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Auch Ermittler müssen üben: Polizisten untersuchen in Ruhleben den "Tatort" eines nachgestellten Terroranschlags.
© Foto Fabiana Zander

Anti-Terror-Übung in Berlin: Die Polizei lässt die Puppen sterben

Beamte üben die Tatortermittlung nach einem Massaker. Ein realistisches Szenario, sagt Innensenator Frank Henkel.

Zwei erschossene Polizisten, drei weitere zivile Opfer, von Projektilen aus Schnellfeuergewehren getötet, ein Attentäter mit Kopfschuss, ein weiterer tot in einem Auto: Es sind nur Puppen, die da auf dem Parkplatz des Polizeigeländes an der Charlottenburger Chaussee liegen, doch sie bieten einen unheimlichen Anblick.

Seit dem Mordanschlag auf Mitarbeiter der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar dieses Jahres in Paris braucht man auch hierzulande nicht mehr viel Fantasie, um sich Amokläufer mit Schnellfeuergewehren auf Berliner Straßen vorzustellen.

Für die Polizei war der Anschlag am Mittwoch Ausgangspunkt einer Übung in „Tatortarbeit“: Wie funktionieren Spurensicherung und Spurenanalyse? Wie arbeiten die Ermittler in den weißen Anzügen in Teams zusammen, wenn am Tatort ein Massaker stattgefunden hat – und wie lange dauert es, bis der Tatort komplett durchsucht ist?

Ziemlich lange, das zeigte die Übung – und womöglich kommen die Ermittler nach diesem Probelauf mit sieben theoretisch Toten zu der Überzeugung: zu lange. Die Szene in der Herbstsonne war polizeilich todernst gemeint, aber sie hatte eine komische Konnotation: Den meisten Beobachtern am Rand des Geschehens war gesagt worden, was die Ermittler von Team 1 beim Durchsuchen des Attentäter-Autos erst herausfinden sollten. In dem zerschossenen schwarzen Mercedes gab es Hinweise auf ein weiteres Killer-Kommando, Zeichen dafür, dass irgendwo in der Stadt jetzt und akut Männer mit Schnellfeuergewehren ein weiteres Massaker vorbereiteten. Diese Spuren galt es zu finden, zu erkennen – und schnell zu handeln.

Das Szenario: Schießerei auf einer Kreuzung

Ob das gelungen ist, blieb am Mittwoch offen. Erst mal schaute Innensenator Frank Henkel (CDU) bei der „Übung terroristische Anschlagslage“ vorbei, ließ sich vom Leiter informieren und bemerkte, dies sei für Berlin „ein realistisches Szenario“. Und die Sicherheitslage in der Stadt? Es gebe eine „abstrakt hohe Gefährdungslage“, so Henkel.

Die "Opfer" waren lediglich Puppen.
Die "Opfer" waren lediglich Puppen.
© Foto Fabiana Zander

Die Tatortermittler wirkten auf Henkel derweil „außerordentlich professionell“. Kurz vor halb zehn waren sie in ihre weißen Anzüge gestiegen. Polizeiliche „Schiedsrichter“ beobachteten jeden Handgriff, jeden Schritt – sie sollten die Abläufe später bewerten.

Vier Teams suchten den Schauplatz des Trainings-Massakers ab: eine fiktive Kreuzung, auf der zwei Männer in einem schwarzen Mercedes angehalten hatten, um auf Passanten zu feuern. Sie erschossen zwei andere Autofahrer und einen Fußgänger, als die zufällig vorbeikommende Besatzung eines Streifenwagens die Killer unter Feuer nahm. Mit Pistolen gegen Schnellfeuerwaffen – das bedeutete für beide Polizisten den Tod, doch starb auch einer der Attentäter durch einen Schuss ins Gesicht. Der zweite zog sich ins Auto zurück und brachte sich mit einer Handgranate um.

