Verkehrssicherheit: Eltern sollen Kinder nicht im Auto zur Schule bringen
An normalen Tagen drängeln sich hier mehr als 500 Wagen - das ist gefährlich und oft unnötig. Nun sollen Kleinmachnows Grundschüler diese Woche laufen oder Rad fahren. Ein Vorbild für ganz Brandenburg?
Erziehung? Die kann Brigitte Müller. Auch bei Erwachsenen. Schwungvoll hebt die pensionierte Hortleiterin an diesem Morgen ihre Kelle in die Höhe, stellt sich auf dem Kleinmachnower Seeberg frech vor ein Auto. In ihrer grellgelben Warnjacke macht die Verkehrshelferin so den Weg für Schüler frei. „Es gibt Fahrer, die nicht hören wollen“, sagt Müller. „Aber die werden es auch noch lernen.“ Das gilt besonders diese Woche.
Noch bis Freitag haben Kleinmachnows Grundschüler autofrei. Alle fünf Grundschulen haben die Eltern aufgerufen, ihre Kinder nicht mit dem Auto zu bringen. Sie sollen das Fahrrad nutzen oder laufen. „Wir können uns vorstellen, das landesweit zu machen“, sagte Stephan Breiding, Sprecher des Brandenburgischen Bildungsministeriums. Besonders in städtisch geprägten Regionen wie Teltow oder Werder (Havel) könnten Kommunen und Schulen öfter an Eltern appellieren, für den Schulweg der Kinder umweltverträgliche Alternativen zu wählen.
Organisiert wurde die autofreie Woche mit der Gruppe „Lokale Agenda Verkehr“. „Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, dass die Kleinmachnower kurze Strecken zu Fuß oder per Rad erledigen“, sagt Sprecher Peter Sahlmann. Vor drei Jahren hatte die Waldorfschule den Anfang gemacht, seit zwei Jahren sind alle anderen Grundschulen dabei. Lediglich die Internationale Schule BBIS auf dem Seeberg hat diesmal verzichtet, da ihr Einzugsbereich mit bis zu 25 Kilometern größer sei als der anderer Schulen im Ort.
Unfälle sollen so vor Schulen vermieden werden
Doch nicht nur dort, sondern auch vor der Grundschule „Auf dem Seeberg“ und an der Waldorfschule halten an diesem Vormittag einige Autos. „Noch ist die Botschaft nicht bei allen Eltern angekommen“, sagt Verkehrshelferin Brigitte Müller. An normalen Tagen drängelten sich rund 550 Autos zu dem Schulgebiet hinter dem Rathaus hinauf. So viel hat Müller schon gezählt. Würde die ehemalige Erzieherin nicht ihre Verkehrskelle in die Höhe halten, hätten die Schüler kaum eine Chance, die Straße zu queren.
Unfälle zu vermeiden, war Ausgangspunkt für die Aktionswoche. „Es sind einzig und allein Eltern, die überzeugt werden müssen“, sagt Peter Sahlmann. Die Kinder selbst würden den Schulweg zu Fuß oder mit dem Rad oft genießen, die frische Luft und die Gespräche mit den Freunden. Sahlmann weiß aber auch, dass der Morgen für viele Familien stressig und zeitlich eng ist.
Deshalb hat die Waldorfschule den Druck auf Eltern erhöht, ihren autofreien Morgen besser zu planen: So wurde der Parkplatz an der Schule gesperrt und die Aktion auf den kompletten Mai erweitert, sagt Geschäftsführerin Katrin Falbe. „Wir sind zwar radikal, trotzdem nehmen unsere Eltern die Aktion gut an.“ Ohnehin seien fast 70 Prozent der rund 400 Schüler mit dem Rad unterwegs. Auch die übrigen sollen daran erinnert werden, dass die Temperaturen im Mai gestiegen sind und die Kinder den Schulweg bequem per Rad erledigen können.
„Leider ist nicht immer Sommer“, sagt Sahlmann. Zwar hätten nach der Aktionswoche 15 Prozent der Eltern dauerhaft darauf verzichtet, ihre Kinder mit dem Auto zu bringen. „Trotzdem wünsche ich mir, dass das Projekt nachhaltiger wirkt.“
Das wünscht sich auch Brigitte Müller. Nach einer Stunde kann die Verkehrshelferin die Kelle einpacken. Morgen wird sie wieder Autofahrer mit strengem Blick empfangen – vielleicht ein paar weniger.
Tobias Reichelt