Parteitag der Brandenburger SPD: Dietmar Woidke erneut zum SPD-Spitzenkandidaten gewählt
Brandenburgs Ministerpräsident hat polarisiert. Nun stellt sich die SPD wieder hinter ihm und wählt ihn zum SPD-Spitzenkandidaten.
Potsdam - Wenn sich gleich beide früheren Ministerpräsidenten Brandenburgs eindringlich zu Wort melden, muss die Lage der Sozialdemokraten ziemlich dramatisch sein. Auf jedem Tisch liegt eine Erklärung von Manfred Stolpe, der gesundheitsbedingt nicht kommen konnte, der nun für seinen Nachnachfolger Dietmar Woidke wirbt, vor allem aber „Geschlossenheit“ für die Landtagswahl im Herbst fordert. Und in einem eingespielten Video appelliert Ex-Regierungschef Matthias Platzeck an alle im Saal: „Wenn es schwierig wird, dann hilft nichts anderes als sich unterzuhaken, sich um den Häuptling zu scharen, alles zu tun, damit der alte Ministerpräsident auch der neue sein wird.“ Dabei möge man bitte fröhlich bleiben.
Und der Häuptling dieses Stammes, in dem angesichts der Lage nicht wenigen eher das Lachen vergeht? Regierungschef Dietmar Woidke, der auf dem Parteitag später als SPD-Spitzenkandidat gekürt wird, mit einem nicht gerade überragenden Ergebnis von 82,46 Prozent (94 Ja, 14 Nein, sechs Enthaltungen) hält seine Reden an diesem Tag frei, zum ersten Mal ohne Manuskript. Aufgabe der SPD sei es, bei der Landtagswahl „für Zusammenhalt“ im Land zu sorgen, sagt er. „Wir werden nie zulassen, dass Rechtsextremisten in diesem Lande marschieren.“ Er greift CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben an, weil der auch mit der AfD Gespräche führen wolle. „Er schadet der Demokratie in unserem Land.“ Noch nie habe Brandenburg so gut dagestanden, aktuell mit der historisch niedrigsten Arbeitslosigkeit von 5,5 Prozent, es sei das Land mit den besten Perspektiven in Ostdeutschland. Die SPD wolle das fortsetzen, mehr Lehrer und Kita-Erzieher, den Mindestlohn erhöhen, eine Grundrente. „Wir müssen raus, mit Stolz, mit Selbstbewusstsein und einer gewissen Grundfröhlichkeit“, ruft Woidke. „Wir werden am 1. September um 18:01 vorne liegen.“ Er erhält, wie es sich gehört, stehende Ovationen. Ein Denkzettel bleibt aus.
Obwohl oder weil es in diesen Wochen nicht gut lief für Woidke und die SPD, die erstmals seit 1990 den Verlust ihrer Führungsrolle fürchten muss. Die in Umfragen stabil auf Werte um 20 Prozent abgesackt ist, seit Monaten nur noch hauchdünn vor CDU und AfD liegt. Die einsame Entscheidung des Regierungschefs, das Kultur- und Wissenschaftsministerium von Potsdam nach Cottbus zu verlegen, hatte auch in den eigenen Reihen erheblichen Ärger ausgelöst. Doch die Regie geht auf, die Genossen schließen die Reihen. Zu Beginn hatte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert den Linke-Koalitionspartner attackiert, der „schamlos“ so tue, als habe er mit den rot-roten Umzugsbeschlüssen nichts zu tun: „Man kann nicht Regierung und Opposition gleichzeitig sein.“
Einstimmig wird das Wahlprogramm „Ein Brandenburg“ verabschiedet, mit einer Veränderung, auf Initiative der Jusos: Danach will sich die SPD in einer neuen Regierung dafür einsetzen, dass der Kohleausstieg – bislang für 2038 geplant – möglichst vorgezogen werden kann. Der Versuch der Jüngeren, 2030 als Ausstiegsjahr zu verankern, scheitert. Als Gast sprach Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, „extra um 5 Uhr aufgestanden“, um Mut zu machen. Dietmar Woidke sei ein Superkollege, überhaupt ein typischer Brandenburger, er passe zum Land. Dreyer befand: „Hier in Brandenburg ist die Welt der SPD noch ziemlich in Ordnung.“ Thorsten Metzner