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Schoko-Eis und Disko-Cola. Der Palast der Republik ist nur noch ein Erinnerungsraum für Ost-Berliner.
© picture-alliance / dpa

Schloss der Erinnerungen: Ein Blick zurück auf den Palast der Republik

Es war einmal ein Palast: Wo nun das neue Stadtschloss in die Höhe ragt, stand früher der Palast der Republik. Unsere Autorin war als elfjähriges Mädchen bei der Eröffnung 1974 dabei.

Der 18. November 1974 war ein Montag und das Wetter war so, wie Novembermontage eben so sind. Dort, wo heute das Schloss, pardon, das „Humboldt-Forum“, empor wächst, stand an diesem Montag in den Siebzigern ein kleines Mädchen und betrachtete staunend etwas, das in ihren Augen auch schon wie ein Schloss aussah. Elf Jahre alt war das Mädchen und gerade einmal ein paar Monate in der großen Hauptstadt der DDR beheimatet. Natürlich hatte sie keine Ahnung davon, warum an diesem Tag so viele Menschen auf dem Platz versammelt waren und was die alten Männer ganz vorn in die Mikrofone sagten. Das Mädchen war einfach überwältigt von dem großen Haus mit den riesigen Glasfenstern, dessen Richtfest an diesem Tag gefeiert wurde.

Oft ist das Mädchen später in diesen „Palast“ gegangen, hat mit Schulkameraden nachmittags auf den roten Ledersesseln gelümmelt, das beste Schoko-Eis in der ganzen Stadt geschleckt und später in der Disko Cola-Wodka geschlürft. Längst ist das alles Vergangenheit, das Mädchen von damals hat inzwischen den Fall der Mauer erlebt, einen Jahrtausendwechsel und die Unendlichkeit des Internets.

Und wieder werden Reden gehalten, Gläser erhoben...

Und nun steht es wieder hier an diesem Platz in der Hauptstadt und wieder werden Reden gehalten, Gläser erhoben und das Richtfest für einen neuen Palast, pardon, ein Schloss, pardon, das „Humboldt-Forum“, erhoben. Verschwunden ist der gläserne Bau von damals und mit jedem Stein, der seinen Nachfolger formt, auch die Erinnerung daran, wie er aussah, wie es war auf den roten Ledersesseln unter den Glitzerkugeln überall. Zeit für ein bisschen Wehmut und die Erkenntnis, wie viel und wie wenig zugleich der große weltpolitische Zeitenlauf für so ein kleines menschliches Leben Bedeutung hat.

Wo wir einst glücklich im „Palast der Republik“ unser Eis schleckten, musste zwanzig Jahre zuvor ein Schloss weichen, weil die Palast-Erbauer in ihm ein Symbol des untergegangenen preußischen Revanchismus sahen. Und wo wir bald die Kulturgüter der Welt besichtigen werden, wich ein Schloss, pardon, ein Palast, der für die Erbauer des Humboldt-Forums zum Symbol der untergegangenen Diktatur des Sozialismus geworden war.

Antje Sirleschtov

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