Raststätten-Umbau: Dreilinden wird zum Fast-Food-Restaurant
Hamburger am Checkpoint: Die Raststätte Dreilinden am ehemaligen Grenzübergang soll zum American Diner mit Club-Lounge umgebaut werden - schön überdimensioniert.
Irgendwer hat im ersten Stock die Fensterscheiben eingeschmissen. Scherben bedecken den staubigen Teppichboden, zwischen ihnen vier, fünf Steine. Sonst ist der halbrunde Raum mit den weißen Säulen leer. Fahles Licht fällt hinein. Zwischen den Glassplittern steht Architekt Hajo Mattern und schwärmt von der Signalwirkung des etwas lädierten Gebäudes – dieses riesigen, roten Pop-Art-Prachtbaus, der einmal eine Raststätte für hungrige Transitfahrer war, gleichzeitig aber viel mehr: ein buntes Freiheitsversprechen des Westens gleich hinter der Grenze, ein knalliger Kontrapunkt zur baulichen Tristesse der DDR.
Die 1973 eröffnete Autobahnraststätte am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden – dem alliierten Checkpoint Bravo – wird seit 2002 nicht mehr genutzt. Zuletzt hatten dort Zollbeamte ihre Büros. Das Land verkaufte das markante, runde Gebäude im vergangenen Jahr, den Zuschlag bekam Thomas Drechsel. Der Unternehmer ließ in Zehlendorf bereits den S-Bahnhof Mexikoplatz denkmalgerecht sanieren, auch damals schon mit Hajo Mattern. Für Dreilinden hätte sich der Architekt diverse Optionen vorstellen können: ein Hotel, ein Restaurant oder extravagante Büros. Seit zwei, drei Monaten führt Besitzer Drechsel nun Gespräche mit einem interessierten Betreiber, eine Vertragsunterzeichnung scheint greifbar nah. Um wen es geht, wollen Drechsel und Mattern noch nicht verraten, nur so viel: Der Interessent sei recht bekannt, komme aus dem europäischen Ausland und habe mit Autos und Motorrädern zu tun. Sein Engagement in Deutschland wolle er auf der Automesse „Essen Motor Show“ Ende November bekanntgeben.
Für die ehemalige Raststätte bedeutet das: Bald könnten dort Auto-Fans essen, trinken und tanzen. Denn im Erdgeschoss soll voraussichtlich ein American Diner entstehen, ein Schnellrestaurant im typisch US-amerikanischen Stil, und in den beiden Obergeschossen eine Club-Lounge. Laut Mattern läuft ein Baugenehmigungsverfahren, schon in den nächsten Wochen könnten die Fassadenarbeiten beginnen. Aus dem Bezirksamt war dazu gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Das Gebäude findet der 59-jährige Architekt perfekt „für eine Zielgruppe, die was Besonderes sucht“. Die ehemalige Raststätte verfügt seit ihrer Entwidmung über keinen direkten Autobahnanschluss mehr. Man erreicht sie von der Potsdamer Chaussee aus über einen asphaltierten Weg. Das heißt: Es findet nur hin, wer wirklich hin will. Mattern geht davon aus, dass der Ort trotzdem Besucher anlocken wird, quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Seit 1969 wurden in Dreilinden Transitfahrer kontrolliert, vorher befand sich der Checkpoint in der Ortslage Albrechts Teerofen. Die dortigen Gebäude werden am 16. September versteigert. Das neuere Kontrollgebäude steht unter Denkmalschutz, zusammen mit der ehemaligen Raststätte, zwei Rampen für Lastwagen, der Bronzeplastik des Berliner Bären auf dem Avus-Mittelstreifen und zwei vor sich hin rostenden Tankstellen. Auch sie sind im Pop-Art-Stil gehalten, auffällig rot mit großen, runden Uhren an beiden Seiten. Es ist der Stil des Architekten Rainer Rümmler, der auch eine ganze Reihe Berliner U-Bahnhöfe kennzeichnet. „Die haben damals noch richtig schön überdimensioniert gebaut“, sagt Hajo Mattern. Einiges erinnert auch im Innern des leeren, roten Raststätten-Klotzes noch daran: etwa der wasserrohrdicke Handlauf des Treppengeländers, die an Wagenräder erinnernden Deckenlampen; in den frühen Siebzigern war kein Detail zu groß. Fast alles im Gebäude ist rund oder abgerundet, die Lampen, die Türgriffe, die Trennwand, hinter der sich einmal eine Sitzecke mit knallgelben Stühlen befand. „Außen Lego, innen Raumschiff Enterprise“, so beschreibt es Hajo Mattern.
Der Bau erregte Anfang des Jahres bereits wegen einer ungewöhnlichen Werbeaktion des Besitzers Aufsehen: „Ohne mich hätte es auch dieses Gebäude nicht gegeben“, hatte Drechsel DDR-Staatschef Erich Honecker auf einem Plakat in den Mund gelegt. Darunter der Slogan: „Historischer Standort sucht geniale Idee.“ Das Plakat musste weg – zu viel Schrift, die die Autofahrer auf der Avus ablenken könnte. Die Historie des Gebäudes solle aber auch in Zukunft eine Rolle spielen, sagt Mattern. Wo jetzt noch Vandalen Scheiben einschmeißen, plane der Betreiber in spe nämlich auch eine kleine Ausstellung.
Am Sonntag führt Hajo Mattern anlässlich des Tags des offenen Denkmals von 10 bis 15 Uhr durch die ehemalige Raststätte, Potsdamer Chaussee 61a - 63.
Anne-Sophie Lang