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In der Silbersteinstraße in Neukölln ist die Feinstaubbelastung im Stadtgebiet am höchsten.
© dpa

Luftverschmutzung in Berlin: Die Silbersteinstraße hat die höchste Feinstaubbelastung Deutschlands

Nirgends ist die Luft so dreckig wie in der Verkehrsader in Neukölln. Für die Luftverschmutzung gibt es verschiedene Gründe. Ein Besuch.

Herrmannstraße Ecke Silberstein: die Autos rauschen vorbei, die Häuserfassaden sind schmutzig und das Atmen fällt Asthmatikern schon nach einigen Minuten schwerer. Hier ist er also, der Feinstaub-Hotspot Deutschlands, und auch die Anwohner merken das. Volker Kaufholz ist Briefträger im Kiez und den ganzen Tag unterwegs, draußen an der „frischen“ Luft. Und abends merke der 43-Jährige das dann auch an seiner Stimme, erzählt er. Husten müsse er öfters mal, schwereres Atmen sei auch ein Problem.

Den Feinstaub in der Straße sieht man zwar nicht, aber er macht sich gesundheitlich bemerkbar. Denn die Partikel sind nur zwischen 1 und 10 Mikrometern groß und schweben als unsichtbare Teilchen in der Luft. So können sie in Lungenbläschen und teilweise sogar in Blutpartikel eindringen – und erheblichen Schaden anrichten. Setzen sich die Staubkörner in den Bronchien fest, ziehen sich die Atemwege zusammen. Ein gesunder Mensch kann das ausgleichen, Asthmatiker können dadurch kurzatmig werden.

Die Luft steht bei bewölktem Wetter

Feinstaub kann auf natürliche Weise entstehen, wird innerstädtisch aber meist durch Verbrennungen oder Reifenabrieb verursacht. Ein Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter sollte pro Jahr an nicht mehr als 35 Tagen überschritten werden. In der Silbersteinstraße wurde dieser Wert 2018 bereits 32 Mal gemessen und das obwohl der Sommer kaum vorbei ist. Jetzt, da häufig bewölktes Wetter wieder auf dem Plan steht, steht auch die Luft. Durch Inversionswetterlagen ist der Luftaustausch eingeschränkt, so reichern sich Feinstaubpartikel aus Verkehr und Heizungen auf Atemhöhe an.

Britta Voigt und Elke Ceylan, beide 54, berichten, dass diese Ecke in Berlin schon immer viel befahren und dadurch belastet sei. Seit es das Klinikum Neukölln im nahegelegenen Mariendorfer Weg nicht mehr gibt, habe sich die Situation zwar gebessert, viel Verkehr herrsche aber immer noch. Lkw hätten beispielsweise ein Fahrverbot erhalten, daran hielten sich aber nicht alle. Auch aus den Häusern komme Dreck, meinen die beiden: „Viele der Anwohner hier heizen noch mit einem Holz-Kohle-Ofen.“ Britta Voigt sagt, sie bemerkt die hohe Feinstaubbelastung auch daran, dass sie ihre Brille mehrmals am Tag von feinem Staub befreien muss.

Viel Feinstaub kommt durch Ostwind

Auch Briefträger Volker Kaufholz kennt dieses Problem. Das Heizen könne man den Leute deswegen ja aber nicht verbieten. Lieber sollte es stadtweit Förderungen für Privathaushalte und Mietshäuser geben, damit leichter auf Zentralheizung umgestiegen werden könne. Von kurzstreckigen Fahrverboten, gerade für Diesel-Fahrzeuge, hält er ebenfalls nicht viel. Die Luft bewege sich doch, meint Kaufholz. Aussagen wie „ab hier ist die Luft rein“ könne man nicht treffen.

Feinstaub greift Lunge, Atemwege und Herz-Kreislaufsystem an und gilt als krebserregend.
Feinstaub greift Lunge, Atemwege und Herz-Kreislaufsystem an und gilt als krebserregend.
© Ella Simon

Viel vom Feinstaub in Berlin kommt, laut einem RBB-Bericht in der vergangenen Woche, auch durch Ostwind aus Polen und Tschechien herüber. Die nahe Autobahn und die angrenzende Hermannstraße seien ein weiterer Grund für die starke Feinstaub-Belastung, erinnert Nasser Behnejad, der in der Apotheker an der Ecke zur Hermannstraße arbeitet. Als Passant bemerke man die Luft-Veränderungen oftmals nicht direkt, habe sich vielleicht sogar daran gewöhnt, sagt der 62-Jährige. Das ändere aber nichts daran, dass die Partikel gefährlich sein könnten.

Es wird mühsam, Luft zu holen

Alle drei der größten Feinstaub-Hotspots Deutschlands liegen 2018 in Berlin (siehe unten). Werden die von der Europäischen Komission vorgegebenen Werte dieses Jahr überschritten, muss Berlin einen neuen Luftreinhalteplan ausarbeiten.

Nach kurzer Zeit in der Silbersteinstraße können Besucher mitunter am eigenen Leib spüren, wovon die Anwohner sprechen – für empfindliche Menschen wird es deutlich mühsamer Luft zu holen. Auch Volker Kaufholz, der Kiez-Briefträger, inzwischen auf der anderen Straßenseite unterwegs, verschnauft für einen Moment. Er steigt vom Fahrrad ab und putzt seine Brille.

Dicke Luft - Die Straßen mit dem meisten Feinstaub

Drei Berliner Straßen führen die bundesweite Liste der mit Feinstaub belasteten Verkehrsadern an: Die Neuköllner Silbersteinstraße (32 Tage in diesem Jahr mit Feinstaubbelastung über 50 µg/m³) , die Frankfurter Allee (28 Tage) und die Karl-Marx-Straße (26 Tage). Das ergab kürzlich eine vom RBB durchgeführte Auswertung der Daten des Umweltbundesamtes. Danach folgen Straßen in anderen Bundesländern – und auf Platz 10 dann noch die Nansenstraße in Neukölln (19 Tage). lvt

Ella Simon

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