blechbüchse ins Publikum und nimmt freiwillige Spenden entgegen. Einen Sponsor könnte er locker gewinnen, bei dem Andrang. Aber er würde es gerne vermeiden.

Stattdessen ließ er nun die virtuelle Büchse herumgehen. Über Facebook startete er am Sonntagmittag einen Hilferuf, 25 000 Fans hat er alleine auf dem Portal. Das Ergebnis: überwältigend. Aus der ganzen Welt kamen Online-Spenden. Die ersten Beträge trafen binnen weniger Minuten ein, bis Montagnachmittag hatten sich laut Lennon mehr als 200 Menschen beteiligt. Rund 2500 Euro seien schon zusammengekommen. „Das ist wunderbar, ich hätte nie mit so viel Resonanz gerechnet“, sagt Lennon – und ist nun zuversichtlich, dass es am Sonntag wieder eine Show geben wird.

Wenn nichts mehr schiefgeht, wird also der Mann mit dem skurrilen Fahrrad gegen 15 Uhr wieder seinen bunten Sonnenschirm aufspannen, die beiden Boxen in Position bringen und die ersten Songzettel entgegennehmen. Und was dann kommt, tja, das kann wirklich niemand vorhersehen.

Johannes Ehrmann

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