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Willkommen am Anleger. Die Mitgliederzahlen im Idyll steigen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Ruderer in Berlin-Spandau: Die schlagkräftige Truppe von der Havel

Viele Kids, viele Topleute: Besuch bei der Ruder Union Arkona - Platz 3 bei der Tagesspiegel-Sportlerwahl in Spandau.

Willy Kantel ist Mitte 30, bemerkenswert schlank und liegt jetzt einfach nur da, regungslos. Thomas Osterroth klopft gegen ihn, keine Reaktion. Er drückt seinen Fingen gegen ihn, interessiert Willy Kantel gar nicht. Schließlich streichelt Osterroth ihn, fährt mit den Fingern an ihm entlang und sagt dann fast liebevoll: „Er war am Wochenende im Einsatz.“

Kantel war in der Mecklenburger Seenplatte, stundenlang hat er sich dort gemächlich übers Wasser bewegt. Jetzt liegt er in der Bootshalle der Ruder-Union Arkona Berlin 1879, aufgebockt auf zwei Stützen, die Rollsitze ausgebaut. Und am Bug des Vierers steht in schwarzen Buchstaben „WILLY KANTEL“. Kantel, sagt Arkona-Geschäftsführer Osterroth und drückt wieder gegen das Holz, „war ein langjähriges Mitglied unseres Vereins, nach ihm wurde das Boot benannt“.

So haben die Tagesspiegel-Leser abgestimmt

In der Halle sind weitere Boote aufgebockt, Riemen, die Ruder der Boote, hängen von der Decke, es riecht nach Farbe. „Willy Kantel“ ist eines der 78 Boote des Vereins. Arkona hat sogar fünf Achter, aber für solche Großboote ist die Halle hier zu klein. Kein Problem, Arkona hat noch drei weitere Hallen.

Ein paar Meter weiter, hinter der großen Wiese mit den mächtigen Bäumen, führt ein Steg in die Scharfe Lanke, die Wellen der Havel schwappen gegen das Ufer. Das Vereinsgelände von Arkona in Spandau liegt eingebettet zwischen anderen Ruderklubs, eine ruhige, idyllische Gegend, vorne eine Seitenstraße, hinten die beschauliche Ruhe der Havel.

Das atmosphärische Herz von Arkona erreicht man über eine Treppe des Haupthauses, sie führt ins Vereinsheim mit seinem riesigen Saal, wo die Theke in Form eines schlanken Boots konstruiert ist und auf dem Klavier eine Blumenvase in Bootsform steht. „Wir haben Platz für 140 Personen“, sagt Osterroth.

Der Ruderklub Ruder-Union Arkona Berlin - 1879 - e.V. Scharfe Lanke 71 in Berlin-Spandau, aufgenommen am 18. September 2017. Im Bild (von links nach rechts): Thomas Osteroth, Sebastian Rudolph, Alexander Teichmann und Sebastian Müller.
Der Ruderklub Ruder-Union Arkona Berlin - 1879 - e.V. Scharfe Lanke 71 in Berlin-Spandau, aufgenommen am 18. September 2017. Im Bild (von links nach rechts): Thomas Osteroth, Sebastian Rudolph, Alexander Teichmann und Sebastian Müller.
© Kitty Kleist-Heinrich
Der Ruderklub Ruder-Union Arkona Berlin - 1879 - e.V. Scharfe Lanke 71 in Berlin-Spandau,.
Der Ruderklub Ruder-Union Arkona Berlin - 1879 - e.V. Scharfe Lanke 71 in Berlin-Spandau,.
© Kitty Kleist-Heinrich
Und wenn's draußen nass ist, geht's hier weiter.
Und wenn's draußen nass ist, geht's hier weiter.
© Kitty Kleist-Heinrich

