Kunstausstellung über der Spree: Die Oberbaumbrückenmaler
Wo sonst zwischen Kreuzberg und Friedrichshain nur der Verkehr entlang donnert, ist Sonntag ist wieder Open Air Gallery. Zum zehnten Mal laden die Macher ein – doch wer sind sie eigentlich?
Mit Füßen getreten, von Autos, Bahnen und Schiffen über- und unterfahren, von Straßenmusikern vollgelärmt, mit Bierflaschenscherben übersät. Dabei ist die Oberbaumbrücke doch ein Kunstwerk, viel zu großartig, um immer nur im Verkehrsgedonner passiert zu werden. Das findet jedenfalls Kani Alavi, der sie oft gemalt hat. Für ihn sei sie die schönste Brücke Europas, sagt der Künstler. „Und die Leute, die da täglich rüberlaufen oder rüberfahren, die beachten sie gar nicht.“ Nur an zwei Tagen im Jahr sei das anders, da werde sie als Kunstort gesehen. Der kommende Sonntag ist einer davon, da läuft hier die inzwischen zehnte Open Air Gallery, Teil zwei folgt im August.
2003 hat der ansonsten durch die Künstlerinitiative East Side Gallery bekannte Maler die Kunstausstellung zusammen mit dem Kreuzberger Stadtplaner Ümit Bayam erfunden. Der hatte nach der Bezirksfusion mit Friedrichshain die Aufgabe, Leben in die Region an der Spree und damit in den trockenen Verwaltungsakt Bezirksfusion zu bringen. Bis heute ist er Projektleiter und Geschäftsführer des Stadtteilausschusses Kreuzberg, dem Veranstalterverein der Open Air Gallery. Von Alavis Idee, eine Ausstellung auf die Brücke zu bringen, war er gleich begeistert und ist es immer noch, erzählt Bayam. Um die einzige Verbindung zwischen den Bezirken zumindest für zwei Tage im Jahr zu einem Ort zu machen, wo man gern verweilt, den einzigartig weiten Spreeblick flussaufwärts und -abwärts genießt und außerdem noch Skulpturen, Gemälde, kurz Farben auf grauem Asphalt blühen sieht. An die 20.000 Besucher haben sie im vergangenen Jahr gezählt.
Wasserschlacht auf der Oberbaumbrücke - auch eine verbindende Aktion
Sie, das sind neben Bayam die Kulturmanagerin Jana Noritsch und die ehrenamtlich arbeitende Kunsthistorikerin Anna Hirsekorn. Die drei sind der professionelle Kern einer Truppe von weiteren zehn Leuten, die für lau bei der Organisation der Ausstellung helfen. „Die Open Air Gallery ist keine Low-, sondern eine No-Budget-Veranstaltung“, grinst Ümit Bayam, was man ihm beim Treffen im spartanisch eingerichteten Stadtteilausschuss-Büro in der Skalitzer Straße ohne Weiteres abnimmt. Ihre Einnahmen beschränken sich auf 90 Euro Standgebühr von jedem Künstler und Sponsorenhilfe, etwa durch die BSR, die hinterher die Brücke putzt. Das ist zwar mühsam für die Macher, passt aber zum Geist der Schau, die Kunst bewusst frei und außerhalb des Galerie- oder Museumsrahmens zeigt.
Für den aus Santiago de Chile stammenden Maler Francisco Perez, der die Fassade des Stadtteilausschuss-Büros bemalt hat, und seit 2004 Gallery-Stammgast ist, ganz klar ein Grund, hier mitzumachen. Er liebt die Begegnung mit Zufallspassanten oder Familien auf Sonntagskunstausflug. Nicht, weil er den Leuten groß seine Kunst erklären will. „Sondern weil ich gern ihre Nähe zu meinen Bildern fühle.“ Mit kühlen Kunstinvestorenkäufen wie in der Galerie habe das nichts zu tun. „Für mich ist es ein lustiger Sonntag, ob ich was verkaufe oder nicht. Die Brücke ist mein Atelier und zwar eins mit großartigem Sonnenuntergang.“
Obwohl die Open Air Gallery ganz selbstverständlich Autodidakten neben studierten Künstlern zeigt, legt Künstlerbetreuerin Jana Noritsch Wert darauf, festzuhalten, dass sie kuratiert ist. 400 Künstler haben sich dieses Jahr beworben, ungefähr die Hälfte der ausgewählten 170 kommt inzwischen extra aus Deutschland oder Europa angereist, um ihre Arbeiten für 20 oder 2000 Euro zu verkaufen. Erlaubt sind nur Originale, keine Prints oder Postkarten, eben kein Kunsthandwerk. Deswegen kämen morgens auch häufig Galeristen, schauten sich an, was es Neues gibt, und kauften die eine oder andere Arbeit gleich weg, erzählen Bayam und Alavi. Jeder Sonntag hat einen Nachhall, also Folgeaufträge und -verkäufe für die Künstler, an deren Erlösen der Stadtteilausschuss im Gegensatz zu kommerziellen Galerien keinen Anteil hat.
Und wie ist die Idee aufgegangen, die beiden Bezirke näher zu bringen? Habe geklappt, findet die wohnungsmäßig über beide Bezirke und mehr verteilte Runde. Sie radele sonst immer im Verkehrsgewühl von Friedrichshain nach Kreuzberg, sagt Annika Hirsekorn. „Und Sonntagmorgen wird es dann ganz anders auf der Oberbaumbrücke sein, so leer und still.“ Zumindest bis sie da sind, die Kunstgucker und Zufallsflaneure.
Open Air Gallery auf der Oberbaumbrücke, 1. Juli und 5. August, 10–22 Uhr, Eintritt frei, www.openairgallery.de