zum Hauptinhalt
Staatsoper in Berlin
© dpa

Bauprojekte: Eine Oper steckt im Sumpf

Noch eine Problembaustelle: Die Sanierung der Bühne Unter den Linden droht den Kosten- und Terminplan zu sprengen. Auf der Baustelle gab es einige Überraschungen: Unter anderem wurde ein Tresorraum entdeckt.

Von Ronja Ringelstein

Der Vorhang hebt sich nur langsam im Sanierungsprojekt Staatsoper Unter den Linden. Der Eröffnungstermin wurde nach mehrmaligen Verschiebungen inzwischen um zwei Jahre, auf Herbst 2015 verlegt, doch ob dieser Termin eingehalten werden kann, ist fraglich. In einer Vorlage der Senatsbauverwaltung, die der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, wird die geplante Eröffnung im Jahr 2014 als „sehr ehrgeizig“ bezeichnet. Dabei verweist das Amt auf eine „Vielzahl der zu lösenden bautechnischen Probleme“.

Das vorhandene Budget von 242 Millionen Euro reicht wahrscheinlich nicht aus. Denn auf der Baustelle gibt es unvorhergesehene Komplikationen. Der neue Projektsteuerer, die Firma Stein-Projektmanagement (SPM), prüft derzeit den aktuellen Zahlenstand. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) hat in seinem soeben vorgelegten Investitionsplan bis 2016 vorsorglich 38 Millionen Euro mehr für die Baustelle eingestellt.

Seit September 2010 wird das Opernhaus saniert. Mittlerweile ist das Innere völlig entkernt, die veraltete Bühnentechnik verschrottet, die Publikumssitzreihen sind entsorgt. Ursprünglich war der Bau des Gebäudes 1741 in nur zwei Jahren fertiggestellt worden. Mit der Sanierung 270 Jahre später tut man sich schwerer. Grund ist einerseits die Abdichtung des Operngebäudes gegen das Grundwasser, andererseits gestaltet sich das Projekt des Tunnels als Verbindung zwischen Magazin- und Hauptgebäude als schwierig. Für beides muss sehr tief in die Erde hineingebaut werden.

Ende August 2012 hatte die Abgeordnete Sabine Bangert (Grüne) eine Kleine Anfrage an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gestellt. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher erläuterte in der Antwort, dass zur Sanierung auf der Sohle im Bühnenhaus eine Stahlwanne eingebracht werden müsse, die – um den Auftrieb im Grundwasser zu verhindern – in den Bestandsfundamenten zu verankern sei. „Die Auftriebssicherung der Stahlwanne gestaltet sich wesentlich aufwendiger als angenommen“, erklärte Lüscher.

Einige Überraschungen sind seit Baubeginn aufgetreten: 2011 wurde im Fundament unerwartet ein Tresorraum entdeckt, der vermutlich zu einer Bank gehörte, die dort einmal gestanden hatte. Im Frühjahr 2012 stießen Bauarbeiter in einer Tiefe von 17 Metern auf Holzpfeiler, die der Standfestigkeit des Gebäudes im sumpfigen Grund dienten.

Die Abdichtung gegen Grundwasser ist notwendig und unbestritten. Anders verhält es sich beim Tunnelprojekt. „Ich halte den Tunnel für Unsinn“, sagt der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Andreas Otto. Über die unterirdische Tunnelverbindung sollen künftig die Kulissen vom Magazingebäude zum Hauptgebäude transportiert werden. Wegen des Tunnelbaus ist es laut Otto zu den zeitlichen und finanziellen Unstimmigkeiten gekommen. Was so schlimm daran sei, die Kulissen oberirdisch zu transportieren, sei ihm nicht klar. Auch die in den Außendepots lagernden Kulissen in Potsdam müsse man schließlich über Straßen zur Bühne bringen. Der Linken-Abgeordnete Wolfgang Brauer hatte von Anfang an gefordert, den aufwendigen Tunnel wegzulassen. Angesichts der reduzierten Depotflächen im Magazingebäude handele es sich bei dem Tunnelbau um „eine

