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Sommer-Wehmut beim Sonnenuntergang im Naturschutzgebiet der Reicherskreuzer Heide nahe Pinnow.
© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Rückschau an den Sommer: Erinnerungen an den Rekord-Sommer in Berlin

Tretbootfahren in Potsdam, Bierknappheit und Sonne satt: Tagesspiegel-Autoren erzählen, wie sie den Sommer erlebt haben.

INSELBEGABUNG

Wer Hiddensee liebt, der sichert sich seinen Sonnenplatz schon Monate vorher, am besten zu Weihnachten. Es ist ein Lottospiel: Himmelblau im September oder Regen? Ach, wenn Engel verreisen... Das nie endende Hoch lag schwer wie Blei oder leicht wie eine Möwenfeder über dem „söten Länneken“. In Neuendorf ist vieles anders als in den Touristenhochburgen Kloster und Vitte. Stille. Jede kreischende Möwe stört die Andacht.

Vor den im Frühling frisch geweißten Fischer- und Bauernhäusern hängen Kopfkissen und Bettlaken auf der Leine, grünes Gras trotzte der Hitze, kaum ein Tourist verirrt sich hierher, warum auch und Gottseidank. Die Ostsee plätschert sanft an den Strand, die Strandkörbe sehen zu, und die Gäste springen, wie sie der liebe Gott geschaffen hat, ins 22-Grad-Wasser. Zum Sonnenuntergang trifft man sich in der Stranddistel beim Fisch im Freien. Paradies der Lässigkeit. Pferde auf der Koppel. Glockenruf zum Gottesdienst. Mehr nicht. Reicht auch. Den Rest gibt’s in Berlin, danach. Lothar Heinke

ZEITENWENDE

Es hat in diesem Sommer genau zweimal geregnet. Das eine Mal war ich in der Waldbühne, das andere Mal im Olympiastadion. Muss man erstmal so hinkriegen. Gut, das ist jetzt ein bisschen übertrieben, aber das war der Sommer schließlich auch. Deswegen wird hier bitte nicht gemeckert, das gilt für Sie und uns gleichermaßen, bitteschön, dankeschön. Fakt ist: Wir sind für alle Zeit versaut. Wettervorhersage: Sonne. Immer.

Seit vier Monaten keine Socken, keine Ärmel, keine schlechte Laune. Ich weiß, die Bauern stöhnen, der Wald ist verbrannt, doch sind wir mal ehrlich: ein dauerhaft mediterraneres Klima täte uns doch allen ganz gut. Wenn schon die Winterzeit abgeschafft wird, können wir gleich die Siesta einführen und zwei Monate hitzefrei im Juli und August – klappt im Süden schließlich prima. Und die Sache mit dem Meckern kriegen wir auch noch in den Griff. Anke Myrrhe

IM CABRIO ÜBER DEN SEE

Eine Fahrt im Tretbötchen über den idyllischen Tiefen See in Potsdam, im Juli am Christopher Street Day. Bei der Fahrt in der vollgequetschten U-Bahn am heißen Morgen war der Schweiß von allen Seiten auf uns herabgetropft, selbst die Polizei hatte vor der Hitze gewarnt.  Am Nachmittag sind wir nach Potsdam entflohen, von der S-Bahn direkt ins Tretbötchen. Wir strampelten, das Fahrtwindchen kühlte uns ab, und dann gingen wir baden. Stiegen einfach über die Leiter ins Wasser, strampelten weiter, und konnten unser Glück nicht fassen. Zurück ans Steuer, einmal Schloss Babelsberg und zurück, die Gewitterwolken wurden dichter und dunkler, wir mussten schneller treten. Beim Einparken – kein leichtes Manöver – fielen die ersten Tropfen. Als wir schon fast vergessen hatten, dass es so was wie Regen noch gibt. Susanne Kippenberger

LUFTIGER STOFF

Sehnsuchtskäufe sind eine Untergruppe von Fehlkäufen. Normalerweise. Man tätigt sie heißen Ländern,  an schönen Stränden, in den Boutiquen südländischer Städte. Meist sind es Kleider, die wirklich nur ohne Jacke gut aussehen, weil sie in einer besonderen Art geschnitten sind oder weil sie einen Wow-Effekt haben, den man nicht runterdimmen sollte. Einige Urlaubs-Momente lang kann und mag man sich nicht vorstellen, dass es kühlere Zeiten geben wird und die Gelegenheiten, das Teil anzuziehen, gegen Null tendieren werden, wenngleich nicht notgedrungen null Grad.

