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"Ein optimistischer Mensch" - so beschreibt der 47-jährige Ephraim Gothe, neuer Staatssekretär für Stadtentwicklung sich selbst.
© Thilo Rückeis

Staatssekretär Gothe: Die Problemkieze liegen ihm am Herzen

Ephraim Gothe ist neuer Staatssekretär für Stadtentwicklung. Doch der Abschied aus dem Bezirk fällt ihm nicht leicht.

Einer seiner größten Rückschläge hat Ephraim Gothe so dicht ans Zentrum der Macht befördert wie noch nie: vom Posten des langjährigen Baustadtrats in Mitte auf den des Staatssekretärs von Michael Müller, dem „Supersenator“ für Stadtentwicklung und Verkehr. Gefeiert hat Gothe den Aufstieg von der Bezirks- in die Landesliga der Politik aber nicht. Bis heute hat es der 47-Jährige nicht verwunden, dass er nach der Wahl seinen Schreibtisch im Bezirksamt räumen musste. Wer ist der Mann, der einen Aufstieg als Rückschlag bewertet?

Es entbehrt nicht einer gewissen – pardon – Naivität, wenn Gothe sagt: „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass jemand anderes diesen anstrengenden und zeitraubenden Job als Stadtrat machen will.“ Und so wie der Sozialdemokrat aus Prenzlauer Berg den Job ausfüllte, zog er zwangsläufig den Neid politischer Rivalen auf sich. Die CDU pochte denn auch nach der Wahl auf die Besetzung genau des Baustadtratpostens, und Gothe verlor ihn. Seine Stimme war bei allen Weichenstellungen im Zentrum Berlins deutlich vernehmbar gewesen: Ob Schloss, Regierungsviertel, Leipziger oder Alexanderplatz, ob bei den zahlreichen Richtfesten und Grundsteinlegungen oder auch beim endlosen Streit um den Mauerpark – dem Baustadtrat boten sich zahllose Gelegenheiten, Profil zu zeigen, und er nutzte sie.

Deshalb sprach es sich bald nach der Ernennung von Berlins SPD-Chef Müller zum Senator für Stadtentwicklung herum, dass er Gothe nach dessen Verdrängung aus dem Amt in Mitte nicht leer ausgehen lassen würde. Zumal sich die beiden kennen – und schätzen: Im Jahr 2000 gründeten sie das „Netzwerk 21“ der SPD. „Weil wir stadtübergreifend etwas tun wollten in der ansonsten meist bezirklich operierenden Partei“, sagt Gothe. Weil der SPD-Nachwuchs Teilhabe an der Macht beanspruchte, könnte man auch sagen. Die heutige Arbeitssenatorin Dilek Kolat gehörte dem Netzwerk an und auch Christian Gaebler, den Müller ebenfalls zum Staatssekretär ernannte. Frühe Weggefährten, deren Kompetenz in den jeweiligen Sachgebieten parteiübergreifend Anerkennung findet, mit dieser Auswahl punktet Müller.

Gothes erste Schritte als Staatssekretär am Tag der Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus wirken noch etwas angespannt, auch wenn ein Lächeln auf seinen Lippen liegt – wie fast immer. „Ein optimistischer Mensch“, antwortet er auf die Frage, wer er eigentlich sei. So wird man wohl, wenn man in einem sozialen Brennpunkt aufwächst – und einer von nur zweien ist, die es aus einer Klasse von über 20 Schülern bis zum Abitur schaffen. Sein bester Freund damals, Tamer Akaya, ist wieder in der Türkei. Ephraim Gothe war der einzige Deutsche in der Gruppe, zu der Griechen gehörten und auch Rita Loprete, die Italienerin, die sie alle anführte – und bei der Ephraim fernsah, wenn er es zu Hause nicht durfte.

Bei den Jusos habe er "das Intrigenspiel kennengelernt", sagt Gothe. Man sollte ihn nicht unterschätzen.

„Deshalb habe ich es als Zeichen angesehen, dass ich als Baustadtrat von Mitte für Stadtteile wie Moabit oder Wedding zuständig wurde“, sagt Gothe. Wegen seiner Kindheit im Brennpunkt hängt sein Herz an dieser Aufgabe, die „Zivilgesellschaft in Problemkiezen zu organisieren“.

Dabei stammt er selbst aus einer bürgerlichen Familie. Nur hatte der Vater, ein Architekt aus Lübeck, die Vorzüge des Wohnens in der Innenstadt schon entdeckt, als das Bürgertum noch das Eigenheim in der Vorstadt abzahlte. Die Gothes kauften stattdessen ein baufälliges Haus in der Lübecker Innenstadt, lange bevor dies in Mode kam – und so wuchsen die Kinder mitten im multikulturellen Kiez auf, nur dass damals niemand das vernachlässigte Quartier so nannte.

„Kooperativ, neugierig, kommunikativ und verlässlich“, so beschreibt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ihren künftigen Ressortkollegen. Am ersten Tag nach der Winterpause steckten die beiden im Parlament lange die Köpfe zusammen. Sie kennen sich aus Jurys und Jours fixes, wo sie Projekte in Mitte diskutierten. Lüscher hat ein Faible für Architektur, die nicht unbedingt in der Linie des „Steinernen Berlins“ ihres Amtsvorgängers Hans Stimmann liegt. Dagegen wurde der studierte Bauingenieur Gothe von den ästhetischen Imperativen Stimmanns, seines Vorgesetzten Anfang der 2000er Jahre, deutlich geprägt. Aber der Stratege versteht es, mögliche Konflikte gar nicht erst aufkochen zu lassen.

Und es ist schon verblüffend, wie der jugendlich Daherkommende auch scharfe Attacken pariert, mit geradezu entwaffnender Sachlichkeit. „Ich bin bei den Jusos groß geworden“, erklärt er seinen Gleichmut. Da habe er „das Intrigenspiel kennengelernt“, an dem er sich selbst nicht beteiligen will. Als Regattasegler habe er gelernt, Siege und Niederlagen nicht wichtiger zu nehmen als den Wettbewerb selbst. Bis auf Rang 33 der Bundesliga in der Laser-Klasse segelte er vor und bekam 1992 sogar Sonderurlaub des Senats, um an den Kieler Wochen teilnehmen zu können. Sportlich ist der passionierte Fahrradfahrer immer noch – freundlich und vertrauenserweckend, so dass er „am Zoll nie kontrolliert wird“, wie er selbst sagt.

Aber wehe dem, der ihn unterschätzt, so wie der frühere Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). Der wollte in Gothes Amtszeit Bauland in Mittes bester Lage an eine Unternehmerin vergeben, deren Investitionspläne eher undurchsichtig waren. Gothe konterte das Vorhaben durch die Streuung eigener Pläne für die Entwicklung der umkämpften Flächen. Für Firmen war darin Platz. Und für Wohnungen, einige davon sogar mit niedrigen Mieten, für Haushalte mit kleinen Einkommen eben. So verhinderte der Bezirksbaufürst den Durchmarsch des politischen Schwergewichts aus dem Senat: Wolfs Plan wurde aufgeschoben – und jetzt ist er abgewählt.

Ralf Schönball

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