Berlin: Die Pforte zum Techno-Glück
18 Meter hoch und Platz für hunderte Tänzer: In einem alten Heizkraftwerk öffnete der Club „Berghain“. Er tritt die Nachfolge des „Ostguts“ an
Weihnachten kam eine Woche früher. Wenigstens für alle Fans der elektronischen Club-Kultur: Das Berghain öffnete am Samstagabend, der Nachfolge-Club des legendären Ostguts. Unauffällig sollte sich die Nachricht verbreiten, so wie die Betreiber stets ein großes Geheimnis um sich und ihren Club machten. Natürlich wurde nichts daraus. Seit knapp zwei Wochen kursierten Gerüchte, dass die Berliner Techno-Gemeinde ihre Kathedrale zurückerhalten werde. Vor genau zwei Jahren musste das Ostgut an der Mühlenstraße der geplanten Anschutz-Arena weichen. Seither spekulierten Clubgänger, wo und wann das neue Ostgut auferstehen würde.
Am Sonnabend Schlag 24 Uhr war es soweit: Die stählerne Pforte öffnete sich zum „Berghain“, dessen Name an die Lage zwischen Kreuzberg und Friedrichshain erinnert. Es war wie früher. Bullige Männer bewachten die Tür, als befinde sich Fort Knox und nicht ein ehemaliges Heizkraftwerk dahinter. Der Türsteher mit den unzähligen Piercings im Gesicht – ein Ostgut-Original – regelte den Fluss der Besucher. „Der Eisenmann“, raunte es ehrfurchtsvoll und freudig erregt aus der Warteschlange. Und die war lang: Bis 4 Uhr ging es nur zäh vorwärts. Erst nach einer Dreiviertelstunde waren die 10 Euro Eintritt entrichtet.
Lohnte sich das Ausharren in der Kälte? Die Erwartungen waren haushoch. Das Ostgut war einer der wenigen Orte in Berlin, wo soziale Schranken und sexuelle Orientierungen aufgehoben waren. Schwule feierten mit Nichtschwulen, Designer mit Bäckern, Schauspieler mit Polizisten. Kann man so einen Ort wiederbeleben?
In der Premierennacht klappte es. Die Menschen drängten sich zu Hunderten auf den zwei Tanzflächen und an den drei Bars. Und zeitweise auch auf den großzügig angelegten Toiletten. Viele Gäste waren vom architektonischen Eindruck überwältigt. Vom Erdgeschoss flogen ihre Blicke hinauf an die Decke in 18 Metern Höhe, dann wieder hinunter auf halbe Höhe des riesigen Raumes. Auf einem Zwischengeschoss war die Tanzfläche eingerichtet worden. Wer sie über die breite Stahltreppe betrat, wähnte sich am Film-Set. So stellt sich Hollywood coole Clubs vor: industrielles Ambiente, ausgeflippte Leute, grelle Lichteffekte und vor allem tanzende Massen. Kunst gab es auch zu betrachten. In der Panoramabar hängen großformatige Fotos des Künstlers Wolfgang Tillmans, eine Installation des polnischen Kollegen Piotr Nathan schmückt das Foyer.
Drinnen, in den zwei Sälen, übten sich die Gäste in der Kunst des Sich-Verlierens. Ganz wörtlich – wegen der labyrinthisch anmutenden Gänge – als auch im übertragenen Sinn. An der Bar sprang ein junger Mann plötzlich auf, tanzte ein paar Sekunden, johlte und setzte sich wieder seelenruhig auf den Hocker. Eine junge Frau umarmte trunken jeden Fremden und verdammte ihren Freund, der nicht mitgekommen war. Auf einer Couch waren inmitten der wummernden Bässe vier Tänzer entschlummert. Vorübergehende entwanden ihnen die Bierflaschen, nippten und steckten sie wieder zurück in die Fäuste. Wie immer ging es bis in den Sonntagnachmittag hinein. Der Adventskaffee konnte da ruhig kalt werden... Weihnachten hatte längst begonnen.
Berghain, Straße Am Wriezener Bahnhof, Friedrichshain, sonnabends Klubnacht ab 24 Uhr, www.berghain.de
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