Volksbegehren zu Videoüberwachung: "Eine umfassende Videoüberwachung in Berlin ist der falsche Weg"
Die Koalitionspartner kritisieren, dass der Innensenator das Volksbegehren zur Videoüberwachung so früh verloren gibt. Die Linke will harte Kante zeigen.
Grüne und Linke werfen Innensenator Andreas Geisel vor, die öffentliche Auseinandersetzung um mehr Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten jetzt schon verloren zu geben. Der SPD-Politiker hatte im Tagesspiegel-Interview gesagt: „Ich gehe davon aus, dass sich die Koalition bewegt und einigt.“
Ansonsten habe das Volksbegehren, das vom ehemaligen Justizsenator und CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann und dem früheren Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) organisiert wird, gute Aussichten auf Erfolg. „Dann wird die Videoüberwachung deutlich umfassender sein, als ich sie vorschlage“, sagte Geisel.
Der neue innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, wundert sich, „dass der Innensenator jetzt schon klein beigibt“. Das geplante Volksbegehren habe viele Schwächen und müsse erst noch die laufende Überprüfung durch das Landesverfassungsgericht überstehen. „Wir haben gute Argumente, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass eine umfassende Videoüberwachung in Berlin der falsche Weg ist“, meint Schrader. Er plädiert dafür, harte Kante zu zeigen und nicht zu versuchen, mit der Initiative von Heilmann und Buschkowsky einen Kompromiss auszuhandeln. „Die sind doch jenseits von Gut und Böse.“
Grüne würden Modellversuch für Videoüberwachung mittragen
Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Senat das Volksbegehren für mehr Videoüberwachung, für das rund 21.000 Unterschriften gesammelt wurden, vorerst gestoppt und dem Berliner Verfassungsgerichtshof vorgelegt. Die Richter müssen nun über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Initiative entscheiden. Geisel geht davon aus, dass der Forderungskatalog, der den Berliner Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden soll, „im Kern“ zugelassen wird.
Auch der Grünen-Sicherheitsexperte Benedikt Lux findet es „schade, dass der Senator das Volksbegehren schon zu einem so frühen Zeitpunkt verloren gibt“. Die Koalition solle doch erst einmal abwarten, in welchem Umfang das Landesverfassungsgericht die Abstimmung freigibt.
Andererseits könne er verstehen, so Lux, dass Geisel allmählich „etwas verzweifelt angesichts der harten Haltung der Linken“. Die Grünen würden einen Modellversuch für die Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten mittragen und sehen sich koalitionsintern als Vermittler zwischen SPD und Linken. Aber erst einmal müsse der Innensenator einen Gesetzentwurf zur Videoüberwachung vorlegen, sagte Lux.
Das hat Geisel bisher nicht getan, obwohl er dies im November angekündigt hatte, nachdem ihm von einem SPD-Landesparteitag mit einem einstimmig gefassten Beschluss der Rücken gestärkt wurde. Die Sozialdemokraten sprachen sich für eine „anlassbezogene und temporäre“ Videoüberwachung an ausgewählten Orten aus. Offizielle Koalitionsrunden zur Videoüberwachung gibt es zwischen SPD, Linken und Grünen bisher aber nicht. Bei den laufenden Verhandlungen über eine Reform des Berliner Polizeigesetzes (ASOG) bleibt das Thema komplett ausgeklammert – diese Gespräche sind schon schwierig genug.
Kompromiss für Polizeigesetz vorstellbar
Zumal der Landesvorstand der Linken vor einem Monat einstimmig beschlossen hatte, „jede Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes abzulehnen“. Trotzdem wollen die Chefs der drei Regierungsfraktionen am Montag einen neuen Anlauf unternehmen, doch noch einen Konsens zu finden. Auch Schrader, obwohl er selbst in der eigenen Partei als linker Hardliner gilt, kann sich noch einen Kompromiss für ein rot-rot-grünes Polizeigesetz vorstellen. Und soweit es beispielsweise um die personelle Stärkung der Polizei, die Ausdehnung mobiler Wachen oder die Bekämpfung der organisierten und Clankriminalität betrifft, sind sich auch Linke und Grüne mit dem Innensenator weitgehend einig.
Allerdings kritisiert Schrader die Sozialdemokraten einschließlich Geisel, weil deren sicherheitspolitische Vorstellungen „weit über den Koalitionsvertrag hinausgehen“. Grünen-Politiker Lux gab sich versöhnlicher. Mit Geisel sei er zufrieden. „Er ist pragmatisch und packt an – und ist kein ausgeprägter Law-and-Order-Mann.“
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