Geldverschwendung sondergleichen“, sagt er. Die ursprüngliche Funktion des Gebäudes als Kulissendepot sei stark eingeschränkt worden: Seit November 2012 steht fest, dass Daniel Barenboim mit der Barenboim-Said-Akademie in die Räume einziehen wird: eine Musikakademie, die junge Araber und Israelis zum Musizieren zusammenbringt. Der geplante Tunnel soll direkt an der Sankt-Hedwigs-Kathedrale vorbeilaufen. Für das rund 250 Jahre alte Bauwerk bedeuten die durch den Bau verursachten Erschütterungen eine Gefährdung der Substanz. Eine Einsturzgefahr sieht Lüscher jedoch nicht. „Die umliegenden Gebäude werden mittels Erschütterungsmessungen sowie Rissmonitoren permanent überwacht“, hieß es.

Die Verzögerung wirkt sich auch auf andere Bühnen aus

Zu den neuesten Ereignissen wollte sich der Intendant der Staatsoper Jürgen Flimm nicht äußern. Er residiert mit seinem Ensemble während des Umbaus in den Räumen des Schiller-Theaters in Charlottenburg. Aber auch das ist teuer. Durch 400 Sitze weniger werden selbst an ausverkauften Abenden rote Zahlen geschrieben. Es handelt sich um Einnahmeverluste von ungefähr vier Millionen Euro pro Geschäftsjahr. Um das zu kompensieren, wurden vor Baubeginn Rücklagen gebildet, doch teilte Kulturstaatssekretär André Schmitz am Montag im parlamentarischen Kulturausschuss mit, dass diese Gelder nur noch bis Sommer 2014 ausreichen werden. Ursprünglich sollte die Lindenoper 2013 wieder spielbereit sein.

Derzeit wird die Wiedereröffnung auf den 3. Oktober 2015 terminiert, am Bau des Tunnels hält die Senatsbaudirektorin fest: Auf die Frage, ob der Senat alternative, kleinere Umsetzungsmöglichkeiten für die Verbindung zwischen Opernhaus und Magazingebäude geprüft oder in Betracht gezogen hätte, den Tunnel einfach wegzulassen, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage: „Wiederholt wurden Alternativen untersucht. Es wird eine reduzierte Variante des unterirdischen Bauwerks realisiert.“ Details dazu nannte sie nicht. Die Kosten für den Tunnel betrügen rund 22 Millionen Euro.

Ob es bei der Kosten- und Terminplanung bleibt, prüft derzeit der neue Projektsteuerer SPM, ein Ergebnis soll noch in diesem Monat vorgelegt werden. Nachdem sich die Bauherrn von ihrem ersten Projektsteuerer, der Firma Drees & Sommer, im Herbst getrennt hatten, übernahm SPM nach einer Ausschreibung das Bauprojekt.

Die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung Daniela Augenstein sieht keinen Grund zur Aufregung: „Es war immer klar, dass eine Sanierung im Bestand Unerwartetes mit sich bringt.“ Wie die hierdurch entstandenen Mehrkosten letztendlich finanziert werden, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Die ursprünglich angesetzten 242,3 Millionen Euro setzten sich zusammen aus einer Bundesbeteiligung von 200 Millionen Euro, das Land Berlin beteiligt sich mit 39,3 Millionen Euro und es gab Spenden des Vereins der Freunde und Förderer von rund drei Millionen.

Die Spielzeitverzögerung wirkt sich auch auf andere Bühnen aus und bringt deren künstlerische Planung durcheinander: Nach der Staatsoper sollte eigentlich die Belegschaft der ebenfalls sanierungsbedürftigen Komische Oper in das Schiller-Theater umziehen. „Das bedeutet für uns, dass sich der Sanierungsbeginn der Komischen Oper und die damit zusammenhängenden Pläne verschieben“, sagte Susanne Moser, Geschäftsführende Direktorin der Komischen Oper Berlin.

Zur Startseite