zum Hauptinhalt
Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.
© Tsp

Fallstricke des Alltags: Dürfen Frauen ins Männer-WC?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

In letzter Zeit habe ich es – vor allem im Kino und bei Konzerten - häufiger erlebt, dass sich Frauen, wohl um die oft langen Warteschlangen vor den Damen-Waschräumen zu umgehen, einfach auf das Herren WC begeben haben. Auf den freundlich vorgetragenen Hinweis, dass sich die Damen offenbar in der Tür geirrt hätten, wird häufig entweder gar nicht oder mit schnippischen Bemerkungen im Stil von „Keine Angst, ich schau Ihnen schon nichts weg“ reagiert. Ich habe durchaus Verständnis, dass ein dringendes Bedürfnis mitunter unkonventionelle Handlungen erfordert, erwarte aber dennoch, dass jemand, der einen durchaus intimen Ort betritt, zumindest fragt, ob dies niemanden störe.

Max, angepisst

Lange Schlange. Bei vielen Veranstaltungen, wie hier bei einem Oktoberfest, müssen Frauen vor den Toiletten anstehen. Foto: Michael Westermann/Imago
Lange Schlange. Bei vielen Veranstaltungen, wie hier bei einem Oktoberfest, müssen Frauen vor den Toiletten anstehen. Foto: Michael Westermann/Imago
© imago stock&people

Das Phänomen ist verbreitet, dass bei Massenveranstaltungen Frauen die oftmals auch verwaisten Herren-Toiletten aufsuchen, um die langen Schlangen zu umgehen. Dass Erfahrungswerte die Veranstalter da nicht zu einer vernünftigeren, lebensnahen Planung veranlassen, ist schlicht nicht zu verstehen.

Schnippische Bemerkungen verraten oft Schuldbewusstsein oder auch Unsicherheit. Sie sollten nicht voraussetzen, dass sich die Frauen, die sich mit der eigentlich nicht korrekten Eroberung der Herrentoilette aus ihrer Not befreien, dabei ganz wohl in ihrer Haut fühlen. Aber was wäre die Alternative? Das möchten Sie sich lieber auch nicht ausmalen.

Unsicherheit führt leider oft zu fragwürdigem Benehmen. Auch wenn in der Konzertpause, die danach schreit, ein dringendes Bedürfnis loszuwerden, für Reflexionen in der Regel kein Raum bleiben dürfte: Spätestens Wiederholungstäterinnen könnten sich rein theoretisch mal in einer stillen Minute damit auseinandersetzen, wie man sich in einer solchen Situation verhält. Ist weit und breit kein Mann in Sicht, dann gibt es auch keinen großen Grund für ein schlechtes Gewissen. Das sollten tatsächlich die Leute haben, die viel Eintrittsgeld verlangen und dafür mindestens angemessene Toiletten bereitstellen müssten.

Ist das Herren-WC tatsächlich von Herren bevölkert, dann hilft nur noch eine Entschuldigung und, wenn es geht, der Rückzug. Geht es nicht und es sind Kabinen offensichtlich frei, könnte sich die Frau bei den Anwesenden entschuldigen, nachdem sie die Tür verschlossen hat. Aber bitte nicht schnippisch sein, sondern ruhig ein bisschen zerknirscht um Verständnis bitten. Beim Verlassen des Ortes achtet sie bitte darauf, ohne das freilich zu erwähnen, wirklich niemandem etwas wegzugucken und huscht ein kleines bisschen verschämt mit starrem Blick von dannen. Klingt auf Anhieb etwas unfeministisch, hilft aber allen Beteiligten, das Gesicht zu wahren.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, "Immer wieder sonntags", 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

Zur Startseite