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Eine typische Wohnstraße in der baskischen Stadt Vitoria-Gasteiz: Die Radfahrer haben Platz auf der Fahrbahn sowie eine Spur entgegen der Einbahnstraße.
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Vorbild für Verkehr in Berlin?: Eine spanische Stadt bremst Autos aus - zugunsten der Radfahrer und Fußgänger

Autos müssen draußen bleiben: Die baskische Stadt Vitoria-Gasteiz hat einen Fahrradboom geschaffen, der ausnahmsweise nicht auf Kosten der Fußgänger geht. Ein Besuch.

Europas Städte versuchen auf unterschiedliche Weise, fahrradfreundlicher zu werden: London ist mit einem geplanten Schnellstreckennetz kreuz und quer durch die Stadt praktisch von null auf hundert gestartet und hängt bei den Investitionen alle anderen ab, sofern die angekündigte Milliarde Pfund binnen zehn Jahren tatsächlich investiert wird. Berlin hat das Gesamtbudget für den Radverkehr bei wohlwollender Berechnung auf 16 Millionen Euro in diesem Jahr aufgestockt – wobei ein Teil davon erfahrungsgemäß verfällt.

Das größte Wachstum des Radverkehrs verzeichnet allerdings keiner der bekannten Platzhirsche, sondern das nordspanische Vitoria-Gasteiz, in das der Verkehrsclub VCD kürzlich zu einer Informationsreise eingeladen hatte.

Juan Carlos Escudero trägt die Hauptverantwortung für das Mobilitätskonzept von Vitoria-Gasteiz.
Juan Carlos Escudero trägt die Hauptverantwortung für das Mobilitätskonzept von Vitoria-Gasteiz.
© Stefan Jacobs

Im Frühjahr 2014 fanden sämtliche Einwohner von Vitoria-Gasteiz ein Faltblatt mit neuen Verkehrsregeln in ihren Briefkästen: In 47 Straßen galt nun Tempo 30; Autofahrer mussten den Vorrang der Radler beachten. Die durften dafür nicht mehr die Gehwege benutzen wie zuvor. Weil die Stadt – wie viele in Südeuropa – von Einbahnstraßen geprägt ist, wurde an vielen Stellen kurzerhand ein seitlicher Parkstreifen in eine gegenläufige Fahrradspur ummarkiert.

Nicht mit dem Auto ins Zentrum

Wer die blockiert und erwischt wird, zahlt 200 Euro. Dieselbe Strafe wird für jene fällig, die den Platz vor der historischen Kathedrale als Schleichweg durchs Stadtzentrum benutzen: Früher fuhren dort 10.000 Autos täglich, mit Verbotsschild waren es noch 2000. Nun registrieren Kameras die Nummernschilder an den Ein- und Ausfahrten.

Mit einer Viertelmillion Einwohner ist die Hauptstadt des Baskenlandes knapp so groß wie ein Berliner Bezirk, aber kompakter: Mehr als 95 Prozent der Einwohner leben weniger als drei Kilometer vom Zentrum entfernt. Entsprechend hoch ist der Fußverkehrsanteil, der gut 50 Prozent der Wege ausmacht (Berlin: 31 Prozent).

Deshalb war für den Stadtrat schon zu Beginn der Planungen vor zehn Jahren klar, dass der Radverkehrszuwachs keinesfalls auf Kosten der Fußgänger gehen durfte, berichtet Juan Carlos Escudero, Umweltkoordinator der Stadtverwaltung. Also wurden außerdem die vorhandenen Buslinien neu sortiert, zwei Straßenbahnlinien gebaut – und parallel die Parkgebühren drastisch erhöht. „Die Botschaft an die Leute war: Wenn ihr ins Zentrum wollt, dann bitte nicht mit dem Auto.“

Planer ernten Erfolge

In wöchentlichen Treffen von Verwaltung, Polizei und Verkehrsbetrieben wurden Probleme diskutiert. Vereinzelte Proteste von Autofahrern gegen die Umwandlung von Parkplätzen in Radspuren konterte die Stadt laut Escudero mit Verweis auf Alternativen in der Nähe. „Wir haben ja für jedes Viertel die Daten zu Autobestand und Stellplätzen.“

Jetzt muss jeder Neubau Fahrradstellplätze haben, die Kieze werden schrittweise als „Super-Blocks“ strukturiert: Durchgangsverkehr ist nur noch außen herum erlaubt, während die Wohnstraßen im Inneren verkehrsberuhigt werden. Was jeweils als Modellprojekt begonnen habe, konnte wenig später mit großer Zustimmung der Betroffenen auch anderswo etabliert werden, sagt Escudero.

Jetzt ernten die Planer ihre Erfolge: Der Radverkehrsanteil stieg binnen zehn Jahren von zwei auf 13 Prozent und hat sich allein seit 2011 verdoppelt. Zugleich sank die Autonutzung von 37 auf 25 Prozent. Bus und Bahn stagnieren trotz der neuen Tram bei acht Prozent, der Fußverkehrsanteil stieg nach einem kleinen Tief wieder auf 54 Prozent.

Keinen Aufstand der Autofahrer

Das mit EU-Geld geförderte „Clean Air Project“, das manche Investition erleichtert hat, läuft Ende 2015 aus, aber Escudero ist sicher: „Es gibt einen Konsens in der Art: Einmal Umwelthauptstadt, immer Umwelthauptstadt.“ 2012 hatte Vitoria- Gasteiz den Titel von der EU erhalten. „Darauf waren alle stolz.“

Und einen Aufstand der Autofahrer habe es wider Erwarten nicht gegeben, nicht einmal politischen Streit: „Die politischen Differenzen konzentrieren sich auf Arbeit und Soziales.“ Wobei die Stadt wirtschaftlich relativ gut dasteht dank ihrer großen Arbeitgeber: Mercedes und Michelin.

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