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Update

Schönefeld: Eröffnung verschoben: Wowereit und Platzeck "stinksauer"

Die Mängel am Brandschutz sind nicht rechtzeitig zu beheben: Die Eröffnung des neuen Großflughafens ist geplatzt. Der nächste Startversuch kommt nach den Sommerferien – frühestens.

Der neue Großflughafen Berlin-Brandenburg (BER) wird nicht zum vorgesehenen Termin Anfang Juni in Betrieb gehen. Bereits am vergangenen Donnerstag musste nach Tagesspiegel-Informationen nach mehreren großen Pannen der Probebetriebstag am neuen Flughafen in Schönefeld komplett abgesagt werden – am Dienstag dann teilte die Flughafengesellschaft offiziell mit, dass der Eröffnungstermin nicht zu halten sei. Offizielle Begründung: Für das Testen der eingebauten Entrauchungsanlage reiche die Zeit nicht mehr aus. Da Sicherheit vorgehe, sei der Termin 3. Juni 2012 nicht mehr zu schaffen, sagte Flughafenchef Rainer Schwarz.

Nun soll der Flughafen Berlin Brandenburg wahrscheinlich in der zweiten Augustwoche an den Start gehen. Damit ist der Eröffnungstermin bereits zum zweiten Mal verschoben worden. Zunächst war vorgesehen, bereits Ende Oktober 2011 den Betrieb aufzunehmen. Bis zum Wochenende habe man gehofft, den Termin halten zu können, sagte Schwarz. Der bereits begonnene Umzug von Tegel und der alten Anlage in Schönefeld sei bereits gestoppt worden. Logistisch ist dies für den Flughafen fast eine Katastrophe. Der Umzug in einer Nacht war seit mehr als zwei Jahren minutiös geplant worden. Durch das Verschieben entstehen nach Tagesspiegel-Informationen Mehrkosten von etwa 15 Millionen Euro monatlich.

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Schwarz ist zuversichtlich, den für den neuen Flughafen vorgesehenen Mehrverkehr auch in Tegel und Schönefeld abwickeln zu können. Kein Flug müsse ausfallen, kündigte Schwarz an. Bei den Fluggesellschaften gibt es allerdings erhebliche Zweifel, ob alle Verbindungen wie geplant angeboten werden können. Die Deutsche Flugsicherung rechnet zudem mit weltweiten Auswirkungen auf den Flugverkehr. Die Lufthansa kündigte an, ihre Flüge weiter über Tegel abzuwickeln. Die Lufthansa halte an dem Ziel fest, mehr Flüge von und nach Berlin anzubieten, sagte ein Sprecher in Frankfurt am Main. Bei Air Berlin ist man enttäuscht. Die Fluglinie, die am neuen Flughafen ein Drehkreuz etablieren wollte, müsse nun komplett umplanen, was für alle Beteiligten „gewaltige logistische Probleme“ und „erhebliche noch nicht kalkulierbare Mehrkosten“ bedeute, sagte Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn. Kosten kommen auch auf die Inhaber von rund 150 Läden und Lokalen am neuen Flughafen hinzu, die Arbeitsverträge für neue Mitarbeiter abgeschlossen haben.

Sehen Sie hier einige Impressionen des Berliner Scheiterns:

Insider nehmen der Flughafengeschäftsführung nicht ab, dass die Probleme beim Brandschutz die einzige Ursache für das Verschieben des Termins sind. Auch baulich habe es erhebliche Verzögerungen gegeben, heißt es. Der für den Bau zuständige Geschäftsführer Manfred Körtgen weist dies zurück. Die „Betonarbeiten“ seien abgeschlossen, was fehle, sei der Feinschliff beim Zusammenführen hochkomplexer Einzelkomponenten. Insider hatten allerdings schon seit Wochen erhebliche Zweifel am immer wieder als feststehend bezeichneten Eröffnungstermin. Beim abgesagten Probelauf am Donnerstag soll unter anderem das Gepäck falsch angekommen sein; auch die Schaltungen zum Öffnen und Schließen der Türen hätten nicht funktioniert.

