Steuerzahlerbund zum BER: "Ein Manifest von Fehlplanungen"
Während auch der Steuerzahlerbund in den Chor der Kritiker des Flughafendebakels einstimmt, rückt sich ein früherer Aufsichtsrat selbst in den Fokus und findet deutliche Worte für die Misere.
Der Steuerzahlerbund hat wegen des Debakels um den Hauptstadtflughafen heftige Kritik am Management und am Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft (FBB) geübt. In seinem „Schwarzbuch“ zur Steuerverschwendung der öffentlichen Hand, das der Verband am Mittwoch vorstellte, wird den Regierungsvertretern Berlins, Brandenburgs und der Bundesregierung im Aufsichtsrat „politisches Versagen“ und „blindes Vertrauen“ zum „überforderten Management“ vorgeworfen. Der BER ist ein „Manifest von Fehlplanungen, Missmanagement, unvollständigen Bauunterlagen und Kostenüberschreitungen“.
Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Baukosten, die von einst geplanten 2,4 Milliarden auf mittlerweile 4,3 Milliarden Euro gestiegen sind, noch weiter erhöhen. Die Politiker in den Reihen des BER-Aufsichtsrates, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Vorsitzender und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) als Vize, müssten daher in der letzten Bauphase durch externe Fachleute und kompetente Fachbeamte ersetzt werden.
Bilder: Der Chaos-Flughafen BER
Dies stieß bei den Grünen in Berlin und Brandenburg und der CDU in Potsdam auf Zustimmung. Sie forderten Wowereit und Platzeck zum Rückzug aus dem Aufsichtsrat auf. Von den 15 Mitgliedern sind zehn Politiker. Die Eröffnung des BER musste mehrfach verschoben werden, der Termin am 3. Juni platzte, Grund war das Bau- und Planungschaos um die Brandschutz-, Haus- und Sicherheitstechnik. Der Aufsichtsrat legte den neuen Eröffnungstermin auf den 27. Oktober 2013, ursprünglich war Oktober 2011 geplant.
Die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, schreibt vor allem Wowereit die Verantwortung für das Debakel zu. „Wir haben nicht mehr das Vertrauen, dass er das Ruder noch herumreißt.“ Einen kompletten Rückzug aller Politiker aber sieht sie skeptisch, Projekte mit öffentlichen Geldern dürften nicht nur von externen Fachleuten kontrolliert werden. „Aber wir brauchen in den Kontrollgremien eine andere Mischung aus Politikern und externen Sachverstand“, sagte Pop.
Auch Brandenburgs früherer Innenminister Rainer Speer (SPD) rückt jetzt in den Fokus der Kritik. Er saß ebenfalls im Aufsichtsrat und könnte nun vor den geplanten Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses geladen werden. Anlass sind Äußerungen Speers gegenüber der „Märkischen Allgemeinen“ in Tansania, wo er für ein kirchliches Hilfsprojekt tätig ist. Platzecks früherer Weggefährte wirft die Frage auf, seit wann bei der Flughafengesellschaft und im Aufsichtsrat die Probleme mit der Brandschutzanlage tatsächlich bekannt waren.
Speer, der nach seinem Rücktritt im September 2010 noch bis Anfang 2011 Mitglied im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft war, sagte jetzt: „Wir wussten schon lange, dass es Probleme mit dem Brandschutz gibt, aber ich frage mich echt, ab wann die Sache so schief gelaufen ist.“ Zugleich erhebt Speer schwere Vorwürfe gegen den Aufsichtsrat und dessen Krisenmanagement. „Jetzt ist die Kacke jedenfalls gewaltig am Dampfen, und ich habe den Eindruck, dass die Verantwortlichen die Probleme nur noch benennen und verwalten, anstatt sie zu lösen.“
Bilder: Ungeplante Mehrkosten bei Großprojekten
Der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses hat am Mittwoch der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum BER-Debakel zugestimmt. Martin Delius von der Piraten-Fraktion, der den Ausschuss leiten soll, sagte zu Speers Äußerungen: „Das sind schon sehr deutliche Worte eines ehemals politischen Verantwortlichen, der keine Verantwortung mehr trägt und mehr Freiraum hat, sich so zu äußern.“ Ob Speer ein möglicher Zeuge ist, darauf wollte sich Delius nicht festlegen. Erst müssten Akten gesichtet werden, dann werde die Liste der Zeugen erstellt. „Uns sind die Aussagen von Verantwortlichen aller Anteilseigner und Firmen wichtig.“
Nach den bisherigen Erkenntnissen hat sich der Aufsichtsrat – wie berichtet – erstmals im Dezember 2011 mit den Problemen beim Brandschutz befasst. Ein BER-Sprecher sagte am Mittwoch: „Es bleibt dabei, es gibt keinen neuen Stand.“
Immerhin ist davon auszugehen, dass Speer weiß, wovon er spricht. Er war in alle wichtigen Entscheidungen einbezogen, Platzecks engster Vertrauter, seit 1999 erst Chef der Staatskanzlei, dann Finanz- und später Innenminister. Nach seinem Rücktritt im September 2010 blieb der SPD-Politiker im Aufsichtsrat. Im Dezember nahm er letztmalig an einer Sitzung teil. Vier Tage später gab er sein Landtagsmandat zurück. Im März 2011 übernahm Finanzminister Helmuth Markov (Linke) Speers Sitz im Aufsichtsrat.
Alexander Fröhlich