Gentrifizierung in Kreuzberg: Ein Luxushotel für den Oranienplatz
Das neue Hotel Orania lädt zum Bürgergespräch. Ladenbesitzer um die Oranienstraße hoffen auf zahlungskräftige Kunden, andere haben Angst vor steigenden Mieten.
„Wir können uns die Reichen hier nicht leisten“, steht in großen Lettern auf einem weißen Transparent, das auf einer Ecke des Oranienplatzes aufgestellt ist. Der Grund der plakativen Meinungsäußerung ist darunter erläutert: „Luxushotel bedeutet: Steigende Mieten, steigende Preise – Verdrängung von allen und allem, was stört.“
Denn direkt gegenüber, im Eckhaus am Oranienplatz 17, entsteht hinter der schmucken Jugendstilfassade das Hotel „Orania“. Der Name prangt bereits an der Fassade, eingerahmt von runden Bögen und verspielter Art-déco-Schnörkelei. Bauarbeiter gehen ein und aus, die Fensterscheiben sind übersät mit Farbklecksen, Abklebefolien bedecken Böden und Fenster.
Drinnen leuchtet schon eine moderne Bar vor orangener Lichtwand, wuchtige Lehnstühle mit Elefantenmuster auf sattrotem Bezug strahlen Luxus und Überfluss aus. Ab dem 21. August kann man sich hier für 94 Euro pro Nacht Eröffnungspreis einmieten, ab Ende September kostet das Zimmer dann 202 Euro Minimum. Wer es etwas üppiger mag, kann auch die 86-Quadratmeter-Suite für 742 Euro pro Nacht im Dachgeschoss mit Blick über den Oranienplatz bewohnen. Zielgruppe sind „Kultur- und musikbegeisterte Ästheten aus Berlin und der Welt“, so das Management.
Ehemaliges Kaufhaus
Das Gebäude ist bekannt als „Kaufhaus Brenninkmeyer“, denn von 1956 bis 1976 gehörte das Haus dem gleichnamigen Textilienhändler. 1913 erbaut, hatten vor der Kaufhausära verschiedene Verbände und Telekommunikationsunternehmen hier ihren Sitz. Nachdem das Kaufhaus auszog, gab es verschiedene Clubs im Gebäude, zuletzt betrieb eine Discountkette eine Filiale im Eckhaus. 2008 kaufte ein Münchner Anwalt das ehemalige Kaufhaus.
Am Dienstagabend lud der Betreiber zu einem Gespräch mit Bürgern und Initiativen. Nur geladene Gäste wurden eingelassen, Aktivisten der Anti-Räumungs-Initiative „GloReiche“ etwa wurden vom Sicherheitspersonal abgewiesen. Andere Ladenbesitzer hatten sich bewusst dagegen entschieden, die Veranstaltung zu besuchen. Ein Ladenbetreiber beschreibt eine Führung durch das Hotel, dazu Getränke und Speisen und eine Präsentation zum Bauvorhaben. Ein Dialog habe nicht stattgefunden, sagt er, deswegen habe man sich bei ihm im Laden versammelt. „Ein Hotel ist das Letzte, was wir hier gebrauchen können“, sagt er.
Man wolle nur für die Nachbarn da sein, ließ eine Hotelsprecherin im Vorfeld verlauten, deswegen seien nur geladene Gäste und keine Presse zugelassen. Ihre Sicht auf die Veranstaltung: „Das gestrige Nachbarschaftsfest stieß zum Großteil auf positive Resonanz im Kiez“. Hauptsorgen seien Touristenbusse und die Parkplatzsituation gewesen. Das Hotel bezieht Waren aus lokalen Unternehmen, wirbt auf seiner Webseite mit graffitibeschmierten Türen als Hintergrund.
Hoffentlich bleibt das spezielle Flair am Oranienplatz
Die Gäste schätzten Kreuzberg genauso sehr wie sie selbst, sagt die Pressesprecherin auf Anfrage, daher brauche es auch keine Verhaltensregeln für Gäste. Die Anwohner sehen der Eröffnung mit gemischten Gefühlen entgegen: Emilio Casado verkauft Espresso und Gelati im Café nebenan. In Hosenträgern, mit Retro-Käppi und tätowierten Armen steht der 34-jährige hinter der Theke und hofft auf mehr Kundschaft, die Geld ins Café bringt.
Touristen und Berliner halten sich hier etwa die Waage, schätzt er. „Ich hoffe aber auch, dass die Touristen das spezielle Flair hier am Oranienplatz respektieren.“ Biegt man um die Ecke, am Hotel vorbei und geht ein Stückchen die Oranienstraße herunter, an mittagessenden Mittdreißigern und Aryuveda-Cafés vorbei, trifft man zwei Menschen, die die Situation weniger optimistisch sehen.
Zekiye Tunc, die Besitzerin des Oranienspätis, protestierte bereits im Juli vor dem Haus der Immobilienfirma im Grunewald, die ihr nach 17 Jahren im Kiez kündigen wollte. Sie wirkt müde, von dem neuen Hotel erwartet sie nicht viel. Zwischendurch kommt ein gutgekleideter Mann mit zurückgegelten Haaren und Sonnenbrille herein und fragt, ob Tunc einzelne Zigaretten verkauft. Sie lehnt ab.
„Die Touristen kommen hier rein, gucken und gehen wieder“, sagt ihr Kunde Serdar. Der 37-jährige Syrer wohnt seit 30 Jahren im Kiez, in der Waldemarstraße. Ein lebendiger Kiez sieht anders aus, meint er: „Hier ist es tot, es ist nicht mehr in, schon seit zwei Jahren geht das so“, sagt er. Gewalttätige Übergriffe am Kottbusser Tor, aber auch am Oranienplatz, hätten Touristen und zahlungskräftigen Gästen den Kiez madig gemacht.