Sehen Sie hier in einer Bildergalerie, wie der Flughafen einmal aussehen soll:

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft ist, will nun klären lassen, warum die Probleme nicht früher erkannt worden sind. Vorher werde es keine Konsequenzen geben. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, forderte dagegen, die Flughafengeschäftsführung abzulösen. Es sei ein großer Ansehensschaden für den Wirtschaftsstandort und ein Schaden für die Unternehmen entstanden, die sich auf die Eröffnung eingerichtet hätten. Auch Wowereit gab zu, dass die Region nun weltweit einen Imageschaden erleiden werde. Dies sei kein guter Tag, sagte er beim Verkünden des verschobenen Termins. Aus Brandenburger Regierungskreisen hieß es, Platzeck und Wowereit seien "stinksauer" gewesen, als sie von der Verzögerung erfuhren. Wowereit betonte aber auch, der künftige Flughafen bleibe ein Erfolgsmodell für die Region. Dies werde sich nach der Eröffnung zeigen, ist Wowereit überzeugt, der auch Vorteile durch das Verschieben sieht. Jetzt bleibe Zeit, um auch den Schallschutz für die Anwohner voranzutreiben.

Brandenburgs Ministerpräsident Mathias Platzeck (SPD) dagegen war - auch offiziell - „stocksauer“, wie er sagte. Wenn der Flughafen wirklich eröffne, werde es mit Sicherheit kein so großes Fest mehr geben, wie es jetzt für den 24. Mai geplant war.

Kritik kam auch aus der Bundespolitik. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nannte die Verschiebung „höchst bedauerlich“. Berlin könne sich „keinen Pannenflughafen leisten“. Patrick Döring, Generalsekretär der FDP und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zeigte sich erschrocken. „Die Verschiebung ist sehr besorgniserregend, denn es geht hier nicht um den Bau einer Würstchenbude, sondern um eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte in Deutschland“, sagte Döring. Da gelte es jetzt, „Verantwortungen zu klären“. "Es ist schon erstaunlich, dass scheinbar sämtliche Frühwarnsysteme des Projektmanagements versagt haben und der Termin nur wenige Tage vor der geplanten Eröffnung erneut verschoben werden muss." Er sei gespannt, was Staatssekretär Bomba am Mittwoch im Verkehrsausschuss dazu sagen werde.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte, „der Bund trägt eine Mitverantwortung“, denn auch der sei durch Staatssekretär Rainer Bomba (CDU) im Aufsichtsrat vertreten. Zudem sprach Hofreiter von einer großen Peinlichkeit. „Die erneute Verschiebung der Eröffnung ist beinahe konsequent und passt ins Bild dieses Pleiten-, Pech- und Pannenflughafens." Entsprechend werde das auch kurzfristig Thema im Verkehrsausschuss sein „und ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums wird da Stellung beziehen müssen. Denn jetzt ist Aufklärung gefragt."

Der für Verkehr zuständige CDU-Fraktionsvize Arnold Vaatz sieht den Ruf des gesamten Wirtschaftsstandorts Deutschland in Gefahr. „Der Vorgang untergräbt das Vertrauen in das Flughafenmanagement und ist ein verheerendes Signal für den Standort Deutschland. Es ist inakzeptabel, dass diese Entscheidung über Nacht getroffen wurde und dass die Verantwortlichen über die Zweifel, welche ja seit längerem da sein müssen, nicht vorher informiert wurden.“ Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol, hofft auf eine Eröffnung des neuen Berliner Flughafens im August. "Wichtig ist, dass sowohl der Bund als auch die beiden Länder jetzt weiter mit Hochdruck daran arbeiten, dass die Probleme gelöst werden und der Flughafen bald eröffnet wird. Einen exakten Termin jetzt zu nennen, wäre wünschenswert, ist aber nicht seriös machbar. Wir hoffen auf die zweite Augusthälfte", sagte er dem Tagesspiegel.

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