Akw-Laufzeitverlängerung: Drinnen abgestimmt, draußen protestiert
Der Bundestag hat die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke beschlossen. Draußen protestieren Atomkraftgegner - und Greenpeace besetzt das Dach der CDU-Zentrale.
Der Bundestag hat die längeren Laufzeiten für die 17 deutschen Atomkraftwerke beschlossen. Mit der schwarz-gelben Mehrheit stimmte das Parlament am Donnerstag dafür, dass sie im Schnitt zwölf Jahre zusätzlich am Netz bleiben. Die Regierung will das neue Atomgesetz nun ohne den Bundesrat umsetzen. Die Opposition will dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.
Greenpeace-Aktivisten demonstrieren derweil seit dem frühen Donnerstagmorgen auf der CDU-Zentrale in Berlin gegen die geplante Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Dazu entrollten rund ein Dutzend Umweltschützer vom Dach des Konrad-Adenauer-Hauses ein Banner, wie ein Greenpeace-Sprecher sagte. Auf dem Plakat mit dem Slogan "CDU - Politik für Atomkonzerne" prosteten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Vorstandschef des Energiekonzerns RWE, Jürgen Großmann, zu.
Einem Polizeisprecher zufolge haben die Aktivisten Wartungsarbeiten an dem Gebäude ausgenutzt und sind so auf das Dach gelangt. Es werde versucht, die Dachbesetzer wieder zum Abstieg zu bewegen. Bis zum Nachmittag sei das allerdings nicht gelungen, hieß es später bei der Berliner Polizei. Die Aktivisten müssten mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs rechnen. Zuletzt hatte Greenpeace mit großflächigen Projektionen von Anti-Akw-Sprüchen an allen deutschen Atomkraftwerken Aufsehen erregt.
Die Opposition im Bundestag warf derweil in der Debatte der Bundesregierung vor, mit der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke eine rückwärtsgewandte Politik zu betreiben. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, das Energiekonzept der Koalition sei eine „Rolle rückwärts in die Vergangenheit“. Die Regelung behindere Investitionen in die Erneuerbaren Energien und begünstige die vier großen Energiekonzerne. „Sie haben ein paar Lastwagen mit Geld in Bewegung gesetzt.“ Die Opposition werde das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen, sagte Gabriel.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) warf der Opposition im Gegenzug Versagen in der Energiepolitik vor. „Sie stellen die Parteiinteressen vor die Interessen des Landes“, sagte Röttgen. SPD, Grüne und Linkspartei schürten mit „argumentationslosem Kampfgeschrei“ Ängste, hätten selbst aber keine Konzepte für die Energieversorgung der Zukunft zu bieten, sagte Röttgen. Die Opposition sei ein „energiepolitischer Blindgänger“, sagte der Minister in seiner von zahlreichen lautstarken Zwischenrufen begleiteten Rede im Parlament und ergänzte: „Sie haben nichts drauf."
Röttgen verteidigte das heftig umstrittene Energiekonzept von CDU, CSU und FDP gegen Kritik. Erstmals überhaupt lege eine Regierung ein Konzept für die elementare Frage einer umwelt- und klimaschonenden Energieversorgung vor, sagte er. Kein Industrieland weltweit habe ein derart ambitioniertes Programm, sagte Röttgen.
Das Konzept der Koalition biete „erstmals seit langem einen belastbaren Fahrplan für die Energieversorgung von morgen“, sagte auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in der Debatte. Es gehe „um den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien“ und „aktiven Klimaschutz“. Das hätten die Vorgängerregierungen nicht geschafft.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Koalition vor, im Zuge des Energiekonzeptes die Sicherheitsstandards aufweichen zu wollen. Die Regierung wolle eine „laxe Form der Atomaufsicht“ ins Bundesgesetz übernehmen. Das Agieren der Koalition sei ein „Abgrund von Lobby- und Klientelpolitik“, der unerträglich sei.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte, die Koalition nehme mit dem Energiekonzept bewusst eine Spaltung der Gesellschaft in Kauf. „Für die Profitinteressen von vier Konzernen gefährden sie soviel, machen sie soviel kaputt,“ sagte Gysi. „Sie stellen absichtlich Unfrieden her“, hielt Gysi der Koalition vor.
Vor Beginn der Debatte war die Opposition mit dem Vorhaben gescheitert, das Thema wegen ihrer Meinung nach unzureichender Beratungszeiten zu vertagen. Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck warf der Koalition einen „Putsch gegen die Rechte der Opposition“ vor. Nun wird am Donnerstagmittag in mehreren namentlichen Abstimmungen über das Energiekonzept entschieden.
Greenpeace wirft der CDU „Klientelpolitik“ für die vier Atomkonzerne RWE, E.on, EnBW und Vattenfall vor. Die Organisation forderte jeden einzelnen CDU-Abgeordneten auf, bei der Abstimmung im Bundestag gegen die Laufzeitverlängerung zu votieren. „Heute werden wir sehen, ob die CDU Politik für die Menschen in diesem Land oder für die vier Atomkonzerne macht“, sagte der Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer.
Proteste gab es am Morgen auch am Berliner Reichstag. Dort versammelten sich mehrere hundert Atomkraftgegner, um eine Menschenkette zu bilden. Atomkraftgegner machen derweil bereits mobil gegen den nächsten geplanten Castortransport nach Gorleben Anfang November. (jg/dapd/AFP/dpa/Tsp)