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Wer wird der Nachfolger von Dieter Glietsch (rechts)? Innensenator Ehrhart Körting (links) äußert sich nicht zu den Kandidaten.
© dpa

Neuer Polizeipräsident: Ernennung gerät zur Posse

Ursprünglich sollte der Nachfolger für Dieter Glietsch am Dienstag benannt werden, doch die Ernennung des neuen Polizeipräsidenten zum 31. Mai ist kaum noch zu halten. Der Favorit gilt als umstritten und andere Bewerber wollen klagen.

Die Ernennung des künftigen Polizeipräsidenten gerät zum Desaster. Erst war Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in die Kritik geraten, weil er noch vor der Abgeordnetenhauswahl im September einen Nachfolger für den 64-jährigen Dieter Glietsch ins Amt bringen will. Nun stellt sich heraus, dass es offenbar keinen nahtlosen Übergang vom alten zum neuen Präsidenten geben wird. Zudem gilt der als Favorit gehandelte SPD-Mann und Bundesgrenzschützer Udo Hansen als umstritten, während andere Bewerber bereits Klage angedroht haben.

Ursprünglich sollte der Nachfolger am gestrigen Dienstag benannt und der Posten zum 1. Juni 2011 besetzt werden. Dies wird kaum klappen. Beamtenrechtlich müssen zwischen der Wahl eines Kandidaten und der Ernennung zwei Wochen verstreichen, damit unterlegene Interessenten klagen können. Allerdings hat Bewerber Hans-Rainer Strahlendorf eigener Auskunft zufolge bis diesen Dienstag, also weniger als zwei Wochen vor dem 31. Mai, keine schriftliche Ablehnung erhalten. „Ich bin am 28. Dezember 2010 schriftlich informiert worden, dass meine Bewerbung frist- und formgerecht eingegangen ist. Seither habe ich nichts mehr gehört. Am Dienstag erfuhr ich aus dem Radio, Hansen habe wohl das Rennen gemacht“, sagte der 58-jährige Strahlendorf dem Tagesspiegel. Strahlendorf lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Lichtenberg über Polizeiarbeit und sagt, das „intransparente Verfahren“ selbst habe schon jetzt das Amt des Polizeipräsidenten beschädigt.

Eine Sprecherin des Innensenators verwahrte sich gegen die Vorwürfe fehlender Transparenz und sagte, die Personalie sei noch nicht entschieden. Eine Absage der Innenverwaltung hatte auch Bewerber Klaus Keese eigenen Angaben zufolge erst am Dienstag zu Gesicht bekommen. Der 60-Jährige ist für die Direktion 1 im Berliner Norden zuständig und hat wie Strahlendorf mit Klage gedroht. Keese, der mehreren Beamten zufolge „von der Pike auf Polizeiarbeit in Berlin gemacht hat“, hat sich für ein etwaiges Gerichtsverfahren um Rechtsschutz durch die Gewerkschaft der Polizei gekümmert. Bisher haben sich Juristen nur dahingehend geäußert, dass sie nicht von einer einwandfreien Bewerbungsprozedur ausgingen und Klagen, das Verfahren neu zu eröffnen, wohl Chancen auf Erfolg hätten.

„Ich hätte mir ebenso wie Senator Körting gewünscht, dass der Nachfolger nahtlos die Führung der Behörde übernehmen kann“, sagte der scheidende Polizeipräsident Dieter Glietsch und machte deutlich, dass er offenbar nicht mehr mit einer zeitgerechten Neubesetzung rechnet. „Aber eine Vakanz ist ja nicht dramatisch. Die Behörde ist schließlich dafür gerüstet. Sie hat ja eine Vizepräsidentin.“

In Wachen und Dezernaten wird nur hinter vorgehaltener Hand über Bewerber Hansen gesprochen, einige beschrieben ihn als „Hardliner“ und „Karrieristen“. Auch in der Politik gibt es Bedenken, sollte der Kandidat den Posten tatsächlich bekommen. „Wir haben das Verfahren schon lange kritisiert, und wir sehen uns in dieser Einschätzung durch die aktuellen Entwicklungen bestätigt“, sagte der CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel. „Nach allem, was man hinter den Kulissen erfährt, kann man nicht gerade von einem transparenten Verfahren sprechen. Ich habe die Sorge, dass die Kandidaten insgesamt beschädigt werden.“ Die CDU plädiere für einen erfahrenen Berliner Kandidaten. „Wenn der Senat jetzt auf einen Ex-Polizisten von außen zurückgreift, der mehrere Jahre keinen Praxisbezug hatte, wirft das Fragen auf.“

Hansen wurde 1999 Chef des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost. Dort schied er 2008 krankheitsbedingt aus: Während in Berlin von Burn-out die Rede ist, sprechen Bundespolizisten von Atemproblemen als Grund. Ab 2008 war Hansen als Sicherheitsberater tätig, etwa für den Rüstungskonzern EADS in Saudi-Arabien. Was er dort getan hat, wollte ein EADS-Sprecher am Dienstag nicht sagen. Behördenintern wird diskutiert, ob ein einst dienstunfähiger Beamter der beste Bewerber für das Amt sein könne.

Die Linke, Koalitionspartner der SPD im Senat, hat ein anderes Problem mit Hansen: Bei einer Abschiebung erstickte der Sudanese Aamir Ageeb 1999 in Frankfurt (Main) im Flugzeug, weil sich Bundesgrenzschützer auf ihn drückten. Vorgesetzter war damals Hansen. In Polizei- und Justizkreisen hieß es am Dienstag, es sei sehr schwer, Hansen nun „noch durchzukriegen“.

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