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Zellentrakt in der JVA Moabit in Berlin-Moabit.
© Thilo Rückeis

Nach Covid-Ausbruch in Berliner Gefängnis: „Eine Isolation nach dem Freigang wäre sinnvoll“

In der Berliner JVA Moabit gab es mehrere Corona-Ausbrüche. Amtsarzt Patrick Larscheid erklärt, welche Maßnahmen bei Gefangenen jetzt nötig sind.

In der Justizvollzugsanstalt Moabit sind am Donnerstag mehrere Insassen positiv getestet worden, 270 Gefangene wurden daraufhin isoliert. Nun soll, wie berichtet, mit umfangreichen Tests begonnen werden – wegen knapper Laborkapazitäten zunächst in Fünfer-Kohorten, wobei zunächst nicht klar wäre, wer aus der getesteten Gruppe infiziert ist. Am Dienstag sollten die Tests in Moabit durchgeführt werden, am Mittwoch in Tegel.

Einer der nun positiv getesteten Männer war offenbar kurz zuvor in die JVA Tegel verlegt worden, die in den Verantwortungsbereich von Patrick Larscheid fällt, dem Amtsarzt von Berlin-Reinickendorf. Der 53-jährige Mediziner erklärt, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden müssen und wo Risiken liegen.

Die Senatsverwaltung für Justiz teilt mit, die Situation sei unter Kontrolle. Wie schätzen Sie das ein?
Die Verantwortlichen im Justizvollzug haben aus unserer Sicht sinnvolle und wirkungsvolle Maßnahmen zur Kontrolle der Situation ergriffen. Der Ausbruch hält noch an, und es lässt sich nicht mit vollkommener Sicherheit ausschließen, dass es Ansteckungen gegeben hat, die möglicherweise nicht bemerkt worden sind. Hier muss man sicherlich noch einige Tage abwarten.

Inhaftierte werden wegen Engpässen bei Laborkapazitäten kohortenweise, sprich, in einer Gruppe von jeweils fünf Männern, getestet. Erst wenn es dabei ein positives Ergebnis gibt, wird einzeln getestet. Wie problematisch sind aus gesundheitlicher Sicht solche Kohortentests?
Es ist gängig, dass man Menschen, die in einer Einrichtung leben, in Gruppen einteilt, unter der Annahme, dass sich das Infektionsgeschehen in etwa gleichmäßig verteilt. Erst wenn einer aus dieser Gruppe auffällig wird, würde man auch den Rest testen. Dieses Vorgehen ist bei reduzierten Kapazitäten durchaus eine empfohlene Variante.

Also sind solche Kohortentests auch in anderen Vollzuganstalten oder anderen Einrichtungen üblich?
Die Situation in anderen Justizvollzugsanstalten kenne ich nicht, aber das Vorgehen ist nach meinem Wissen auch an anderen Orten durchaus üblich.

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Können isolierte Häftlinge zumindest allein zu einer Freistunde raus? Wie sieht dann die Bewachung aus?
Aus unserer Sicht wäre natürlich eine allein verbrachte Freistunde ungefährlich, da hängen allerdings Fragen der Abläufe innerhalb der Anstalt dran, die wir als Ärzte nicht beurteilen können.

Wenn ein Vollzugsbeamter gegenüber einem isolierten Gefangenen, aus welchen Gründen auch immer, kurzzeitig körperliche Gewalt anwenden müsste: Ist das noch zu vertreten?
Dieses Problem tritt auch in anderen Zusammenhängen auf, die Polizei ist damit ebenfalls vertraut. Natürlich können solche Situationen rasch eskalieren, und es ist nicht auszuschließen, dass es in solchen Fällen auch für die Vollzugsbeamten zu riskanten Situationen kommt, die eine Übertragung der Infektion ermöglichen können.

Sind die routinemäßigen körperlichen Durchsuchungen bei einem Gefangenen, bei dem nicht klar ist, ob er positiv ist, noch zumutbar?
Der kurzzeitige bloße Kontakt zu einem Gefangenen ist natürlich mit einem gewissen Risiko verbunden, das ist klar, doch dieses lässt sich durch Schutzmaßnahmen auf beiden Seiten deutlich reduzieren. Vollkommen gefahrlos kann der Kontakt auch nie sein, das liegt in der Natur der Sache. Das Tragen eines wirksamen Mund-Nasen-Schutzes kann in solchen Fällen für beide Seiten günstig sein.

Welche Regeln müssen Vollzugsbeamte einhalten, wenn sie auf Gefangene treffen?
Ebenso wie in anderen Zusammenhängen wird hier mit Mund-Nasen-Schutz gearbeitet. Die Frage von Distanzregeln ist natürlich auch im Justizvollzug relevant, allerdings gibt es durch die Art der Arbeit Limitierungen.

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Können Gefangene ihren vorgesehenen Freigang zu Weihnachten antreten? Werden sie, wenn Sie draußen waren, nach der Rückkehr automatisch getestet?
Bei einem Freigang über die Weihnachtszeit ist damit zu rechnen, dass das Ansteckungsrisiko der Freigänger zumindest dem in der Normalbevölkerung entspricht. Genaue Zahlen darüber existieren nicht. Medizinisch ist es wegen der besonderen Situation in einer Justizvollzugsanstalt gerechtfertigt, wenn ein Freigänger hinterher isoliert wird. Diese Isolierung dient dem Entdecken einer eventuell während des Freigangs stattgefundenen Infektion und hat den Sinn, Folgefälle in der Anstalt zu verhindern.

Die JVA Moabit hat der JVA Tegel einen Häftling überstellt, dessen Testergebnis positiv war. Das hat man allerdings erst in Tegel festgestellt. Vor welche Probleme stellt Tegel dieser Gefangene?
In so einem Fall ist natürlich die Isolierung des Betroffenen notwendig. Diese Isolierung führt unter den Bedingungen des Strafvollzugs zu großen Herausforderungen, weil sich die zusätzliche Isolierung in den Hafträumen natürlich auch erschwerend für den psychischen Zustand des Strafgefangenen auswirkt.

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