Dieser Sommer war anders. Er war lang genug, dass man sich langsam an diese Schätze erinnern konnte, die da noch in den Tiefen des Kleiderschranksauf ihr Debüt warteten. Endlich konnte man tagelang in solchen Kleidern herumlaufen. Anfangs packte man vielleicht zur Vorsicht noch eine Pashmina in die Handtasche, aber dann lebte man, unbefangen und frei unter der unermüdlichen germanischen Sonne wie einst in Florida oder auf Nouméa. Ein luftiger Stoff, der die heiße Haut umweht wie aus den Ferien geborgte Lebensfreude, wird so zur Liebe eines Sommers. Elisabeth Binder

SCHNUPPER-KLIMAWANDEL

Ich liebe Hitze, ich liebe schwitzen, ich liebe den Sommer. In diesem Jahr hat er mir aus anderen Gründen die Schweißperlen auf die Stirn getrieben: Das war mal Klimawandel zum Schnuppern. Wenn das so weiter geht, an die 40 Grad unterm Dach, muss ich in ein paar Jahren aus meiner Bude flüchten, und das will ich nicht. Erstens, weil sich die Mieten in Berlin in nur zehn Jahren verdoppelt haben, und zweitens: Ich liebe meine Wohnung. Also muss das mit der Erderwärmung jetzt endlich mal aufhören. Solange das noch nicht der Fall ist, baue ich mir überall meine eigenen kleinen Kühlzellen, und heize die Welt kräftig selbst mit auf.  

Der angenehmste Platz in diesem Sommer war das Auto. Der Lufttemperaturanzeigenrekord: 42 Grad südlich von Berlin. Die Klimaanlage voll aufgedreht, und endlich waren die dicken Beinen, die dicke Füßen windgekühlt. Zuhause habe ich die Terrassensteine gewässert, ich hätte sonst nicht barfuß laufen können - wie kochend heißer Sandstrand. Ich habe außerdem Kühlgeräte mit Luftverdunstung aus dem Baumarkt ausprobiert – und wieder zurückgebracht, taugen nichts. Die Kastanie im Hof habe ich von oben per Wasserschlauch geduscht. Die Babybadewanne meiner netten Nachbarin war Kneippbottich.

Und ein Lob den Blumensprühern! Komplett selbst damit einnebeln, herrliche Erfrischung. Wenn alles nichts half, bin ich von meinen heißen Steinen zuhause raus nach Brandenburg. Noch nie so lange im See gewesen, die Füßen baumelnd tief unten in kältesten Wasserschichten. Und auf dem mobilen Badelaken immer schön mit dem Schatten mitgewandert. Nie werde ich vergessen, wie sich die Gewitterwolke genau über dem See ergoss, und alle sich nicht unterstellten, sondern fröhlich den Regen genossen. Annette Kögel

SCHÖNE PROBLEME

Endlich Herbst und Nieselregen, war ja nicht auszuhalten. Denn …

1.) … sechs Monate lang rückte die geliebte Verwandtschaft aus der hitzigen Innenstadt auf die Pelle und lümmelte im Gartenstuhl unterm schattigen Apfelbaum.

2.) … ständig war das eiskalte Bier im Haus alle. („Oder will vielleicht jemand Rotwein?“)

3.) … monatelang blockierte der im Winter eingefrorene Steckrübeneintopf den Tiefkühler. („Wo soll stattdessen das Eis hin?!“)

4.) … immer nur Baden und Bowle war ja nicht auszuhalten – endlich wieder Bowling im muffigen Raucherkeller!

5.) … ständig sind die Gartengummischuhe in der Sonne geschmolzen.

6.) … sechs Monate kreischten die Kids unterm Rasensprenger – jetzt kreischt die Kettensäge. („Br-r-r-r-r-ennholz!“)

7.) Rasensprenger II: Wo geht der eigentlich aus?

8.) Rasensprenger, III: Schöne Grüße an die Wasserbetriebs-Belegschaft – das Weihnachtsgeld ist sicher. André Görke

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