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Die US-Schauspieler Kurt Russell und Jennifer Jason Leigh sowie US-Regisseur Quentin Tarantino kommen am 26.01.2016 in Berlin zur Deutschlandpremiere des Films «The Hateful 8» in den Zoo Palast.
© Britta Pedersen/dpa

Quentin Tarantino: Er schätzt Rache nur auf der Leinwand

Quentin Tarantino feiert im Zoo-Palast Premiere von "The Hateful 8". An Berlin habe er Erinnerungen an Freundschaften und Eskapaden. Und bei der Pressekonferenz schleicht sich ein ganz besonderer Gast ein.

Gäbe es den blutroten Teppich noch nicht, für Tarantino-Premieren müsste man ihn erfinden. In diesem Fall die thematisch passende Auslegware vor dem am Dienstagabend gleichfalls blutrot angestrahlten Zoo-Palast, Schauplatz der deutschen Premiere von Quentin Tarantinos achtem Film „The Hateful 8“. Von dessen titelstiftendem Personal führte der Regisseur mit Jennifer Jason Leigh und Kurt Russell allerdings nur ein Viertel mit sich – anders als 2009 zur Premiere von dem in Berlin und Umgebung gedrehten „Inglourious Basterds“, als es auf Teppich und Bühne recht eng wurde.

Schön also, wenn noch ein Überraschungsgast dazustößt, selbst wenn er sich nur bescheiden im Hintergrund hält wie Fußball-Bundestrainer Joachim Löw. Plötzlich schob er sich bei der Pressekonferenz am Vormittag im Ritz-Carlton in die letzte Reihe der Journalisten, hatte zuvor höflich angefragt, ob er der Veranstaltung beiwohnen dürfe, saß nun still im Hintergrund, machte Handyfotos, lauschte und verschwand kurz vor Ende der Fragerunde wieder – offensichtlich ein bloßer Fan, denn als Anregung für Spielstrategien ist Tarantinos Film wohl doch nicht zu gebrauchen.

Tarantino, das wandelnde Filmlexikon

Wobei es bei den rund 40 Minuten gar nicht mal nur um „The Hateful 8“ ging, aber so ist das nun mal bei Tarantino, diesem zweibeinigen Filmlexikon, der, während er von seinem Film erzählt, immer auch gleich ein ganzes Bündel weiterer Filme zu nennen weiß, die ihn beeindruckt, das aktuelle Werk so oder so beeinflusst haben. In diesem Fall zum Beispiel der Kriegsfilm „Die letzte Schlacht“ von 1965 und „Eine total, total verrückte Welt“, eine Filmkomödie von 1963, von der er noch genau weiß, wo er sie als Kind zum ersten Mal gesehen hat: im Garmar Theatre in Montebello, Kalifornien. Beides waren im heute fast vergessenen Format Ultra Panavision 70 gedreht worden, wie jetzt auch „The Hateful 8“.

Das wandelnde Filmlexikon. Quentin Tarantino weiß nicht nur über seine eigenen Filme spannend zu erzählen.
Das wandelnde Filmlexikon. Quentin Tarantino weiß nicht nur über seine eigenen Filme spannend zu erzählen.
© Miller/dpa

Neun Personen – Tarantino begeistert sich leicht beim Erzählen – standen im Mittelpunkt der alten Komödie, dank der Breitwandtechnik konnten sie alle gleichzeitig agieren – „weil der Bildrahmen eben so groß war“. Und es war offenbar gerade diese mögliche Fülle an gleichzeitig handelnden Personen in einem Bild, die Tarantino gereizt hat. Für ihn sei die Arbeit am Film „die beste Zeit seit ,Kill Bill’“ gewesen, schwärmte der Regisseur, der beim Betreten des ebenfalls blutrot ausgelegten Podiums erst mal gut gelaunt das Victory-Zeichen machte. Später berichtete er auch von den Schwierigkeiten, eine sechsspännige Kutsche zu lenken, dem langen Training des oben auf dem Bock lenkenden Schauspielers und dem in alten Western immer wiederkehrenden Fehler, wenn die Kutscher bei Stopps sich im Saloon erst mal einen genehmigt. In der Realität wäre nie einer abgestiegen: Viel zu riskant, bei sechs Pferden die Zügel aus der Hand zu geben.

Vor dem Drehbeginn eine szenische Lesung

Natürlich wurde auch Tarantinos Vorliebe für Rachestoffe angesprochen, die er aber, so versicherte er, wirklich nur auf der Leinwand schätze. Im wirklichen Leben sei Rache „eine Art von Dummheit“, wie „ein finsterer Wald, in dem man sich verliert“. Im Film aber sei Rache großartig. Und dabei wäre aus dem Werk fast nichts geworden, als das Drehbuch ohne seine Einwilligung an die Öffentlichkeit gelangt war.

Die Entscheidung, trotz allem zu drehen, fiel nach einer szenischen Lesung vor 1500 Fans im April 2014 im Ace Hotel Theatre in Los Angeles, zu der Tarantino viele der später auch im Film eingesetzten Schauspieler eingeladen hatte, mit ihm selbst als Leser der beschreibenden Drehbuchteile. Ein Riesenerfolg, wie alle drei auf dem Podium sich freuten. Die Leute hätten dabei zusehen können, wie Tarantino als Regisseur mit seinen Schauspielern arbeitete, erzählte Russell. „Magic“ sei das gewesen.

Bei der Pressekonferenz hatten er und Jennifer Jason Leigh ihren Quentin zwischen sich sitzen, der dort größtmögliche Abstand. Auf dem Filmset aber waren sie fast durchweg aneinandergekettet: Der Kopfgeldjäger wollte von seiner Beute nicht lassen. Eine Jojo-Beziehung, wie es Tarantino beschrieb, für die beiden Schauspieler erst mal ziemlich gewöhnungsbedürftig. Zuletzt aber seien sie wie ein altes Ehepaar gewesen, erzählte Jennifer Jason Leigh. Als sie dann getrennt waren, haben sie Kurt Russell geradezu vermisst.

Und Berlin? Tarantino erinnert sich gerne an die Dreharbeiten zu „Inglourious Basterds“, an die großartige Babelsberger Crew, an seine Wohnung in Kreuzberg und die Kneipen dort. Seit damals liebe er die Stadt: „Ich habe meine eigenen Erinnerungen an Berlin, meine eigenen Freundschaften und meine eigenen Eskapaden.“

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