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Sanierung oder Neubau sind der größte Feind von verfallenden Gebäuden. Das sieht man besonders gut im ehemaligen Ballhaus Grünau.
© Ciarán Fahey

Spreepark und Co. in Berlin: Die verlassenen Orte der Hauptstadt

Seit Ciarán Fahey im Spreepark war, kann er nicht mehr aufhören: Mit der Kamera erkundet er verlassene Orte in Berlin – und erklärt in seinem Blog, wie man hineinkommt. Vom britischen "Guardian" ist er als einer der besten City-Blogs weltweit ausgezeichnet worden.

Alles begann mit dem Spreepark – natürlich. Da war Ciarán Fahey gerade ein halbes Jahr in Berlin. Als er das erste Mal von dem verlassenen Freizeitpark im Plänterwald hörte, wollte er sofort dahin. Die alten Karusselle, das heruntergekommene Gelände, die verlassenen Gebäude, die Erinnerungen an Glanz und Geschwindigkeit. Fahey wollte dahin, allein, nicht mit einer der geführten Touren. „Mir hat lange Zeit der Mut gefehlt, das Gelände zu betreten“, erinnert er sich. „Ich wusste nicht, ob und wie viele Sicherheitsbeamte den Ort vor unerwünschten Besuchern schützten. Aber letztlich wagte ich es doch.“

Das war 2009. Seitdem kann der Ire, der eigentlich als freier Sportjournalist arbeitet, nicht mehr damit aufhören. Er überwindet Absperrungen, verschließt die Augen vor den Betreten-verboten- Schildern der Stadt und des Umlands. Er sucht gezielt nach verlassenen Orten, die für die Öffentlichkeit normalerweise unzugänglich bleiben. Fahey fotografiert sie, beschreibt die Atmosphäre und veröffentlich alles zusammen auf seinem Blog „Abandoned Berlin“ – verlassenes Berlin. Die britische Tageszeitung The Guardian hat seinen Blog gerade zu einem der besten der Welt gekürt - als einzigen in Deutschland.

Die heruntergekommenen Heilstätten Beelitz und Grabowsee, der Güterbahnhof Pankow, die ehemalige russische Kaserne in Bernau: Die Gebäude, die Ciarán Fahey betritt, sind meist baufällig. Seit Jahren wurden sie nicht mehr saniert, fallen langsam oder schnell in sich zusammen, die Natur holt sie sich zurück. Einige der Häuser sind noch Zeugnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus, andere haben eine DDR-Vergangenheit, manche sogar beides. In jedem Fall erzählen sie eine Geschichte. „Diese Gebäude konservieren die Zeit“, sagt Fahey. „Man hat das Gefühl, die Vergangenheit erleben zu können, ganz anders als im Museum.“

Rund 30 verlassene Orte in und um Berlin hat Fahey bereits besucht

Beim ersten Besuch im Spreepark gruselte er sich noch ein wenig, vor allem vor der Stille. Doch der Ort zeugte von vergangener Schönheit und früherer Lebhaftigkeit. Auf Faheys Ausflug in den ehemaligen Freizeitpark folgten Besuche der ehemaligen US-amerikanischen Abhöranlage auf dem Teufelsberg und des Olympischen Dorfs der Spiele von 1936 im Elstal. Rund 30 verlassene Orte in und um Berlin hat Fahey bereits besucht – natürlich immer mit der Kamera. „Am wichtigsten ist mir die Geschichte der Gebäude“, sagt der Ire. „Aber auch die moderne Street Art, die Besucher dort hinterlassen, gefällt mir sehr.“

Auf seinem Blog gibt es nicht nur die Fotos der vermeintlich unzugänglichen Sehenswürdigkeiten. Fahey veröffentlicht dort auch Anfahrtsbeschreibungen und Tipps, wie man am besten hineinkommt. „Der Spreepark – und wie man hineinkommt“, heißt ein Eintrag. Er ist sich durchaus bewusst, dass er andere dazu inspiriert, die Gelände ebenfalls zu besuchen. Schuldig fühlt er sich deswegen nicht. „Das liegt in der Verantwortung eines jeden“, sagt Fahey. „Jeder weiß, dass es ein Risiko gibt, von Sicherheitsbeamten erwischt zu werden.“ Und natürlich habe auch er häufig Angst, bei einem seiner Streifzüge ertappt zu werden. Bei einem seiner vielen Besuche im Spreepark ist er selbst von einem Sicherheitsbeamten beim Fotografieren erwischt worden. „Anfangs wirkte der sehr aggressiv, wollte, dass ich alle Bilder auf meiner Kamera lösche“, erinnert er sich. „Schließlich habe ich ihm 25 Euro gegeben und durfte sie doch behalten. Der Mann hat mir dafür sogar eine Quittung geschrieben.“ Fahey lacht. „Ich fand das sehr deutsch.“

Die Sicherheitsvorkehrungen sind mittlerweile an manchen Orten zu hoch

Viel gefährlicher als die Geldstrafen ist allerdings der Zustand der Gebäude. Immerhin gibt es einen Grund, warum die meisten Gelände abgesperrt sind. Viele Treppen sind nicht begehbar, Wände instabil, Dächer marode. Einmal, erzählt Fahey, sei das Dach in einem Nebenraum eingestürzt. Es passierte unmittelbar nachdem der Fotograf das Zimmer verlassen hatte. „Mit der Polizei kann man reden, mit einem Dach nicht“, sagt er lachend.

Einige Orte besucht er inzwischen nicht mehr, die Abhöranlage auf dem Teufelsberg zum Beispiel und zu seinem großen Bedauern auch den geliebten Spreepark. Die Sicherheitsvorkehrungen seien mittlerweile einfach zu hoch, sagt er. Dafür gibt es immer neue verlassene Gelände zu entdecken. Inzwischen erhält er regelmäßig Tipps von den Lesern seines Blogs, wo er noch einmal auf Entdeckungstour gehen könnte. „Ich habe eine lange Liste an Gebäuden, die ich noch besuchen will“, sagt er. „Aber es ist ein Lauf gegen die Zeit.“ Ein Lauf gegen Neuerungen und Veränderungen. „Häufig ist der größte Feind dieser Orte eine Neubebauung oder Sanierung der Gelände“, sagt Fahey. Das nehme ihnen den Charme, die Erinnerungen, die Geschichte.

Fahey denkt vor allem an das Tacheles, wenn er das sagt. „Ein gutes Beispiel für die Verwendung eines alten Gebäudes für moderne Zwecke“, sagt er. Bis 2012 wurde der vor dem Abriss bewahrte Teil des ehemaligen Kaufhauses Wertheim in Mitte als Kunstzentrum genutzt. Dann wurde es geräumt, seither ist nichts passiert, das Gebäude soll verkauft werden. „Mit der Schließung des Tacheles hat Berlin eine große Chance vertan“, sagt Fahey. Vielleicht geht er ja bald noch mal hin, ein paar Fotos machen.

Den Fahey-Blog findet man unter www.abandonedberlin.com

Die interaktive Weltkarte des Guardian finden Sie hier.

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