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Gründer Christian Hecker im Büro des FinTech-Startups Trade Republic, das seinen Sitz im Postbank Tower in Berlin-Kreuzberg hat.
© Kitty Kleist-Heinrich

Trade Republic: Dieses Berliner Start-up will Sparer an die Börse locken

Mit seiner App will das FinTech Trade Republic Kleinsparer zum unkomplizierten Aktienkauf motivieren.

Von seinem Büro im Postbank-Hochhaus am Halleschen Ufer in Kreuzberg kann Christian Hecker fast die ganze Stadt überblicken. „In Europa gibt es zurzeit keine Region, die für uns spannender wäre als Berlin”, sagt der 30-Jährige. "Von hier aus wollen wir den gesamten europäischen Markt adressieren." Es hat eine gewisse Ironie: Ausgerechnet im ehemaligen West-Berliner Postcheckamt, einer Ikone der alten Bankenwelt, hat seit Kurzem ein überaus erfolgreiches FinTech seinen Sitz. Trade Republic lehrt genau dieser Welt das Fürchten. Und Christian Hecker dieses junge Unternehmen mitgegründet.

Das Start-up hat eine App entwickelt, mit der die Nutzerinnen und Nutzer Aktien handeln und Wertpapier-Sparpläne erstellen können. Die Anwendung ist auf einige wesentliche Funktionen reduziert und daher leicht zu bedienen. Alle Kurse werden in Echtzeit angezeigt. Das Kaufen und Verkaufen von Aktien erfordert nicht mehr als ein paar kurze Bewegungen des Fingers.

Und es ist beinahe kostenlos. In diesem Bereich ist das Start-up allerdings nicht ohne Konkurrenz. Zum Beispiel verzichten die deutschen Anbieter Justtrade und Gratisbroker ganz auf die Ordergebühr. Doch wie ist das überhaupt möglich?

Wer mit Wertpapieren handeln möchte, benötigt ein Depot. Das ist im Prinzip ein Konto für Wertpapiere. Bei den meisten Anbietern, zum Beispiel Banken oder Online-Brokern, kostet die Führung eines solchen Depots Gebühren. Hinzu kommen Transaktionskosten für jeden An- oder Verkauf. Bei Trade Republic hingegen ist die Depotführung kostenlos, jede einzelne Transaktion kostet nur einen Euro.

Das Angebot richte sich vor allem an Kleinanleger, sagt Christian Hecker. Die Kaufkosten seien normalerweise unverhältnismäßig hoch für Anleger, die wenig Geld zur Verfügung haben. Für die lohne es nicht, für eine relativ kleine Order zum Beispiel 20 Euro an einen Broker zu zahlen. Das gebe die zu erwartende Rendite dann nicht her. „Ein großer Teil der Gesellschaft ist dadurch vom Kapitalmarkt ausgeschlossen”, sagt Hecker. Trade Republic hingegen zäumt das Pferd gewissermaßen von hinten auf.

Aktien für Normalverbaucher

“Viele Leute wissen nicht, dass Broker auf zwei Arten Geld verdienen können. Auf der einen Seite erhalten sie die Orderprovision vom Kunden”, sagt Christian Hecker. “Auf der anderen Seite kommen aber für die meisten Broker Rückvergütungen von der Börse hinzu.”

Die Trade-Republic-Gründer hätten vor einigen Jahren erkannt, dass es für einen technologiebasierten Broker möglich sein kann, ausschließlich von den Rückvergütungen zu leben. Das heißt: Es gibt keine Filialen und nur eine schmale Organisation, daher wenig Kosten. Dadurch wird es möglich, dem Anleger die Gebühren zu erlassen.

2015 entschlossen sich Hecker und sein Mitgründer Thomas Pischke zum Versuch, den europäischen Finanzmarkt umzukrempeln. Mit einem technisch ausgefeilten, aber einfach bedienbaren Angebot wollten sie den Kapitalmarkt für Otto-Normalverbraucher zugänglich machen. Ganz die ersten waren sie allerdings nicht. Mit einem ähnlichen Geschäftsmodell war 2013 bereits das US-amerikanische Start-up Robinhood gestartet.

Die Gründer Hecker und Pischke kannten sich aus der Studienzeit, denn sie hatten sich bei einem Stipendienprogramm kennengelernt. Christian Hecker hatte Philosophie studiert und gleichzeitig im Investmentbanking gearbeitet. In dieser Zeit habe er die Börsengänge von Zalando und Rocket Internet begleitet und dabei seine Faszination für die Start-up-Szene entdeckt, sagt er:

„Es hat mich total beeindruckt, wie mit Technologie und großer Begeisterung Industrien verändert werden.“ Der zweite Mitgründer Pischke hat Physik studiert, bevor sich der Finanzwelt zuwandte. Bald darauf kam noch der Informatiker Marco Cancellieri hinzu.

„Wir haben bewusst den Schritt nach Berlin gemacht.”

