Schuluntersuchung in Berlin: Die schlechteste Kita ist besser als keine
Der Einschulungsbericht der Gesundheitsverwaltung zeigt erneut: Bildungschancen hängen von der sozialen Herkunft ab. Kitas haben eine zentrale Rolle.
Kann das Kind einen Menschen malen, oder krakelt es nur einen Kringel mit Ausläufern? Kann es womöglich nicht mal einen Stift halten? Kennt es Rot, Grün, Blau? Und wie viele Äpfel sind das da auf dem Tisch?
Wie gut ein Kind bei der Einschulungsuntersuchung abschneidet, hängt immer noch sehr stark davon ab, aus welcher sozialen Schicht es stammt. Der neue Einschulungsbericht der Gesundheitsverwaltung zeigt zwar eine allgemein günstige Tendenz – Berlins Kinder sind also insgesamt in einem besseren Gesundheitszustand als im Jahr 2005, und sie schneiden auch bei den für die Einschulung relevanten Tests besser ab. An dem grundlegenden Problem ändert das jedoch nichts. Seit 2005 werden die Daten nach einem einheitlichen Schema erhoben, um Vergleichbarkeit herzustellen und Entwicklungen zu erkennen.
Weniger Alleinerziehende, weniger Raucherhaushalte
Nach dem neuen Bericht wächst die Mehrzahl der Berliner Kinder in einem Haushalt mit beiden Elternteilen auf; der Anteil der Alleinerziehenden ist von einem Drittel auf ein Viertel zurückgegangen. Es gibt mehr Nichtraucherhaushalte – 65,9 Prozent im Jahr 2014 statt 52,7 Prozent im Jahr 2005 – und auch das allgemeine Gesundheitsbewusstsein ist gestiegen. Seit Einführung des „verbindlichen Einladungswesens“ zu den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt ist die Zahl der Kinder, die lückenlos die U 1 bis U 8 absolvieren, auf 85,4 Prozent gestiegen. Es sind 91 Prozent der Kinder gegen Masern, Röteln und Mumps geimpft – eine Steigerung für Berlin, aber immer noch unter dem Ziel der Weltgesundheitsorganisation, das bei 95 Prozent liegt.
Verlässt man die allgemeine Ebene und schaut sich Berlins Landkarte an, so zeigt sich, dass die Gebiete Gesundbrunnen, Wedding, Kreuzberg Nord und Neukölln am schlechtesten abschneiden. Hier gibt es viele Kinder nichtdeutscher Herkunft, viele soziale Probleme und die meisten Kinder mit Auffälligkeiten.
Die Probleme ballen sich in den unteren Schichten
Kinder türkischer oder arabischer Herkunft entstammen besonders oft einer niedrigen sozialen Schicht; bestimmte Probleme treten dort gehäuft auf. Vereinfacht gesagt: Wer viel fernsieht oder am Computer spielt, bewegt sich weniger, hat öfter motorische Störungen und Übergewicht sowie schlechte Zähne vom Naschen. So hatten zum Beispiel fast alle Kinder – 96,9 Prozent – aus der oberen Statusgruppe gute Zähne, während es in der unteren Statusgruppe nicht einmal 70 Prozent waren.
Die Zahl übergewichtiger Kinder ist leicht zurückgegangen – 9,1 Prozent waren 2014 übergewichtig oder sogar fettleibig, 2005 waren dies noch 11,9 Prozent. Am häufigsten sind Kinder türkischer Herkunft mit 20,1 Prozent betroffen. Die Zahl der Kinder mit eigenem Fernseher im Zimmer hat sich von 2005 bis 2014 nahezu halbiert – von 18,2 Prozent auf 9,6 Prozent. Es wird jedoch nicht aufgeschlüsselt, ob die Fernseher durch andere Geräte wie zum Beispiel Spielkonsolen ersetzt wurden.
Die Kita ist für benachteiligte Kinder die Rettung
Als Rettung und Chance erweist sich in allen Tabellen die Kita, besonders für Kinder aus sozial schwachen Familien. Nach zweijährigem Kitabesuch sind Defizite bei der Körperkoordination, Visuomotorik („Auge-Hand-Koordination“) und visueller Wahrnehmung zum Teil ausgeglichen, und Sprachdefizite verschwinden fast völlig, wenn die Kitazeit lang genug ist. Der Anteil von Kindern mit Sprachdefiziten steigt seit 2011 wieder und lag 2014 bei 25,2 Prozent. Am höchsten ist er in Neukölln mit 43,7 Prozent. Dort leben auch die kinderreichsten Familien.
Von den Kindern mit Migrationshintergrund, die keine Kita besucht haben, sprechen 70,9 Prozent nicht oder kaum Deutsch. Sie kommen dann praktisch ohne Sprachkenntnisse in die Grundschule. Das soll sich aber künftig ändern, da nach dem neuen Schulgesetz für solche Kinder ein 18-monatiger Kitabesuch Pflicht wird. Dagegen haben über drei Viertel der Kinder mit Migrationshintergrund und mehr als zwei Jahren Kitabesuch gute oder sehr gute Deutschkenntnisse. Die grüne Bildungspolitikerin Stefanie Remlinger forderte eine Stärkung der Grundschulen. Diesen würde abverlangt, benachteiligte Kinder stärker zu fördern, ohne dass ihnen dazu auch die Mittel gegeben würden.
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