Rechtsextremismus in Cottbus: „Die Stadt muss mehr tun“
Jörg Steinbach, Präsident der BTU Cottbus, über die Probleme in der Lausitz - und zur Frage, ob die Situation in der Stadt sich auf die Suche nach neuen Professoren und Studierenden auswirkt.
Herr Steinbach, in Cottbus gehen Rechte massiv gegen Flüchtlinge auf die Straße. Es häufen sich insgesamt Auseinandersetzungen zwischen Rechten, Jugendlichen und Flüchtlingen. Wie nehmen Sie die Lage in der Stadt wahr?
Ehrlich gesagt: Die Lage ist harmloser als sie dargestellt wird. Klar, es gibt die Demonstrationen gegen Flüchtlinge, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber ich bin überzeugt: Die Mehrheit der Cottbuser denkt anders. Dennoch bin ich ärgerlich. Wir stehen in der Lausitz vor der riesigen Aufgabe, den Transformationsprozess weg von der Braunkohle zu bewältigen.
Dafür brauchen wir neue Fachkräfte, die Uni muss neue Professoren berufen, mehr Studierende anwerben. Für diesen Prozess sind diese Aktionen völlig kontraproduktiv. Die Stadt bekommt einen Stempel aufgedrückt, den sie nicht verdient.
Davon, dass die Mehrheit anders denkt, bekommt man allerdings nicht viel mit.
Natürlich gibt es viele Bürger mit Sorgen. Und es gibt eine hohe Politikverdrossenheit in der Region, das äußert sich auch in einem Wahlergebnis für die AfD, das über zwanzig Prozent liegt. Das hat aber auch viel damit zu tun, dass die Leute unzufrieden sind, wie der Transformationsprozess in der Region bisher bewältigt worden ist, und nicht unbedingt mit Fremdenfeindlichkeit.
An der BTU studiert auch der Regionalchef der rechtsextremen "Identitären Bewegung". Wie geht die Uni mit solchen Fällen um?
Solange er die Universität nicht als Forum für seine Ideologien nutzt, ist er nur ein normaler Student, der bei uns eingeschrieben ist.
Bemerken Sie, dass sich die Situation in der Stadt schon auf die BTU auswirkt?
Gott sei Dank noch nicht. Ich habe gerade erst in der vergangenen Woche zwei Neuberufungen von Professoren erfolgreich abgeschlossen, da hat das Thema überhaupt keine Rolle gespielt. 25 Prozent unserer Studierenden kommen aus dem Ausland, die fühlen sich bei uns sehr wohl. Deren Zahl nimmt sogar noch weiter zu.
Nun hat die German University in Cairo (GUC) ihre Austauschstudierenden doch aber schon im Sommer aus Cottbus nach Berlin abgezogen – nachdem eine Kommilitonin überfahren wurde und dabei auch noch fremdenfeindlich beschimpft worden sein soll.
Können Sie ausländischen Studierenden da tatsächlich guten Gewissens empfehlen, nach Cottbus zu kommen?
Also erst mal: Die Beschimpfungen sind nie bewiesen worden. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr am Ende festgestellt, dass der Tod der Studentin, so schrecklich er war, nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun hatte. Ich habe das Verhalten der GUC damals kritisiert, das Thema wurde meiner Ansicht nach politisch hochgespielt. Wie gesagt: Unsere ausländischen Studierenden fühlen sich wohl, und wir tun alles, damit sich das nicht ändert.
Die BTU muss ohnehin um jeden Studierenden kämpfen. 35 Prozent kommen bisher aus den westlichen Bundesländern. Befürchten Sie, dass diese abgeschreckt werden könnten?
Bisher gibt es dafür keine Anzeichen. Aber auch hier gilt: Wehret den Anfängen.
Was kann die Universität ihrer Meinung nach machen?
Wir sind dabei zu überlegen, wie wir Kräfte bündeln können. Herr Wollitz, der Trainer von Energie Cottbus, hat das Problem, wie er vor dem Hintergrund der Vorfälle neue Spieler verpflichten kann. Vielleicht können Uni und Verein hier zusammenarbeiten und neue Formate finden. Aber: Die Universität ist auch nur ein Faktor in der Stadt. Sicher muss die Stadt selber auch mehr tun. Die Äußerungen des Oberbürgermeisters vor dem Innenausschuss, waren dabei nicht alle wirklich hilfreich.
Was könnten denn neue Formate im Kampf gegen Rechtsextremismus sein? Sie haben ja zum Beispiel gesagt, dass Gegendemonstrationen allein nicht helfen würden.
Ich habe jetzt auch keinen Bauchladen mit Maßnahmen parat. Schließlich ist es meine Aufgabe, eine Universität zu leiten, und nicht, eine Imagekampagne für die Stadt zu konzipieren. Was mir wichtig ist: In Cottbus kommen auf hundert Menschen vier Ausländer. In anderen Städten geht es um viel höhere Relationen. Es ist also ungerecht, das Thema Flüchtlinge in dieser Art und Weise überzubewerten. Wir sollten hier die Kirche mal im Dorf lassen.
Sie haben sich immer zivilgesellschaftlich engagiert. Welche Reaktionen bekommen Sie darauf?
Aus der eigenen Universität bekomme ich sehr viel Unterstützung. Etwa in E-Mails, in denen ich von Uniangehörigen gefragt werde, wie sie mir helfen können. Wenn es Anfeindungen gibt, dann über die sozialen Medien, wo sich dieser Teil der Bevölkerung organisiert. Das muss man dann einfach aushalten.