Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain: Ein Anwohner erzählt: „Ungeheures Dumpfbatzentum“
Ein Anwohner sieht das Problem bei Punks und Autonomen. Ihm fehlten Freundlichkeit und Rücksichtnahme bei einigen Nachbarn und so zog er weg. Hier sein Erfahrungsbericht.
Der Autor dieses Textes, der zum Schutz seiner Person anonym bleibt, hat mehrere Jahre lang in der Rigaer Straße gelebt und ist im vergangenen Jahr weggezogen. Einige der Gründe beschreibt er hier.
Ich kam als Freund, der mit Wohlwollen sah, dass es in Berlin eine lebendige Haubesetzerszene gibt, eine Linke jenseits der parlamentarisch Organisierten. Ich kam als einer, der für politisch richtig und wichtig hält, dass es Raum für andere Lebensentwürfe gibt.
Ich ging, sieben Jahre später, persönlich zermürbt, politisch desillusioniert und mit einem ungeheuren Groll auf das ungeheure Maß an Dumpfbatzentum, das uns dort alltags begegnete. Schlaflose Nächte, Gepöbel, mutwillige Zerstörungswut haben mich aus dem Kiez getrieben. Kot, Scherben, Kotze – das ist, was mir in Erinnerung bleibt vom Leben als Nachbar des alternativ autonomen Wohn- und „Kulturprojekts“ Rigaer 78.
„Ey, Scheiß-Yuppie-Schlampe“
Nacht für Nacht aggressiv aufgeladenes Gebrüll: Der eine Punk schreit – je später, desto Sternburger – den anderen an. Man wirft die Flaschen wahlweise aufs Pflaster oder sich gegenseitig an den Kopf. Das Ganze geht bis zum morgen, bis keiner mehr stehen kann. Unterlegt mit Bassgewummer, jedes Mal wenn die Tür der Kneipe „Abstand“ sich öffnet, weil einer reingeht. Oder wenn einer rauskommt. Um in unseren Hauseingang zu pissen. Oder auf den Treppenabsatz zu kacken. Manchmal schläft auch einer darüber ein. Wacht vielleicht auf, wenn morgens die werktätigen Spießer auf dem Weg zur Arbeit über ihn hinwegsteigen – und ruft den Frauen ein röhriges „Ey, Scheiß-Yuppie-Schlampe“ hinterher.
Die Polizei hat längst aufgegeben, wegen Lärmbeschwerden auszurücken. „Von wo rufen Sie an? Rigaer? Achso, ja, das glaube ich, dass es da hoch her geht.“ Von Anzeigen wird abgeraten. Dann erführe der Angezeigte früher oder später, wer ihn angezeigt hat, und wo er wohnt – ob man das wirklich wolle...?
Leben und leben lassen
Ich habe die Konsequenz gezogen und bin gegangen. Wahrscheinlich ganz im Sinne der Autonomen. Aber ich würde ihnen gerne zurufen: Ihr verlangt Rücksicht auf Euren Wunsch nach anderen Wohn- und Lebensformen in einer vorgeblich besseren Welt? Das verstehe ich. Das finde ich sogar gut. Aber Freundlichkeit und Rücksicht sind keine Einbahnstraße. Macht Euer Ding. Aber bitte so, dass ich meines machen kann. Leben und leben lassen – eigentlich nicht so schwierig.
Einen Bericht einen Anwohnerin, die gerne in der Rigaer Straße wohnt, lesen Sie hier. Einen ausführlichen Report einer Ex-Anwohnerin, die die Rigaer Straße wie der Autor dieses Textes entnervt verlassen hat, lesen Sie am Sonnabend in unserer gedruckten Beilage Mehr Berlin.