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Berlin: Ein echter Schlagertyp

Treffen mit Mister Hitparade: Warum Dieter Thomas Heck auch mal Anrufbeantworter bespricht und trotz Wohnsitz in Spanien seine Steuern in Berlin zahlt.

Die 75 Jahre, die er im vorigen Dezember voll machte, hat er gut weggesteckt. Aber dass Ehefrau Ragnhild woanders sitzt, das mag er gar nicht haben. „Maus, wo bist du denn?“, quengelt Dieter Thomas Heck, „Schatz, das macht mich ganz nervös, wenn du da hinten stehst.“ Der Schlager-Guru, der Goldkettchenträger, der Mister Hitparade, der Archetyp des deutschen Fernsehmoderators – Dieter Thomas Heck ist definitiv ein Mann, der sekündlich liebende Betreuung braucht. Total old school, Typ großherziger, ein bisschen egomanischer Patriarch. Ein Mann, der gerne mal einen Doornkaat trinkt und in seiner vergangenes Jahr erschienenen Biografie Frikadellen, Blumenkohl und Stampfkartoffeln seine Leibspeise nennt.

Jetzt sitzt er bei Wasser und Keksen in der Bar des Wintergarten Varietés und wirbt für die Lesung, die er am nächsten Montag zugunsten der Welthungerhilfe aus seinen von Peter Lanz aufgezeichneten Lebenserinnerungen hält. Mit wachem Blick, Arme raumgreifend auf der Sofalehne, dunkelblauer Anzug, Krawatte, er trägt weiße Sneakers zum weißen Schopf. Huch, Turnschuhe? Das ist ein Stich legerer, als man es vom stets korrekt gekleideten Showmaster der „Pyramide“ oder der „Melodien für Millionen“ kennt. Der seit 2007 andauernde Fernsehruhestand, den Heck in Spanien verlebt, hat ihn offensichtlich etwas lockerer gemacht. Obwohl er sagt, dass trotzdem unverändert seine Maxime als öffentliche Person gilt: „Wenn ich morgens aufstehe, dann rasiere ich mich, wasche mir die Haare, gehe raus – und bin im Dienst.“

Auch, wenn er wie jetzt eigentlich gerade ein Großvater ist, der in Berlin seine Enkelin zum Geburtstag besucht. Er freue sich grundsätzlich, wenn ihn Leute auf der Straße, beim Einkaufen oder im Restaurant nach seinem Befinden fragen und bedauern, dass er kein Fernsehen mehr macht, sagt er. „Es wäre ja schlimm, wenn die sagen würden, den sprechen wir nicht an, den mögen wir nicht. In Spanien klingeln sie sogar an meinem Grundstück.“ Oder sie schreiben ihm Briefe und bitten ihn, seinen legendären Hitparaden-Opener „Hier ist Berlin!“ auf ihren Anrufbeantworter zu sprechen. „Ist ja eigentlich albern, aber ich mache das gern. Das ist für die Leute eine Art Ruf aus der Heimat.“ Heck weiß eben, wem er seinen Ruhm und sein Haus in Aguilas am Mittelmeer zu verdanken hat: dem Publikum und Berlin. Hier lebt einer seiner beiden Söhne, hier lebt seine Tochter. Und bei der ist er in Wannsee auch mit festem Wohnsitz gemeldet. Mit voller Absicht, obwohl Heck doch eigentlich als Carl-Dieter Heckscher in Flensburg geboren und in Hamburg aufgewachsen ist. „Ich will in Berlin meine Steuern zahlen. Hier habe ich meine Karriere begonnen, mein Geld verdient, und daraus ist alles andere entstanden.“

Was „alles“ genau meint, steht in der Biografie, die den Werdegang des im Bombenkrieg verschütteten kleinen Jungen vom traumatisierten Stotterer zum Autohändler, Sänger, Radiomoderator, Schauspieler, Produzenten und bekanntesten TV-Schnellsprecher der Republik nacherzählt. Inklusive privater Krisen, überraschender Adelsabkunft, Showgeschäfttratsch, Schlagerklamauk, konservativer politischer Bekenntnisse, Aufschneiderei, Großmut, Bier, Schnaps und Zigaretten.

80 Stück hat er früher täglich geraucht, davon ist er inzwischen ab. Im Gegensatz zur Musikbranche. Die beobachte er weiter aufmerksam, auch wenn er inzwischen meist Klassik höre, sagt er. „Ich glaube schon, dass ich einen Anteil daran habe, dass die deutschsprachige Musik wieder so populär geworden ist.“ Xavier Naidoo, Silbermond, Andrea Berg, Helene Fischer gefallen ihm. „Maus, sag’ auch noch mal ein paar Namen“, ruft er mal wieder zu Ragnhild Heck hinüber, „und nun komm’ doch bitte endlich her!“ Seit 1976 sind sie verheiratet und teilen privat und beruflich jede Minute. Das prägt. Sie lässt sich erweichen, rutscht zu ihm aufs Sofa und erzählt sichtlich mitgenommen vom sozialen Drama der spanischen Schuldenkrise – mit Arbeitslosigkeit und Armut direkt vor ihrer Haustür. Ihr Mann hört zu. Dann ist die Zeit um. Der Patriarch erhebt sich und dankt. „Alles Gute, Schätzchen“, sagt Dieter Thomas Heck und streichelt doch tatsächlich die Wange der verblüfften Reporterin. Jetzt wäre ein Doornkaat gut.

Wintergarten Varieté, Potsdamer Straße 96, Tiergarten, 24. September, 20 Uhr, ab 11,90 Euro

Gunda Bartels

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