Der Geschäftsführer ist ein Mann mit eckiger Brille, der erst mit Mitte 50 zum Rudern gekommen ist und alle Zahlen parat hat. 340 Mitglieder hat Arkona, 67 davon sind Kinder und Jugendliche, der Altersschnitt der Mitglieder liegt bei 44 Jahren. Aber das ist erst mal nur Statistik, um die Bedeutung dieser Zahlen verstehen zu können, muss man andere kennen. Also sagt Osterroth: „2005 hatten wir noch 250 Mitglieder, davon waren zehn Prozent Kinder und Jugendliche, der Altersschnitt lag bei 52 Jahren.“

Immer mehr junge Leute - und viele Top-Sportler

Arkona hat einen Aufschwung erlebt. „Uns ist wichtig, dass die Eltern untereinander sagen, dass hier zum Beispiel eine gute Jugendarbeit geleistet wird“, sagt Sebastian Rudolph. Er sitzt neben dem Geschäftsführer, in einem Pullover mit Arkona-Emblem. Das ist quasi Pflicht, er ist schließlich der Vorsitzende des Vereins. Arkona hat eine Kooperation mit fünf Schulen, seit 2005 haben 163 Schüler neben dem Sportunterricht zwei Stunden wöchentlich Rudern gelernt. 67 dieser Schüler sind später Mitglied geworden.

Anfänger erhalten einen Schnupperkurs, sie steigen mit erfahrenen Trainern ins Boot, sie können testen, ob ihnen der Sport gefällt. Mitglied müssen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sein. Wer keine Lust mehr, geht einfach. Die anderen lernen weiter in einem Fortgeschrittenenkurs, sie steigen anschließend in ein Mannschaftsboot um.

Darum geht’s ja auch. Um Teamgeist, um gemeinsames Vereinsleben. Der Mittwoch hat sich als Zeitpunkt des größten Mitgliedertreffs entwickelt, am Wochenende fahren die meisten Boote raus. Die Tour zum Breiten Horn, elf Kilometer lang, dauert rund eine Stunde; der Trip nach Potsdam, 40 Kilometer, mehrere Stunden. Fünf Mal im Jahr bietet der Verein Mondschein-Rudern an, die Sterne leuchten dann am Himmel, das Lichtermeer am Ufer begleitet die Boote, und Rudolph bekommt glänzende Augen, wenn er an die Stunden denkt, an denen die Positionslampe an seinem Boot strahlt: „Nachts zu rudern ist ein Traum.“

Nachtrudern bieten auch andere Vereine, aber einen Kraftraum wie Arkona haben nur wenige. Neun Ergometer stehen an einer Fensterfront, dazu sechs Fahrräder und Kraftmaschinen. Eine Gymnastikfläche passt auch noch rein.

Neben dem Kraftraum liegt der Jugendraum des Klubs. Viele haben breite Schultern, sind hochgewachsen, aber für die Topleistungen sind andere zuständig. Vier Mitglieder verschiedener Nationalkader hat Arkona, Nora Peuser wurde im Mai mit dem Juniorinnen-Doppel-Vierer Europameisterin. Und der Achter von Arkona belegte 2017 in der Ruder-Bundesliga am Ende den zweiten Platz.

In diesem Boot saß auch Torsten Gerlach. Man sieht ihn auf einem Flachbildschirm im Vereinssaal, Videos vom letzten Bundesliga-Rennen an der Oberbaumbrücke laufen über den Bildschirm. Irgendwann hält Gerlach seine Medaille in die Kamera. Sein Sohn ist nur Zentimeter neben ihm, hat das Arkona-Emblem auf seinem Pullover, aber die Plakette beeindruckt ihn wenig. Noah blickt gelangweilt zur Seite. Aber man muss das verstehen, er findet das, was er gerade im Mund hat, spannender. Noah, zwei Monate alt, nuckelt am Schnuller.

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Dieser Text erschien auf einer Sonderseite im Tagesspiegel, auf der die drei beliebtesten Sportvereine des Bezirks vorgestellt wurden. Abgestimmt hatten die Leserinnen und Leser der Tagesspiegel-Newsletter. Die Kür fand im Rathaus Spandau statt mit Bürgermeister Helmut Kleebank.

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