Luisenstädtischer Kanal: Die Rekonstruktion des Engelbeckens ist vollendet
Die Parkanlage rund um das Engelbecken in Mitte wurde saniert. Das Gelände ist ein Zeitzeuge der Berliner Geschichte von seiner Eröffnung 1852 bis heute.
Was waren das für Zeiten. Da wollte der Mann sich also das Leben nehmen, völlig verzweifelt, und sprang kopfüber in den Luisenstädtischen Kanal. Allein: Die dicke Schicht aus Schlamm, Dreck und Modder am Boden stoppte ihn sanft ab, und so bekam er eine zweite Lebenschance. Eine Geschichte aus den frühen Jahren des Kiezes am Engelbecken, Pfarrer Klaus Duntze vom Bürgerverein Luisenstadt kennt viele von ihnen und hat sie im Buch „Der Luisenstädtische Kanal“ zusammengetragen. Am Freitag wurde das im Berlin Story Verlag erschienene dicke Werk (24,80 Euro) vorgestellt – und zugleich ein Kapitel der 20 Jahre währenden gartendenkmalpflegerischen Arbeiten am Engelbecken zugeschlagen – vorerst.
Der in Mitte gelegene Abschnitt des insgesamt zwei Kilometer langen früheren Verbindungskanals zwischen Landwehrkanal und Spree ist jetzt nach historischem Vorbild wiederhergestellt. Fünf Millionen Euro sind dafür in drei Bauabschnitten von Bund, Senat, Bezirk und aus privaten Taschen geflossen. Zwei Jahrzehnte lang kooperierten Bürgerinitiative, Bezirk und Land sowie beteiligte Firmen, das sei in Berlin einzigartig, freute sich Klaus-Henning von Krosigk, stellvertretender Landeskonservator. Jetzt ist auch das Café am Engelbecken im alten Wasserschloss innen vergrößert und modernisiert. Graffiti an den alten Kanalmauern sind – für dieses Mal – beseitigt, und über allem leuchtet der Engel der St.-Michael-Kirche wieder des Nachts, den Strom bezahlen die 80 Mitglieder des Bürgervereins aus eigener Tasche. Im Wasserbecken sprudeln schon die Belüftungsspringbrunnen, und wenn das Schilf höher wächst, sollen alle Frösche, Fische, Reiher, Enten, Blesshühner, Schwäne und sogar Schildkröten wieder ihr Biotop an der Grenze zum Kreuzberg Kiez SO 36 besiedeln. Waldpflanzengarten, Rosengarten, Blütensträuchergarten laden zum Verweilen, darüber freut sich Mittes Stadtrat Ephraim Gothe. All das wurde nach historischem Vorbild des Berliner Stadtgartendirektors Erwin Barth wieder ausgegraben, repariert, neu angelegt.
Vor 20 Jahren stand dort, wo am Freitag Lotusblumen im Becken am Café nahe dem indischen Brunnen gepflanzt wurden, noch ein Grenzwachturm. Todesstreifen, Niemandsland. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlief hier schon die Sektorengrenze, Häuser waren weggebombt. Ab Ende der 20er Jahre erfreuten Schmuckwasserbecken, blühende Gärten, Spielplätze, Promenaden – diesem Vorbild des Stadtgartendirektors sind die heutigen Anlagen nachempfunden. Davor hatte sich in den Senken seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Luisenstädtische Kanal befunden – auf diesem Wasserlauf hatten platte Kaffenkähne das Material von der Spree zum Landwehrkanal für den Aufbau Berlins transportiert. Als Hommage an diese Zeit können Kinder auf einem maritimen Spielplatz an der Spree toben.
Jetzt nehmen die Planer erneut Kurs auf den Kreuzberger Kanalabschnitt. In der Senke befindet sich vielfach verwildertes Grün auf altem IBA-Gelände, das der Architekt Hinrich Baller prägte. In Kreuzberg 36 wird jetzt die Neugestaltung ab Wassertorplatz diskutiert – im „gallischen Dorf“, so Pfarrer Duntze, wolle man das neue alte schicke Grün nicht. Die Leute im Kiez dort befürchten, es könne die Mietpreise hochtreiben. Annette Kögel
Der Bürgerverein Luisenstadt sucht Mitstreiter und bietet Führungen: Tel. 279 54 08