Harald Juhnke: Die Spuren des Entertainers verblassen im Stadtbild
Seine Villa ist abgerissen, eine Straße will niemand nach ihm benennen: Was erinnert in Berlin heute noch an Harald Juhnke? Nicht mehr viel. Aber am Zoo könnte demnächst wieder das legendäre Plakat mit der Ente hängen.
Steine, denkt man, halten ewig. Wie trügerisch. Wo noch vor kurzem Harald Juhnkes weißverputzte DreißigerJahre-Villa stand, an der Koenigsallee, Ecke Lassenstraße in Grunewald, gähnt nun ein großer Krater: abgerissen, entsorgt, das geht schnell. Vor fünf Jahren wurde die Villa beim Bau eines Tunnels stark beschädigt, es kam zu Erdrutschen, es war wohl nichts mehr zu retten. Jetzt hat sich der Eigentümer, Rechtsanwalt Wolf-Rüdiger Bub aus München, für ein Ende mit Schrecken entschieden. Neubau ist günstiger als Sanierung.
Harald Juhnke hat in dem Haus von 1984 bis 201 gelebt, dann ging es nicht mehr. Er musste ins Pflegeheim, 2005 verstarb er im Krankenhaus von Rüdersdorf bei Berlin. Seine Villa war vielen Fans und Autogrammjägern wohlvertraut, sie soll Teil der Taxiprüfung gewesen sein. Mit ihrem Abriss verschwindet ein weiteres Stück der Erinnerung an einen legendären Theater- und Filmschauspieler, der für die Deutschen jahrzehntelang wie wohl kein anderer den typischen Berliner verkörpert hat: ab 1979 als Moderator von „Musik ist Trumpf“, als Trödelhändler Ottmar Kinkel in „Drei Damen von Grill“ oder, in den neunziger Jahren, als Darsteller in Filmen wie „Schtonk!“ und „Der Trinker“. Das war dann schon selbstreferenziell. Juhnke schaffte es lange, Alkoholexzesse und Karriere in prekärer Balance zu halten. Seine Abstürze wurden sogar Teil der Marke Juhnke, die Leute wollten wissen, ob er tatsächlich auf den Brettern stehen würde. Am Ende jedoch neigte sich die Waage, der Alkohol war stärker.
Was erinnert heute, sieben Jahre nach seinem Tod, noch an einen der bekanntesten Söhne Berlins? Eine der bekanntesten Stätten, die mit Juhnke in Verbindung gebracht wird, ist seit 2009 verschwunden: das legendäre Plakat, mit dem er an der Budapester Straße Werbung für das China-Restaurant Tai Tung machte, im gelben Pullunder, die kross gebrannte Pekingente vor sich. Das Bild sieht aus, als sei es ein Schnappschuss, aber es wurde zu einer Ikone. Tausende Passanten sahen es jeden Tag. Dass es, genau wie das Restaurant, weichen musste, ist ein Kollateralschaden der Radikalmodernisierung des Bikinihauses.
Viel Westberliner Geschichte ist an dieser Stelle entsorgt worden. Das Tai Tung war das älteste China-Restaurant der Stadt, eröffnet 1957 von Yunlay Hsiao, der 1937 nach Berlin gekommen war. Seine Tochter Susanne war Harald Juhnkes Ehefrau, die beiden heirateten 1971, noch immer lebt Susanne Juhnke in der Nähe der jetzt abgerissenen Villa in Grunewald. „Wir wollten das Restaurant eigentlich an anderer Stelle wiedereröffnen, aber daraus ist leider nichts geworden“, sagt Tien-Wen Hsiao, heute 65. Er hatte die Leitung des Restaurants 1974 von seinem Vater übernommen, ist also Juhnkes Schwager. Die Webseite des Tai Tung lässt er noch online, „aus historischen Gründen“, wie er sagt.
Nicht mehr viel, keine Straße und kein Platz, erinnert an Juhnke. Auch nicht in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo er 1929 geboren wurde und wo seine Villa gestanden hat. „Um eine Umbenennung zu starten, müssen sich Bürger oder Initiativen an die BVV wenden“, sagt Stadtrat Marc Schulte. „Das ist aber bisher nicht geschehen.“ Ohnehin sind die Hürden für Umbenennungen sehr hoch, zum Beispiel muss eine Person sich besonders um die Demokratie verdient gemacht haben. Auch vergibt Charlottenburg-Wilmersdorf, so wie andere Bezirke, zur Zeit fast nur Frauennamen. Bei Juhnke kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu: „Trotz aller Leistung wird er eben doch auch mit den negativen Folgen des Alkoholismus in Verbindung gebracht“, sagt Schulte.
Was bleibt also noch? Das Ehrengrab in Dahlem, eine Gedenktafel am Elternhaus in Gesundbrunnen und ein Gedenkstein in der Fordoner Straße, ebenfalls in Gesundbrunnen, entworfen 2005 von der Bildhauerin Eike Stielow und überarbeitet von Juhnkes Jugendfreund Joachim Brunken. Und eine zweifelhafte Ehrung auf Facebook, wo ein Scherzkeks ein Profil unter Juhnkes Namen angelegt hat und ihn seinen Fans unter anderem ein „gutes, gesundes, erfolgreiches 2012“ wünschen lässt. Tien-Wen Hsiao, der Schwager, hat das Plakat mit Harald Juhnke und der Pekingente noch immer in seinem Besitz. Er würde es gerne wieder in der Vitrine an der Budapester Straße sehen. „Vielleicht können sich die neuen Eigentümer des Bikinihauses mit dieser Idee anfreunden.“ Die Rückkehr der Pekingente – das wäre wahrscheinlich ein schöneres Denkmal für Harald Juhnke als jeder Straßenname.