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Blick auf die Oberbaumbrücke in Friedrichshain-Kreuzberg. Im Bezirk liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei über 50.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Corona-Pandemie in Berlin: Droht jetzt der Lockdown in den Innenstadtbezirken?

Die Neuinfektionen innerhalb einer Woche liegen in Friedrichshain-Kreuzberg weit über dem berlinweiten Wert. Deutlich besser ist die Situation am Stadtrand.

Monika Herrmann (Grüne) klingt einigermaßen ernüchtert. "Als Bezirk allein können wir da wenig machen", sagt die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Soeben ist die Sieben-Tage-Inzidenz, also der Wert, der angibt wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich mit dem Coronavirus innerhalb einer Woche angesteckt haben, auf mehr als 50 gestiegen, wie Berechnungen des Tagesspiegel Innovation Labs (Stand: Montagmittag) zeigen.

Für Berlin liegt der Wert nach den Berechnungen bei 23. Wäre Friedrichshain-Kreuzberg mit seinen mehr als 290.000 Einwohnern eine eigene Stadt müssten - so sieht es eine Vereinbarung der Ministerpräsidenten vor - nun neue Corona-Regeln eingeführt werden. Doch da der Senat Berlin in der Pandemie als Ganzes bewerten will, passiert erst einmal nichts. Die Gesundheitsverwaltung gab am Montag (Stand: 17.45 Uhr) in ihrem Lagebericht einen Wert von 48,6 an.

Von einem lokalen Lockdown beispielsweise hält Herrmann auch gar nichts. "Wenn wir hier alles dicht machen, gehen die Menschen doch einfach über die Straße in den Nachbarbezirk", sagt die 56-Jährige. Schon jetzt würden sich viele Bürgerinnen und Bürger in Mitte, Neukölln oder Prenzlauer Berg anstecken.

Das Problem sei die Nachlässig- und Verantwortungslosigkeit vieler junger Menschen. Berlinweit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz der 20- bis 29-Jährigen bei mehr als 48, wie jüngste Zahlen der Gesundheitsverwaltung (Stand: Montag, 17.45 Uhr) zeigen. Zum Vergleich: Bei den 70- bis 89-Jährigen liegt sie demnach bei sieben.

"Es gibt einen Teil der Menschen, die wollen nur Party, Party, Party", sagt Herrmann. Diese Gruppe stelle zwar die Minderheit, doch wenn sich das Virus erst einmal wieder ausbreitet, dann wird es wohl bald auch wieder die vulnerablen, älteren Gruppen erreichen. Davon geht zumindest Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) aus: "Es ist eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung die Alten erreicht", sagte sie im Gesundheitsausschuss am Montag.

Immer mehr Menschen stecken sich offenbar bei privaten Feiern an

Herrmann bereitet das große Sorge, ihr Amtsarzt habe ihr von Fällen berichtet, bei denen Infizierte 300 Kontaktpersonen angaben. "Davon sind dann aber nur noch 200 ermittelbar", sagt die Grünen-Politikerin. Der Rest bleibt ein unberechenbares Risiko.

Noch kämen die Gesundheitsämter hinterher, doch die Arbeit werde von Tag zu Tag schwerer. Auch, weil sich immer mehr Menschen offenbar bei privaten Geburtstagsfeiern anstecken, die sich mit den abkühlenden Temperaturen aus dem Freien zunehmend wieder in Wohnungen verlegen. "Wir können aber keine Geburtstagsfeiern verbieten", sagt Herrmann.

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Überhaupt liegt es ihrer Ansicht nach nicht in der Hand des Bezirksamts, einen erneuten Lockdown oder ähnliche Maßnahmen zu verabschieden. Dafür sei der Senat zuständig, dessen Lockerungspolitik Herrmann als "falsches Signal" kritisiert. Mit der Gesundheitssenatorin sowie ihren Amtskollegen aus Mitte und Neukölln, wo die Sieben-Tage-Inzidenz nach Berechnungen des Tagesspiegel Innovation Labs bei 37,5 und 34,3 liegt, ist für Dienstagnachmittag ein Gespräch über das weitere Vorgehen geplant. Eingeladen hat die Senatorin, direkt nach Besprechungen zur Lage im Senat.

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Deutlich besser ist die Situation am Stadtrand. In Treptow-Köpenick liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei gerade einmal acht. "Ich will meinen Amtskollegen nicht unterstellen, dass sie zu lax mit der Situation umgehen", sagt Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD). Dass das Infektionsgeschehen im Südosten geringer sei habe äußere Einflüsse, wie die dünnere Besiedlungsdichte und eine ältere Bevölkerungsstruktur in seinem Bezirk.

Im Südosten ist das Infektionsgeschehen geringer

In Treptow-Köpenick habe man allerdings auch früh breiter getestet und Labore gesucht, die Ergebnisse von Corona-Tests innerhalb eines Tages garantieren könnten. Zuletzt sei man rigide gegen illegale Feiern im Wald vorgegangen. "Teilweise konnten wir die Partys beenden, bevor sie starteten. Damit haben wir uns aber keine Freunde gemacht", sagt Igel.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Trotzdem könnten nun auch in Treptow-Köpenick strengere Maßnahmen drohen. Igel ärgert das, er akzeptiert es aber. "Da steckt ein Stück Ungerechtigkeit drin, aber wir können in einer Stadt wie Berlin nicht unterschiedliche Maßnahmen treffen."

Der Bezirksbürgermeister fordert nun weiteres Personal für die Gesundheits- und Ordnungsämter, beispielsweise zur Überwachung der Quarantäne – damit in Berlin bald wieder Köpenicker statt Kreuzberger Verhältnisse herrschen.

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