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Nur rund 50 stimmberechtigte Mitglieder stimmten am Samstag in Berlin über das Wahlprogramm ab. Sonntag geht es weiter. (Archivbild)
© Friso Gentsch dpa/lni

Wahl zum Abgeordnetenhaus: Die Piraten beschließen ihr Wahlprogramm

Die Piraten bleiben dabei: Transparenz ist ihr wichtigstes Thema. Außerdem: mehr Bürgerbeteiligungen. Dieses Wochenende beschließen sie ihr Wahlprogramm für Berlin - und wollen wieder nach vorne kommen.

Von Ronja Ringelstein

Mit einem Programm für ein "buntes, vielfältiges und kulturell starkes Berlin" wollen die Berliner Piraten in den Wahlkampf ziehen. Das beschlossen sie am Wochenende bei einer zweitägigen Mitgliederversammlung, an der sogar der Landesvorsitzende Bruno Kramm teilnehmen konnte. Er war von der Polizei nach seiner Festsetzung am Freitag wieder auf freien Fuß gelassen worden und konnte so mit seiner Partei das Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September beschließen. Die wichtigsten drei Themen seien Transparenz, ein bedingungsloses Grundeinkommen und die Eingliederung der Flüchtlinge. "Die vielen nach Berlin gekommenen Flüchtlinge sehen wir als Bereicherung", sagte Kramm. Ihnen müsse der Zugang zu Universitäten und Ausbildungsplätzen erleichtert werden.

Kramm ist seit Januar auch Spitzenkandidat der Partei. Er war am Freitag vor der Türkischen Botschaft von der Polizei kurzzeitig festgenommen worden, da er das "Schmähgedicht" des Satirikers Jan Böhmermann über den Türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan analysierte und hierfür teilweise zitierte. Er habe damit gegen Versammlungsauflagen verstoßen. "Ich habe Erdogan gar nicht beleidigt", sagte Kramm. Er sei vielmehr auch auf rassistische und sexualisierende Komponenten in dem Gedicht eingegangen. Er könne nun mit einer Anzeige rechnen, hätten die Polizisten ihm gesagt, berichtet Kramm.

Demo gegen TTIP in Hannover zog Mitglieder ab

Zum Auftakt der Landesmitgliederversammlung am Samstag fanden sich nur rund 50 stimmberechtigte Mitglieder im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf am Teltower Damm ein. "Die andere Hälfte war bei den TTIP-Protesten in Hannover", sagte Kramm. Das sei etwas ungünstig gewesen, doch die Ablehnung des Freihandelsabkommens sei eben eines der wichtigsten Anliegen der Piraten. Das fand auch Einzug ins Wahlprogramm, das ohnehin schon in langen Arbeitsprozessen ausgearbeitet worden sei.

Die Piraten lehnen das Freihandelsabkommen TTIP "als intransparent, undemokratisch und auf die Interessen der multinationalen Konzerne zugeschnitten ab", heißt es in dem Programm. TTIP, CETA und TISA würden den Verbraucherschutz, Datenschutz, Daseinsvorsorge, Sozialstandards und demokratische Grundrechte bedrohen. Es käme zu weitreichenden Folgen für die kommunale Selbstbestimmung Berlins. "Die kommunale Organisationsfreiheit bei der Daseinsvorsorge wird von TTIP bedroht", heißt es im Programm weiter. Dies ist auch im "Wiki" der Piratenpartei nachzulesen.

Transparenz und Bürgerbeteiligung

Am Samstag standen die Themen Wirtschafts- und Sozialpolitik im Vordergrund. Am Sonntag geht es vor allem um Bildung und Stadtentwicklung. Ein großes Thema ist für die Piraten allerdings seit Parteigründung 2006 die Transparenz. "Transparenz verhindert Korruption", heißt es im Wahlprogramm der Berliner Piraten nun. "Das Thema haben wir damals überhaupt ins Abgeordnetenhaus eingebracht", sagte Kramm. Das werde man natürlich weiterverfolgen.

Die Piraten hatten auch immer wieder ein Transparenzgesetz gefordert, ein solches existiert etwa in Hamburg. "Rechtsgeschäfte der öffentlichen Hand, zum Beispiel öffentliche Aufträge, müssen in jeder Hinsicht transparent sein. Nur so können Korruption verhindert und faire Bedingungen für alle Wettbewerber garantiert werden", fordern die Piraten. Eine Einsichtnahme in Verträge der öffentlichen Hand ist aus ihrer Sicht ein grundsätzliches Recht des Bürgers. Die Verwendung der Haushaltsgelder müsse für jeden nachvollziehbar und überprüfbar sein.

Die Piratenpartei fordert auch mehr direkte Demokratie, mehr Bürgerentscheide. "Vor allem bei Investitionen, welche mit einem erheblichen finanziellen Risiko belastet sind oder einen maßgeblichen Einfluss in der Stadtentwicklung haben, müssen echte Bürgerentscheide die bisherige, lediglich Meinungen abfragende Bürgerbeteiligung ersetzen", heißt es im Wahlprogramm.

Bau des BER stoppen

Die Piratenpartei verspricht in ihrem Wahlprogramm außerdem, durchzusetzen, dass keine zusätzlichen öffentlichen Gelder mehr für die Fertigstellung des BER ausgegeben werden. "Der Bau wird gestoppt und der Senat wird beauftragt, ein klares Konzept zur Fertigstellung oder Nutzung zu entwickeln und alle bestehenden Gutachten und Verträge offenzulegen, bevor weitergebaut wird", heißt es.

Berliner Umfragewerte unter zwei Prozent

Martin Delius und Christopher Lauer, zwei prominente Piraten, die im Abgeordnetenhaus sitzen, sind mittlerweile aus der Partei ausgetreten. Bei der jüngsten Forsa-Umfrage liegt die Piratenpartei bei zwei Prozent - so würde sie nicht wieder ins Landesparlament einziehen können. "Es gab eine Zeit, da waren die Piraten so hochgejazzt. Diesen Anforderungen konnte eine so junge Partei kaum gerecht werden", sagte Kramm. Es sei ein harter Weg der Konsolidierung gewesen, aber jetzt müsse man im Wahlkampf vor allem die Themen "nach vorne bringen". Außerdem habe man eine "tolle Liste aufgestellt", auf der schließlich immer noch viele erfolgreiche Kandidaten stünden. Im Januar hatte die Partei ihre Landesliste aufgestellt. Nach Kramm als Spitzenkandidaten folgen Franz Josef Schmitt, der Abgeordnete Philipp Magalski, Bettina Günter und der Abgeordnete Simon Kowalewski.

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