Neuer Westpark am Gleisdreieck: Erholung auf der Baustelle
Der Westpark am Gleisdreieck eröffnet erst Ende Mai. Doch die Anwohner erobern sich das Gelände schon jetzt. Und der Senat beugt sich der "Macht des Faktischen". Ein Vorab-Rundgang.
Blickrichtung Nord, die Skyline des Potsdamer Platzes fest im Visier. Der Flüsterasphalt summt, die Absperrbänder knattern im Wind. Carlo Skötsch ist mit den Trainingsbedingungen sehr zufrieden. Normalerweise joggt der 64-jährige Chemiker und Marathonläufer. Wegen einer entzündeten Achillessehne ist er heute auf Rollerski, sogenannte Skike, umgestiegen. Die neuen Gehwege auf dem Westpark am Gleisdreieck sind dafür ideal – nur dass es noch gar nicht freigegeben ist.
Nebenan werkeln die Bauarbeiter an der Treppe zur Holzterasse und dem neuen Spielplatz. Am 31. Mai soll der neun Hektar große Westpark zwischen Flottwellstraße und ICE-Gleisen eröffnet werden, doch die Anwohner wollten nicht solange warten. Und niemand regt sich über die vorwitzigen Parkeroberer auf. „Die Leute haben sich immer wieder einen Zugang verschafft“, sagte Daniela Augenstein von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Da habe man sich eben der Macht des Faktischen gebeugt und die fertigen Wege freigegeben. „Wir bitten darum, auf den Wegen zu bleiben und Abstand von den Bauarbeiten zu halten“, sagt Augenstein.
Doch so einfach ist das nicht. Die Arbeiter kurven mit ihren schicken Kettenfahrzeugen über die neuen Wege. Hinter einem Rennradler biegt ein tonnenschwerer Laster auf die schmale Verbindungsstraße zum Ostpark. Gegenseitige Rücksichtnahme im Baustellenverkehr ist das Gebot der Stunde, darauf haben sich die Werktätigen mit den Parknutzern offenbar wortlos verständigt. Kitakinder sind fröhlich unterwegs. Eine schwangere Frau schlendert mit ihrem Freund über das Gelände. Manche sitzen auf den verpackten Bänken unter verpackten Laternen, die nachts schon leuchten sollen.
Sehen Sie ein Video zum neuen Westpark:
So ist das eben in Berlin. Die Neugier ist stärker als das Rechtsempfinden. Ein Mitarbeiter der BVG-Werkstätten erinnert sich an früher, als hier noch wildes Gestrüpp über das Kopfsteinpflaster wucherte. Da gab es auch schon etliche naturliebende Eindringlinge. „Die haben hier dann nachts gepoppt.“ Damit ist es jetzt wohl vorbei. Das Gestrüpp ist weg, und jederzeit kann ein Radler vorbeisausen oder ein ICE aus dem Bahntunnel schießen. Da fehlt es deutlich an Privatsphäre.
Die Wand des Bahntunnels ist bereits mit Graffiti bemalt. Michael, geschätzte 30 Jahre alt, übt ein paar „Wall-Runs“, das sind gegen die Schwerkraft gerichtete Versuche, über die Wand zu laufen. Er gehört zu den Hindernis-Läufern, die sich die Stadt erschließen – ohne Umwege.
Auf der Bahntunnel-Terrasse sonnt sich eine junge Frau und träumt vom Latte Macchiato, den es hier geben sollte, irgendwann. Tatsächlich ist eine „Sommergastronomie“ geplant, denn die Planer haben geahnt, dass im Westpark das Aussichtspanorama deutlich urbaner sein wird als im Ostpark. Neben dem Potsdamer Platz sind die U-Bahnbrücken echte Hingucker. Der Westpark schiebt sich wie ein grüner Keil hinein ins Getriebe der Großstadt.
Zwischen den Yorckbrücken und dem Schöneberger Ufer gibt es jetzt einen durchgehenden Fuß- und Radweg. Die Liegewiesen rechts und links sind noch frisch angesäte Brachflächen. Die Tischtenisplatten stehen noch frisch angeliefert verpack an einer Stelle, die großen Schaukeln müssen noch montiert werden. Ende Mai ist ein ambitionierter Eröffnungstermin. Wenn das Wetter nicht mitspielt, muss wohl verschoben werden.
Platz zum Spielen, Sporttreiben und Tagträumen, Platz für Bäume und ein bisschen kontrollierter Wildwuchs, „wir lieben diesen Park am Gleisdreieck“, sagt ein Vater mit Sonnenbrille und Kinderwagen. Allerdings macht er sich Sorgen, ob das Geld für die nötige Pflege immer reichen wird. „Wir hoffen, dass es hier nicht so wird wir im Görlitzer Park.“
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