Gegründet wurde das Unternehmen zwar vor fünf Jahren in München. Aber der Umzug in die deutsche Hauptstadt sei notwendig gewesen, sagt Hecker. „Wir haben bewusst den Schritt nach Berlin gemacht.” Die Stadt sei ein idealer Standort, denn das seit Jahren gewachsene Start-up-Ökosystem biete jungen Unternehmen viele Möglichkeiten.

Zwei Faktoren hätten den Ausschlag gegeben: Zum einen der Zugang zu geeignetem Personal, sowohl jungen Talenten als auch erfahrenen Finanzexperten, zum anderen die Nähe zu internationalen Investoren.

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„Uns war von Anfang an klar: Wir wollen ein Technologieunternehmen mit Banklizenz sein, keine Bank mit IT-Abteilung”, sagt Hecker. Seiner Ansicht nach stellt die Digitalisierung viele etablierte Banken vor große Probleme, während ein junges Start-up ohne komplexe Verwaltungsstrukturen dadurch eher Vorteile habe. Ende 2018 erhielt Trade Republic die Bankzulassung, seither ist das Unternehmen nach eigenen Angaben stark gewachsen.

Mitte April veröffentlichte Trade Republic zum letzten Mal Zahlen. Zu diesem Zeitpunkt nutzten demnach mehr als 150 000 Nutzer die App, in den Depots waren insgesamt rund eine Milliarde Euro angelegt.

Hochkarätige Investoren stiegen ein

Die Bilanzen überzeugten auch hochkarätige Investoren. 62 Millionen Euro sammelte das Start-up bei einer Finanzierungsrunde im April von alten und neuen Geldgebern ein. Darunter waren unter anderem die US-amerikanische Risikokapital-Beteiligungsgesellschaft Accel Partners und der Founders Fund des Paypal-Mitgründer Peter Thiel.

Außerdem beteiligten sich die Berliner Wagniskapitalgeber Creandum und Project A. Trade Republic setzt das Kapital nach eigenen Angaben ein, um in weitere Länder zu expandieren. Hecker sagt selbstbewusst: „Trade Republic war von Anfang an als europäisches Projekt gedacht.“

Im Postbank Tower am Halleschen Ufer befand sich früher das Westberliner Postcheckamt.
Im Postbank Tower am Halleschen Ufer befand sich früher das Westberliner Postcheckamt.
© Kitty Kleist-Heinrich

Momentan sind 7800 Aktien und ETFs, also börsengehandelte Indexfonds, verfügbar. Außerdem gibt es 300 ETF-Sparpläne und 40000 Derivate zur Auswahl. Allerdings können die Anleger nur einen einzigen Handelsplatz nutzen. Alle Order werden über den Finanzdienstleister Lang & Schwarz platziert. Das ist ungewöhnlich, denn bei klassischen Brokern haben die Anleger eine größere Auswahl.

Auf das Wesentliche reduziert

Aber Hecker glaubt, dass diese Wahlmöglichkeit Kleinanleger verunsichert: „Viele Leute fragen sich: Ist die Aktie, die ich an Börse A oder Börse B kaufe, eigentlich die gleiche? Was sind die Vor- und Nachteile?“ Tatsächlich gebe es Preisunterschiede, aber die seien so minimal, dass sie für Kleinanleger kaum ins Gewicht fielen. Ähnlich geht Trade Republic bei den ETF vor – also Fonds, die verhältnismäßig sichere Anlagen sind, weil sie breit gestreut sind. Anstatt den Kunden aus mehreren Emittenten auswählen zu lassen, setzt das Start-up auf die Produkte des Branchengiganten Blackrock.

„Das Angebot ist fokussierter, die Komplexität reduziert“, sagt Hecker. Doch er sei überzeugt: „Für neun von zehn Deutschen ist das richtige Angebot dabei.“ Im Gegensatz zu anderen App-Anbietern wie Quirion oder Growney bietet Trade Republic jedoch keinen Robo-Advisor an. Das ist ein Algorithmus, der für den Kunden Aktien bewertet und Anlageentscheidungen trifft. „Wir wollen die Leute befähigen, ihre eigenen Anlageentscheidungen umzusetzen.“

Mittelfristig wolle Trade Republic nicht nur risikofreudige Aktienfans ansprechen, sondern auch die vielen Kleinsparer, die ihr Geld bisher auf einem Tagesgeldkonto oder Sparbuch geparkt haben. In Zeiten von erhöhten Inflationsraten und Minuszinsen suchen auch vorsichtige Kleinanleger nach Alternativen.

Es gebe kein einfaches Rezept, um an der Börse Geld zu verdienen, sagt Hecker. Aber wer eine sichere Geldanlage haben wolle, solle auf ein breit gestreutes, langfristig angelegtes Portfolio setzen. Wenn er das so sagt, klingt der innovative FinTech-Gründer aber auch nicht viel anders als der klassische Bankberater.

Christoph Kluge

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