Berlin: Ein Priester predigt die Stadterneuerung
Leo Penta schafft mit einer Bürgerinitiative, woran Behörden scheiterten: Oberschöneweide zu beleben. Die Technik-Fachhochschule zieht dorthin um
„Hier muss noch viel passieren“, sagt Leo Penta. Es gibt hässliche Ecken in Oberschöneweide. Leerstehende Häuser, Industriebrachen, vergiftete Flächen – aber auch hübsch sanierte Gebäude und die Aussicht, bald die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) mit vielen tausend Studenten zu bekommen. Das könnte den Aufschwung bringen. „Mit Brooklyn“, lächelt Leo Penta, „lässt sich Oberschöneweide nicht vergleichen“. In Brooklyn wurde er geboren.
Leo Penta predigt die Veränderung im Wortsinn. Vor allem in Oberschöneweide. Dort hat er 1999 die Initiative „Menschen verändern ihren Kiez – Organizing Schöneweide“, gegründet. Der Priester weiß, wie vernachlässigte Stadtteile zu beleben sind: mit organisierter Eigeninitative von Bürgern. Mit öffentlichen Treffen, in denen Bewohner, Gewerbetreibende, Investoren über Probleme im Stadtteil reden und versuchen, sie mit den Behörden zu lösen. Die Ergebnisse lassen sich sehen: Dass die FHTW mit 9000 Studenten von Karlshorst nach Oberschöneweide ins ehemalige Industriegelände umzieht, ist ein Verdienst der Initiative.
Vor neun Jahren war Penta als Professor an die Katholische Hochschule für Sozialwesen nach Berlin gekommen – als Experte für „Gemeinwesen“. Als jemand, der andere lehrt, sich bürgerschaftlich zu betätigen. Der Kiez-Initative gehören inzwischen 250 Bewohner und 23 Organisationen an. Der Theologe hat Erfahrung in Brooklyn sammeln können. In den siebziger Jahren war der New Yorker Stadtteil verwahrlost. Penta bündelte Initiativen, die nicht forderten, sondern bewegen wollten. Er schaffte, was eben noch der Berliner Weltkongress der Metropolen beispielhaft fand: Nicht auf den Staat vertrauen, sondern auf bürgerliches Engagement. In Brooklyn half die Kirche mit, es wurden 3000 Reihenhäuser gebaut, es machte wieder Spaß, dort zu leben.
Oberschöneweide, vor der Wende ein grauer, aber lebendiger Kiez mit dem Hauptarbeitgeber Kabelwerke Oberspree, drohte der Verfall. 25 000 Arbeitsplätze waren weg. Penta fand, auch hier müsse das Modell selbstbewusster bürgerlicher Eigeninitiative greifen. Die Pläne der Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG), neues Gewerbe in sanierte Industriegebäude zu locken, waren erfolglos geblieben.
Der 53-Jährige geht gern auf die Treskowbrücke, um von vertanen Chancen und von Hoffnungen zu reden. Er deutet auf die verfallene Brauerei oder das verseuchte Gelände eines Metallwerks. Er zeigt das helle, neue Hotel und erwähnt, was es noch gar nicht gibt: den Kaisersteg als Fußgängerbrücke zwischen Ober- und Niederschöneweide. Die Initiative drängt darauf, dass der historische Steg wieder aufgebaut wird. Ein Gymnasium soll geschlossen werden, eine Grundschule ist durch einen Recyclinghof geteilt, ein Schulhof gesperrt, weil seit langem ein Dach kaputt ist. „Wir fragen nach, wir nerven“, sagt Organisator Gunther Jancke. „Und wir labern nicht“, ergänzt Elisabeth Mock-Bieber, die Verkehrsexpertin in der Initiative. Von der Hochschule erhofft sich die Initiative mehr Leben mit Cafés, Läden, vielleicht auch Beachvolleyballfeldern.
Penta, der gern eine Millon Euro für den Aufbau weiterer „Plattformen“ in den nächsten drei Jahren hätte („aber kein Staatsgeld“), denkt an Problemkieze in Wedding und Neukölln – oder in Charlottenburg, am Klausenenerplatz. Wie einst in Brooklyn kennt er die Probleme dort bestens. Er wohnt da.
„Schöneweide – Träume schon erfüllt?“ heißt eine Veranstaltung von „Menschen verändern ihren Kiez“ am Montag, 30. Mai von 19 bis 20.30 Uhr in der Christuskirche, Firlstraße 16, Oberschöneweide.
Christian van Lessen
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