Gründliche Ermittlungen brauchen Zeit

Spuren sichern, mit Sprühfarbe einkreisen, Fotos machen, das Schnellfeuergewehr des toten Killers in eine Papiertüte packen, zum Asservatenzelt bringen, den Toten durchsuchen, seine Hände in Papiertüten stecken, um – jeder Krimiseher weiß es – Schmauchspuren zu sichern, den Toten hochnehmen und in einen weißen Leichensack packen, diesen dann auf ein von zwei Polizisten herabgerolltes, zweirädriges Gefährt legen, bereit für den Abtransport in die Gerichtsmedizin: Tatortarbeit dauert.

Erst eine Dreiviertelstunde später entdeckt einer der Ermittler im Handschuhfach der schwarzen Limousine sechs oder sieben Blätter – Karten und Bilder von Gebäuden. Er studiert die Papiere, murmelt etwas in sein Funkgerät und tütet die Papiere ein.

Hinweis bemerkt, Spur erkannt? Man weiß es nicht. Weitere polizeiliche Aktivitäten, die Suche nach Attentätern, würden woanders ablaufen, angestoßen vom Hinweis der Tatortarbeiter. Wenn es ihn gab. Nun sind die Schiedsrichter gefragt.

Fighting City in Ruhleben: Wo die Briten den Häuserkampf trainierten

In der "Fighting City" in Ruhleben übten einst britische Soldaten den Häuserkampf.
In der "Fighting City" in Ruhleben übten einst britische Soldaten den Häuserkampf.
© Tagesspiegel/Schilli

In Ruhleben hantiert die Polizei nicht nur mit Handgranaten, dort trainieren heute ganz regulär Elitepolizisten ihre Spezialeinsätze – in der „Fighting City“, wie die einstige Trainingskampfstadt der britischen Armee heißt. Diese geheimnisvolle und unbewohnte Stadt entstand in den 60er Jahren im Wald. Hier übten die britischen Soldaten den Häuserkampf, und zwar bis zum Abzug der West-Alliierten 1994. Nebenan, am Olympiastadion, befand sich schließlich das Hauptquartier der britischen Armee in West-Berlin.

Auch die US-Amerikaner hatte eine Trainingsstätte: die „Doughboy City“ an der Osdorfer Straße (Lichterfelde, an der Grenze zum brandenburgischen Teltow). Die US-Soldaten rissen ihre „Fighting City“ 1994 ab. Die Franzosen hatten einen Truppenübungsplatz – an der Düne in Heiligensee – , aber keine geheime Trainingsstadt.

Die DDR-Truppen übten in ihrer Kampfstadt in Lehnin (westlich von Potsdam) den Häuserkampf; in der NVA-Kaserne in Strausberg gab es sogar ein 12x12 Meter großes Modell West-Berlins, um die Eroberung der Stadt zu üben.

In den 90er Jahren war das Polizeiareal in Ruhleben mal als Standort für das Olympische Dorf im Gespräch – daraus wurde bekanntlich nichts. Und so nutzen bis heute Sicherheitsbehörden – und Feuerwehren oder Rettungshundestaffeln – das noch immer gut versteckte Viertel. Im Wald stehen meterhohe Zäune; die Flutlichtmasten sind allerdings nicht mehr in Betrieb. Die Schüsse der Polizisten hört man in der Nachbarschaft immer wieder.

Gut zu erkennen ist die Anlage auf Satellitenfotos. Es gibt eine Autobahnbrücke, eine Kirche (mit Kirchturmspitze), eine alte Telefonzelle, sogar eine ausrangierte U-Bahn der BVG steht einsam im Wald – auch deren Erstürmung will geübt sein. Die vielen Häuser, zwischen denen auch ein Polizeihubschrauber landen kann, haben allerdings keine Scheiben mehr. Bemerkenswert ist nicht nur der Supermarkt mit Tiefgarage, sondern auch eine detaillierte Tankstelle mit „Esso“-Logo und Zapfhähnen, aus denen nie Benzin floss.

Mehr Infos und Fotos finden Sie auch auf der Seite www.geschichtsspuren.de.

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