Nach Absage des E-Mobil-Festival am Helmholtzplatz: Ein Rückschlag um des Fortschritts Willen
Autofrei im Helmholtzkiez? Darum gab’s viel Ärger. Aber der grüne Stadtrat Kirchner nimmt es sportlich.
Sein Spitzname ist Nilson. Nach Nils Holgersson, der mit den Wildgänsen. Passt nicht unbedingt zu einem Stadtrat für Tiefbau und Stadtentwicklung im Bezirk Pankow. Doch Jens-Holger Kirchner von den Grünen macht gerne mal Ausflüge in höhere Sphären der Politik. Auch auf die Gefahr hin, auf die Nase zu fallen. Genau das ist jetzt passiert.
Das abgesagte Eco-Mobility-Festival am Helmholtzplatz passt deshalb gut zur „Ekelliste“ für Restaurants, die auch auf Kirchners Konto geht und inzwischen aus Datenschutzgründen zurückgezogen wurde. Kirchner prescht gerne vor, während andere noch Bedenken wälzen. Lieber mal was ausprobieren und dann zuschauen, wie sich die Dinge entwickeln. Proteste sind schon einkalkuliert.
Kirchner ist gelernter Tischler, ein Mann mit Ecken und Kanten, der viel an sich abprallen lässt. Manchmal auch ein Polterer, wenn er sich gegen Anwürfe aus der Kreativ-Schickeria von Prenzlauer Berg verteidigt. Und eine Dickkopf. Öffentlicher Streit macht ihm mehr Spaß als das ruhige Abwägen aller Argumente.
Die Kollegen im Bezirksamt, die Stadträte von SPD, CDU und Linken, sind da aus anderem Holz geschnitzt. Torsten Kühne (CDU), der das Ordnungsamt von Kirchner erbte, formuliert vorsichtig und scheut den offenen Konflikt. Auch Bezirksbürgermeister Matthias Köhne von der SPD sucht nicht unbedingt die öffentliche Bühne. In diesem Fall allerdings konnte er seinen Ärger darüber, dass er sich von Kirchner übergangen fühlt, kaum verbergen.
SPD und Grüne stellen in Pankow eine deutliche Mehrheit und bilden eine Zählgemeinschaft, die bezirkliche Variante einer Koalition. „Die Zusammenarbeit mit der SPD ist sehr gut“, sagt Grünen-Fraktionschef Cornelius Bechtler. Kirchners Vorstöße seien bislang mitgetragen worden. Seine Amtskollegin von der SPD, Rona Tietje, spricht von einer „einmaligen Kommunikationspanne“. Kirchner selbst will von einer Panne nichts wissen. Auch den Vorwurf, einen taktischen Fehler gemacht zu haben, weist er zurück. Ein Rückschlag? Ja, damit kann er leben. „Rückschläge gehören doch dazu. Wenn man nicht mal was ausprobiert hätte, gäb’s heute keine Eisenbahn.“
Ja, zum Projekt - doch nur mit Bürgerbeteiligung
Zu seiner Rolle im Bezirksamt, speziell im Verhältnis zum Bezirksbürgermeister, sagt er nur: „Wir pflegen eine gute Arbeitsbeziehung.“ Ob sich ein Politiker, dessen Name nicht so oft in den Medien auftaucht, auf die Dauer zurückgesetzt fühlen könnte, will Kirchner nicht kommentieren. „Darüber denke ich nicht nach. Ich mache meine Arbeit.“ Dazu gehöre es eben, öffentliche Debatten anzustoßen und Kritik hinzunehmen.
Ist es typisch, dass Bedenkenträger neue Ideen zum Scheitern bringen? „Hier ist Deutschland, das gehört zu unserer Kultur“, sagt Kirchner. „Ich sehe das als Herausforderung.“ Die Idee zu dem Festival könne ja noch in anderer Form realisiert werden.
Elektromobilität als Wahlkampfthema?
Auf Senatsebene wurde das Festivalprojekt wohlwollend zur Kenntnis genommen, schließlich will Berlin „Leitmetropole“ in Sachen Elektromobilität sein. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe auf der jüngsten Konferenz zum Thema angemahnt, E-Mobilität müsse in der Stadt sichtbarer werden, sagt Senatssprecher Richard Meng.
Die Idee für ein Festival sei grundsätzlich sympathisch, werfe aber auch viele Fragen auf. Zuständig für das „Schaufenster Elektromobilität“ ist Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU). Aus ihrem Haus heißt es: „Die Senatsverwaltung für Wirtschaft ist völlig irritiert darüber, dass ein solches Projekt ohne die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebracht werden sollte.“
Das klingt nach Enttäuschung. Und auch ein wenig nach Wahlkampf.
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