Anmeldezahlen der Berliner Schulen: Die Wahrheit bleibt ein gut gehütetes Geheimnis
SPD-Senatorin Scheeres lehnt Transparenz bei Schulanmeldungen ab. Dabei ist die eigene Fraktion dafür. Hamburg macht vor, wie es gehen kann.
Die Bildungsverwaltung spielt mit den Eltern Verstecken: Die Anmeldezahlen für die Oberschulen bleiben ein gut gehütetes Geheimnis. Auch die Daten für die Grundschulen sind nur in Auszügen und mit Verzögerung zu erfahren. Die Verwaltung argumentiert damit, dass sie „undifferenzierte Negativlisten“ vermeiden wolle. Nun macht Hamburg vor, dass es auch anders geht: Per Twitter teilte die Schulbehörde jetzt mit, wo man nachlesen kann, wie viele Schüler sich aktuell an jeder einzelnen Schule angemeldet haben: Von Altona bis Wandsbek, von der Vorschule bis zum Gymnasium liegen die Informationen umfassend vor.
Damit zeigt die Hansestadt einmal mehr, was alles geht. Dass sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) an ihrem Hamburger Parteigenossen Ties Rabe ein Beispiel nimmt, ist allerdings wenig wahrscheinlich, da sie Unterstützung von der CDU bekommt: „Unternachfrage kann verschiedenste Gründe haben, etwa Sanierungsbedarf , Umbaumaßnahmen, eine fehlende Mensa oder eine ungünstige Verkehrsanbindung, für die die Pädagogen gar nichts können“, lehnt auch die christdemokratische Bildungssprecherin Hildegard Bentele Transparenz bei den Anmeldezahlen ab.
Der SPD-Antrag liegt auf Eis
Die SPD-Fraktion will sich damit nicht abfinden und hält an ihrem Ziel fest, die Daten zugänglich zu machen. „Ich weiß nicht, wie lange die CDU noch die Augen verschließen will. Wegschauen, statt zu helfen, ist keine verantwortungsvolle Strategie in der Bildungspolitik. Angst vor den Zahlen hat nur, wer Angst vor der Wahrheit hat. Uns ist die Transparenz genauso wichtig wie den Eltern. Was in Hamburg geht, muss darum auch in Berlin gehen“, bekräftigte Bildungspolitiker Joschka Langenbrinck die Absicht, an dem Ziel festzuhalten. Der entsprechende Antrag liegt allerdings auf Eis. Ob es in dieser Legislaturperiode noch klappt, ihn abzustimmen, ist unwahrscheinlich, zumal die CDU laut Bentele auch deshalb aufgehört habe, den Antrag zu beraten, „weil die Zahlen ohnehin öffentlich geworden seien“.
Das stimmt nicht ganz: Zwar hatte die SPD-Fraktion die Zahlen auf dem Parlamentswege erfragt; die Antworten waren aber nicht vollständig. Im ersten Anlauf 2014 fehlten einzelne Bezirke wie Mitte, Spandau oder Friedrichshain-Kreuzberg. 2015 wurden nur die Grundschulzahlen – wieder mit Ausnahme einiger Bezirke – geliefert, während die Zahlen der Sekundarschulen und Gymnasien mit dem Hinweis auf drohende „Negativlisten“ verweigert wurden. Nur die Schulen mit den meisten Anmeldungen, die Top Ten, werden stets genannt.
"Die Zahlen sagen wenig über die Qualität einer Schule aus"
Eine Veröffentlichung aller Zahlen befriedige nur vermeintlich ein „Einordnungsbedürfnis“, begründete Sprecherin Beate Stoffers das „Nein“ der Senatorin. Sie sieht, ähnlich wie Bentele, die Gefahr, dass „ohne umfassende Begleitinformationen vielfältige Fehlschlüsse“ passieren können. Daher sei eine Veröffentlichung von ihrer Seite „nicht vorgesehen“. Im Übrigen sagten die Anmeldezahlen „wenig über die Qualität einer Schule aus“, gibt Stoffers die Ansicht der Bildungsverwaltung wieder.
Auch Berlins Landeselternsprecher Norman Heise möchte die Zahlen nicht einfach zusammenhanglos ins Netz stellen: "Ohne Zusatzinformationen finde ich das als Auswahlkriterium irreführend", gab er am Sonntag zu denken. Viele Eltern und Schulexperten sind sich bei der komplizierten Schulwahl allerdings darin einig, dass es zwei wichtige Anhaltspunkte für die Qualität einer Schule gibt: die Nachfragesituation und den Schulinspektionsbericht. Auch bei diesen Berichten haben es die Hamburger leichter, sich zu informieren: Während man in Berlin die Ergebnisse mühevoll aus jedem einzelnen Onlineschulporträt heraussuchen muss, präsentiert die Hamburger Behörde alle Berichte gebündelt, sodass man sich einfach durchklicken kann.
Auch sonst geht die Hamburger Schulbehörde in vieler Hinsicht voran: So war die gerade in Berlin eingeführte Jugendberufsagentur in Hamburg erdacht worden. Und auch beim Schulbau steht Hamburg besser da: Berliner Vertreter fuhren unter der Leitung von Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) kürzlich hin, um sich das Modell erklären zu lassen.