Berlin: Eine Filmlegende kehrt zurück
Filmmuseum übernimmt den Nachlass des Regisseurs G. W. Pabst– und schlägt die Harvard-Universität aus dem Feld Er drehte mit Greta Garbo, verfilmte die Dreigroschenoper und schon 1955 die letzten Tage Hitlers im Führerbunker
Der Star zierte sich. Nein, eine Filmrolle, bei der er nur zwei Tage beschäftigt sei, wolle er nicht übernehmen, beschied der berühmte Werner Krauß dem Regisseur G. W. Pabst, der ihn eigens in seiner Theatergarderobe aufgesucht hatte. Einen Fleischer sollte er darstellen, in dem Stummfilm „Die freudlose Gasse“, neben Asta Nielsen und Greta Garbo, was allein nicht zog. Aber Pabst hatte eine Idee: Er erwähnte, dass der Metzger eine große weiße Dogge besitze, nur Krauß werde damit spielen dürfen. Nun begann der Film den Schauspieler zu interessieren. Am nächsten Morgen rief er sogar an, wollte das Tier sehen. Der Regisseur musste ihn vertrösten, fuhr noch am selben Nachmittag endlos im Taxi durch Berlin. Erst gegen Abend entdeckte er in einem Vorort eine Dogge, weiß, riesengroß.
Gut möglich, dass die kuriose Anekdote aus der Produktionsgeschichte der 1925 in Berlin gedrehten „Freudlosen Gasse“, dem einzigen deutschen Film der Garbo, auch in dem opulenten Nachlass des Regisseurs erwähnt ist, den das Filmmuseum Berlin jetzt von dem in München lebenden Sohn des Regisseurs, dem Galeristen Michael Pabst, erworben hat. Es ist eine Sammlung im Rang eines „nationalen Kulturerbes“, wie Gero Gandert schwärmt, dem Haus seit über 40 Jahren verbunden. Manchen Nachlass hat er schon an Land gezogen, diesmal also Pabst, gegen die Konkurrenz der Harvard-Universität, die fairerweise von dem Kauf zurücktrat. Pabsts Beziehungen zu Berlin und Deutschland sind ja auch weit enger als zu Amerika. Aber der Preis muss wohl amerikanische Dimensionen erreichen, für Gandert ist er „bemerkenswert“, Zahlen nennt er aber keine. Ein halbes Jahr dauerte es, bis die Summe zusammen war, mehrere Geldgeber fanden sich zusammen, vorneweg die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Den Preis ist das Material, das in einer Auswahl im Frühjahr gezeigt werden soll, allemal wert. Rund 6600 Fotos gehören dazu, eine beispiellose Sammlung, darunter viele Abzüge von den originalen Negativen. Dazu kommt eine umfangreiche, wissenschaftlich noch unerschlossene Korrespondenz des Regisseurs, beispielsweise mit Louise Brooks, Leni Riefenstahl, Adele Sandrock, Lotte Eisner oder der Hitler-Sekretärin Traudl Junge, auf deren Erinnerungen an die letzten Tage in Führerbunker Pabst schon 1954/55, in „Der letzte Akt“ zurückgegriffen hat.
Dreh- und Tagebücher finden sich ebenso wie Plakate, Premiereneinladungen, Filmkritiken oder die Originalabschrift des Gerichtsurteils im Prozess zwischen Kurt Weill und der Berliner Nero-Film um Pabsts Verfilmung der „Dreigroschenoper“. Um die hatte es 1930 zwischen der Produktionsgesellschaft, Weill und Bertolt Brecht einen erbitterten Rechtsstreit gegeben, in dem Brecht zuletzt den Kürzeren zog. An die „Dreigroschenoper“ erinnert auch ein silbernes Tee- und Kaffeeservice, das Pabst von der Nero-Film zur Premiere bekommen hatte – damals ein üblicher Brauch. Auch eine Silberschatulle ist erhalten geblieben, ein Premierengeschenk zu „Westfront 1918“ von 1930.
Einige der jetzt erworbenen Nachlassstücke waren in Berlin bereits zu sehen: 1997 hatte es zur Pabst-Retrospektive der Berlinale begleitend eine Ausstellung im Literaturhaus gegeben. In deren Mittelpunkt stand „Die Büchse der Pandora“ (1928/29), der in den Filmwerken Staaken gedreht worden war. Vorlage war Frank Wedekinds gleichnamiges Stück, schon dieses war Berlin verbunden, in allerdings unseliger Weise: 1905 und 1906 gab es dazu vor dem hiesigen Landgericht einen Prozess. Wedekind und sein Verleger Bruno Cassirer wurden zwar freigesprochen, das Werk aber als unzüchtig indiziert und die Restauflage vernichtet.
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